# taz.de -- Kommentar Landtagswahl Sachsen-Anhalt: Cool bleiben
       
       > Die AfD zieht mit 24 Sitzen in das Landesparlament ein. Die
       > Regierungsbildung wird nun eine Bastelaufgabe besonderer Art.
       
 (IMG) Bild: Beklatschen sich selbst für den Erfolg in Sachsen-Anhalt: Landeschef André Poggenburg (l.) und Thüringens AfD-Vorsitzender Björn Höcke
       
       Die AfD hat in Sachsen-Anhalt 300 Mitglieder. Sie existiert vor allem auf
       dem Papier. Nun wird fast jeder zehnte AfDler im Landtag in Magdeburg
       sitzen. Da kann man vorab schon mal viel Vergnügen wünschen.
       
       Die Rechtspopulisten sind zwischen Bitterfeld und Magdeburg eher eine
       Luftbuchung, die durch rhetorische Ausfälligkeiten aufgefallen ist, wenn
       überhaupt. Doch aus dem Stand haben nahezu so viele Menschen die
       Rechtsalternativen gewählt wie Linkspartei und SPD zusammen. Es erscheint
       als geradezu kurioses Missverständnis, dass fast die Hälfte der AfD-Wähler
       sich von den Rechten mehr soziale Gerechtigkeit erhofft – von einer Partei,
       die Hartz IV und den Spitzensteuersatz senken und den Mindestlohn gleich
       ganz abschaffen will.
       
       Doch vielleicht ist auch das ein Grund für den Erfolg der AfD, die bei
       Arbeitern, Arbeitslosen und weniger Gebildeten stärkste Partei geworden
       ist. Sie mobilisiert Ressentiments nicht nur gegen das Fremde, sondern auch
       gegen Verlierer. Das passt offenbar zur Mentalität jener Frustrierten, die
       mit Verachtung nach unten schauen, selbst wenn dort nicht mehr viel ist.
       
       Die Linkspartei hatte, ähnlich wie SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, gemerkt,
       welch brisante Mixtur sich da aus Hass auf die politische Klasse,
       Abstiegsangst und Fremdenfurcht zusammenbraut. Gabriel ist dafür zu Unrecht
       viel gescholten worden. Die Linkspartei skizzierte ein Programm (5 mal 5
       Milliarden), das Investitionen in Kitas und Schulen mit Geld für
       Flüchtlinge kombiniert, um die Luft aus dem Kessel zu lassen.
       
       ## Votum gegen repräsentative Politik
       
       Doch der Block der Frustration ist hermetisch abgedichtet gegen solche
       komplizierten Pläne. Die Wähler – und es sind überwiegend Männer – haben
       nicht AfD angekreuzt, weil sie sich dadurch Besseres erhoffen. Dass fast
       jeder vierte für die AfD votiert hat, zeigt den rohen Wunsch, es „denen“ –
       von CDU bis Linkspartei – zu zeigen. Dies ist zum Teil ein Votum gegen die
       repräsentative Politik an sich: Gegen Verhandlungen und Kompromisse, gegen
       die ganze verwirrende Komplexität postnationaler Politik, die eher in
       Brüssel und Berlin als in Magdeburg beschlossen wird.
       
       Diese antipolitische, von Ressentiments getränkte Stimmung ist
       unerfreulich, ja widerwärtig. Sie hat allerdings einen verschatteten,
       rationalen Kern. Migrationsbewegungen sind immer mit Verteilungskämpfen
       verbunden – und zu spüren bekommen dies Unterschicht und untere
       Mittelschicht. SPD und Linkspartei haben wohl zu zaghaft versucht, das in
       sozialen Forderungen und demokratischem Diskurs aufzufangen. Dass vor allem
       diese beiden Parteien Verlierer dieser Wahl sind, hat etwas
       Niederschmetterndes. Kaum zu glauben, dass noch vor ein paar Wochen, bevor
       sich diese Ressentimentwelle brach, Rot-Rot-Grün in Magdeburg im Bereich
       des Möglichen war.
       
       Gab es Alternativen zur AfD? Linkspopulismus mit fremdenfeindlichen
       Obertönen mag auf den ersten Blick verlockend scheinen. Aber das würde
       nicht nur die demokratische Kultur schädigen. Es ist auch der Versuch,
       einen Tiger zu reiten, den der Dompteur nicht immer überlebt. Man muss sich
       wohl eingestehen, dass gegen diese Stimmung derzeit kein Kraut gewachsen
       ist – jedenfalls nicht zu einem bezahlbaren Preis.
       
       ## Eine Mogelpackung
       
       Die Regierungsbildung wird nun eine Bastelaufgabe besonderer Art. Die
       gebeutelte SPD wird vermutlich aus Staatsräson mit den Grünen und der CDU
       koalieren – wohl wissend, dass sie damit als ewiger Juniorpartner ihren
       Niedergang eher beschleunigt als aufhält.
       
       In Sachen AfD wird viel wird davon abhängen, ob man in Sachsen-Anhalt den
       richtigen Ton anschlägt. Je mehr man die Rechtspopulisten mit
       Antifa-Reflexen bearbeitet und unter generellen Naziverdacht stellt, desto
       mehr fühlen sie sich in bizarrer Selbstüberhöhung als Robin Hood, als
       Stimme der von der GEZ, Angela Merkel oder sonst wem unterdrückten
       Volksmassen.
       
       Die AfD ist eine Mogelpackung aus Wohlanständigkeit und Hetze. Sie ist eine
       Allianz von Rechtsextremen und enttäuschten Konservativen. Besser als per
       Außendruck zusammenzupressen, was nicht unbedingt zusammengehört, ist es,
       diesen inneren Widerspruch freizulegen – zwischen Biedermann-Pose und
       rhetorischer Brandstiftung. Es war ein schlimmer Sieg für die AfD. Umso
       wichtiger ist es, cool zu bleiben.
       
       14 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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