# taz.de -- Handgranaten-Anschlag in Villingen: Viele Fragen an die „Soko Container“
       
       > Zu Besuch in Villingen-Schwenningen, wo eine Granate auf ein
       > Flüchtlingsheim geworfen wurde. Die Polizei präsentiert erste
       > Ermittlungsergebnisse.
       
 (IMG) Bild: So sieht eine M52 aus: Kriminaldirektor Andreas Stenger zeigt bei der Pressekonferenz am Freitag Modelle der Granate
       
       Villingen-Schwenningen taz | Freitag, 15 Uhr. Die „SoKo Container“ tagt im
       4. Stock des Polizeirevier Villingen. Ein trostloser Name in einer
       trostlosen Gegend. Die Erstaufnahmestelle, über deren Zaun in der Nacht zum
       Freitag eine Handgranate flog, ist nur 350 Meter entfernt. Die Straßen sind
       leer, das Gelände beidseitig abgezäunt durch Polizeiautos und schmutzige
       Schneereste. Die Spurensicherung ist noch bei der Arbeit.
       
       Was da passierte, in der Nacht, in Villingen? Polizeichef Ralf Thimm kann
       nur Folgendes sagen:
       
       Um 1:29 Uhr ging die Polizeimeldung ein: Vermutlich sei eine Handgranate
       geworfen worden.
       
       Spätestens um 3:25 Uhr, mit dem Eintreffen der Entschärfer, löst sich der
       Konjunktiv auf. Die Granate ist definitiv mit Sprengstoff gefüllt.
       
       Um 5:08 Uhr sprengen die Experten sie in die Luft.
       
       Zu diesem Zeitpunkt sind die unmittelbaren Anwohner evakuiert, das Gelände
       rund um das Rutschgerüst, wo die Granate gelandet war, mit Heuballen
       abgesichert.
       
       Die Polizeibeamten kennen noch mehr Konjunktive: vermutlich sei ein
       fremdenfeindlicher Hintergrund nicht auszuschließen.
       
       Die Granate des Typ M52 mit Kipphebelzündung landete direkt neben dem
       Sicherheitscontainer der Erstaufnahme. Andreas Stenger, leitender
       Kriminaldirektor, führt vor und erklärt. Wenn man den Sicherungsring zieht,
       hat man noch vier Sekunden bis der Detonator zündet, der zur Explosion der
       Granate führt. Der Sicherungsring sieht aus wie ein Schlüsselring.
       
       ## Der Zünder wurde noch nicht gefunden
       
       Das Ganze gleicht einem sperrigen Accessoire, das vermutlich auf illegalem
       Weg nach Deutschland gelangt ist. „Während des Bürgerkriegs auf dem
       Westbalkan weit verbreitet – so kommen die Dinger in den Umlauf“, sagt
       Stenger. Das Ding, das letzte Nacht über den Zaun flog, wird jetzt
       analysiert. Den Zünder haben die Sprengstoffexperten nicht gefunden. Die
       Stahlummantelung verhindert eine klare Röntgeneinsicht.
       
       Detoniert die M52, dann ist die Wirkung stärker als ein
       Schusswaffenprojektil. Im Umkreis von 10-20 Metern kann sie Menschen töten.
       Aber nicht hinter soliden Mauern.
       
       Die Straße, von der aus die Granate geworfen wurde, ist auch um ein Uhr
       nachts hellbeleuchtet. Ein Ziel wäre demnach klar zu erkennen gewesen.
       Vielleicht ist das Geschoss am Bauzaun abgeprallt, mutmaßen die Beamten.
       Das wäre eine Erklärung. Aber dann wäre der Werfer entweder sehr
       ungeschickt oder sehr dämlich oder beides. Ging es um Angstmache? Die
       Beamten wissen es nicht.
       
       In der Nacht auf Freitag waren in dem Container lediglich drei
       Sicherheitsmänner anwesend. Sie waren es, die die Polizei informierten,
       nachdem sie draußen ein Geräusch gehört hatten. Zeugen gibt es – noch –
       keine. Und die Lage vor Ort sei auch jetzt ruhig, sagt Klemens Ficht,
       Freiburger Regierungsvizepräsident. Am Tatort, in der Dattenbergstraße,
       leben 104 Flüchtlinge. Hauptsächlich Syrer, Afghanen und Iraker. Die
       Einrichtung ist eigentlich auf 1.200 ausgelegt.
       
       In der Dattenbergstraße bröckelt der Putz von den Balkonen und die türkisen
       Briefkästen sind mit Panzertape verklebt. Im Fenster von Gebäude D13 hängen
       Weihnachtssterne aus Papier. Der Rest ist Tristesse. In ihrer Mitte essen
       die Männer vom Sicherheitsdienst türkische Pizza. Neongelbe Jacken, die
       meisten sprechen arabisch.
       
       ## „Klar, Arschlöcher gibt’s immer“
       
       Vor einer Minute war Feierabend, sagt einer – und dass sie hier keine
       Probleme haben. Nicht mit den Anwohnern, nicht mit den Flüchtlingen, nicht
       mit den Angestellten. Sie glauben nicht, dass der Anschlag den
       Asylbewerbern galt. „Klar, Arschlöcher gibt’s immer – aber wir ziehen hier
       alle am selben Strang“. Die Nachbarn helfen, wo sie können, und spenden,
       was gebraucht wird. Vielleicht, denken sie, wollte da einer ein bisschen
       Panik machen. „Die Leute sind nett zu uns“, sagen auch die zwei jungen
       Syrer, die gerade vom Deutschunterricht kommen.
       
       Wohlgesonnen sind ihnen sicher nicht alle. Auch in Villingen-Schwenningen
       gibt es eine immer stärker werdende rechte Szene. Am vergangenen Mittwoch
       erst wurde Ralph Thomas Kästner, Ordner der örtlichen Pegida, verhaftet.
       Daraufhin gab es einen Nazi-Aufmarsch in der Innenstadt. Sind sie
       involviert? Die Polizeibeamten können nichts dazu sagen.
       
       Um 16:49 Uhr fällt das Absperrband. Ein paar Anwohner der Dattenbergstraße
       schauen noch argwöhnisch aus den Fenstern, aber der Tatort ist wieder frei.
       Ein kleiner Junge spielt Fußball neben den Heuresten, die die Entschärfer
       hinterlassen haben. Wenige Gärten weiter schaukeln zwei Mädchen um die
       Wette. Fast, als sei gar nichts passiert, gestern Nacht.
       
       Angstmache? Sie lassen sich keine Angst machen.
       
       29 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Hellge
       
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