# taz.de -- Justiz in Rumänien: Korrupte Politiker schreiben sich frei
       
       > Wer im Gefängnis ein wissenschaftliches Werk verfasst, der bekommt 30
       > Tage Haft erlassen. Die Produktion der Häftlinge steigt rasant an.
       
 (IMG) Bild: Wissenschaftlich schwerst unterwegs: Der Geschäftsmann Gigi Becali.
       
       Berlin taz | Einst war er Devisenbeschaffer des Diktators Nicolae
       Ceauşescu. Im Außenhandelsimperium des Geheimdienstes Securitate hatte er
       Schlüsselpositionen inne. Nach dem Sturz Ceauşescus im Dezember 1989 stahl
       er mutmaßlich große Summen aus dem einstigen Staats- und
       Geheimdienstvermögen, später wurde er mit Immobiliendeals einer der
       reichsten Männer Rumäniens: Dan Voiculescu, 69, Medienmogul und Gründer der
       Unternehmensholding Grivco. Im August 2014 verurteilte ihn ein Gericht
       wegen eines illegalen Grundstücksgeschäftes zu zehn Jahren Haft.
       
       Derzeit sitzt Voiculescu im Bukarester Hochsicherheitsgefängnis Rahova –
       und schreibt sich frei. Seit seinem Haftantritt verfasste er zehn
       wissenschaftliche Werke. Sie tragen Titel wie „Der vierte Weg“ oder
       „Menschheit – wohin?“. Ihr Inhalt? Halb Unsinn, halb Plagiat. Doch
       Voiculescu erhält dafür 300 Tage Hafterlass – 30 Tage für jedes Werk. Beim
       rasanten Tempo seiner Buchproduktion könnte er bald freikommen.
       
       Voiculescu ist nicht der Einzige. In Rumänien schreiben sich viele korrupte
       Politiker und Unternehmer aus der Haft frei. Möglich macht es eine
       Gesetzesregelung aus dem Jahr 2013, einer Zeit, als die rumänische Justiz
       begann, immer konsequenter gegen Korruption vorzugehen. Dank der Regelung
       erhalten Häftlinge, die wissenschaftlich arbeiten, dreißig Tage Straferlass
       – pro publiziertem Werk.
       
       Vorher galt die Regelung lediglich pauschal. Doch seit der Änderung von
       2013 stieg die Zahl der Knastforscher sprunghaft an. Laut Angaben der
       Nationalen Gefängnisverwaltung (ANP) erschienen von 2013 bis 2015 411
       wissenschaftliche Werke, verfasst von 188 Häftlingen.
       
       ## Persönliche Ergüsse
       
       Vieles hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Mal sind es persönliche Ergüsse
       wie das Werk „Freiheitsübungen“ des früheren Regierungschefs Adrian
       Năstase, verurteilt in einem Korruptionsverfahren im Juni 2012. Mal sind es
       Fotosammlungen plus Abschriften von Zeitungsartikeln wie das Buch „Steaua
       und Becali“ des Fußballklubbesitzers und Geschäftsmannes Gigi Becali, der
       wegen eines betrügerischen Immobiliengeschäfts hinter Gitter musste.
       
       Eigentlich ist wissenschaftliches Arbeiten in rumänischen Gefängnissen mit
       hohen Hürden versehen. Ein akademischer „Koordinator“ muss den
       wissenschaftlichen Nutzen des Themas attestieren, ein staatlich
       akkreditierter Wissenschaftsverlag das Werk publizieren. Kein Problem für
       Häftlinge mit Vermögen und Beziehungen. Sie können auf die Hilfe von
       Verlagen zählen, die Gefängniswissenschaft als lukratives Geschäftsmodell
       entdeckt haben.
       
       Für Autoren wie Becali liefern sie den Text gleich mit. Weil mit der
       Gesetzesregelung viel Missbrauch getrieben wird, ist die Empörung in
       Rumänien groß. Das Justizministerium will die Regelung abschaffen. Dem
       müsste das Parlament zustimmen. Doch das ist unwahrscheinlich. Vielen
       Abgeordneten droht selbst Gefängnis.
       
       Auch Becali musste den Platz im Parlament 2013 mit einer Zelle tauschen.
       Doch er hat sich längst freigeschrieben. Als er gefragt wurde, ob er der
       Autor seiner „wissenschaftlichen“ Werke war, gab er zu, nur kopiert zu
       haben. Seine Interviewerin raunzte er an: „Wo liegt das Problem?“
       
       28 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
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