# taz.de -- Kommentar Folgen von Köln für Merkel: Schluss mit Bullerbü
       
       > Die heile Welt der Kanzlerin ist durch die Flüchtlinge gefährdet. Ihre
       > Gegenrezepte wirken nicht, ihre Partei ist zunehmend gereizt.
       
 (IMG) Bild: Angela, verstehe doch: Das Politikleben ist kein Ponyhof.
       
       Schafft Angela Merkel das? Diese Frage stellen sich inzwischen viele in der
       CDU. Die Autorität der Kanzlerin, die lange unantastbar schien, erodiert in
       der Flüchtlingspolitik, die sie mit ihrer Person verknüpft hat wie kein
       anderes Thema. Ob es Merkel gelingt, die eigenen Leute hinter sich zu
       halten, hängt mit zwei Versprechen zusammen.
       
       Die Deutschen liebten Merkel ja immer, weil sie ihnen die Probleme vom Leib
       hielt. Mit dieser Kanzlerin konnte die bürgerliche Mitte sicher sein, dass
       alles blieb, wie es war, auch wenn in Europa Banken wankten oder Staaten
       vor dem Bankrott standen. Krise? Welche Krise? Deutschland bekam die
       schwarze Null und die Mütterrente, ein Bullerbü mitten in Europa. Dass
       Merkels Politik auf Kosten anderer ging und südeuropäische Staaten zum
       brutalen Sparen verpflichtete, wollte da keiner so genau wissen.
       
       Die Flüchtlinge zerstören Merkels Heile-Welt-Narrativ. Denn das Elend steht
       jetzt vor den Haustüren in Passau, Duisburg oder Berlin. Viele CDU-Wähler
       verstehen ihre Kanzlerin nicht mehr, Merkel hat aus ihrer Sicht die
       Probleme – also die Flüchtlinge – ja herzlich eingeladen. Dass die Union in
       Umfragen dennoch nur leicht abrutscht, ist ein interessantes Phänomen. Eine
       Rolle dürfte spielen, dass Merkel einen riesigen Vertrauensvorschuss
       genießt, dass die AfD für Bürgerliche nicht wählbar ist und die Union mit
       Horst Seehofer praktischerweise den ideologischen Gegenpart auch im Angebot
       hat.
       
       Vor allem aber bricht die Kanzlerin noch ein Versprechen, nämlich das, die
       Flüchtlingszahlen deutlich zu senken. Momentan kommen 3.000 Tag für Tag,
       mitten im Winter – das wären aufs Jahr 2016 gerechnet wieder mehr als eine
       Million Menschen. In der Union fragen sie sich bang, wie viele sich erst im
       Frühjahr auf den Weg machen. Merkel muss Ergebnisse vorweisen, schnell,
       denn ihre Partei wird ungeduldig. So kursiert in der Unionsfraktion derzeit
       ein Antrag, der eine „verlässliche Sicherung der deutschen Staatsgrenzen“
       fordert. Doch das ist Merkels kleinstes Problem. Wichtiger ist, dass die
       Deutschen immer skeptischer werden und die Angst vor Flüchtlingen wächst.
       
       ## Entscheidend ist die Außenpolitik
       
       Merkel setzt auf zwei Instrumente, und beide wirken nicht recht.
       Innenpolitisch hat ihre Koalition eine Reihe von Asylrechtsverschärfungen
       verabschiedet. Sie behandelt also die Menschen, die hier sind, schlechter –
       in der Hoffnung, dass dies andere abschreckt. Aber Flüchtlingen, die in
       Syrien dem Tod ins Auge geblickt haben, ist es herzlich egal, ob
       Deutschland ein Taschengeld von 140 Euro im Monat gewährt oder ob
       stattdessen in Unterkünften Gutscheine verteilt werden. Die Gesetze wirken
       wie nutzlose Ersatzhandlungen.
       
       Entscheidend aber ist Merkels Außenpolitik. Denn zur Dialektik ihrer Linie
       gehört, auf die Abschottung der europäischen Außengrenzen zu setzen. So
       hofiert sie etwa den türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdoğan. Der Mann,
       der einen Bürgerkrieg gegen die Kurden führt, bekommt EU-Milliarden, damit
       die mehr als zwei Millionen Syrer, die in die Türkei geflohen sind, auch
       dort bleiben. Aber Erdoğan spielt auf eigene Rechnung, für ihn sind die
       Flüchtlinge willkommene Verhandlungsmasse, die EU unter Druck zu setzen.
       Von den humanitären Härten, die diese Lösung bedeutet, mal ganz abgesehen.
       
       Selbst wenn Erdoğan die Grenzen schlösse, fänden die Flüchtlinge wohl
       andere Wege. Und dann? Dass das vom Spardiktat geschwächte Griechenland
       freudig den Ausputzer für die EU spielt, ist wenig wahrscheinlich. Merkel,
       das ist offensichtlich, bekommt von einigen Staaten die Rechnung für ihre
       Europapolitik präsentiert.
       
       Die Kanzlerin steckt in der Klemme. Eine europäische Lösung, etwa eine
       faire Verteilung der Flüchtlinge, liegt in weiter Ferne. Die Zahlen werden
       nicht sinken, zumindest nicht schnell. Und ihre Partei wird immer
       gereizter. Darf man weiter hoffen, dass Seehofers verrückte Idee einer
       Obergrenze samt Grenzschließung niemals Wirklichkeit wird? Gute Frage.
       
       15 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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