# taz.de -- Flüchtlingspolitik der Linkspartei: Es geht ums Prinzip
       
       > Sahra Wagenknecht spricht sich für Abschiebungen aus – auch weil viele
       > Wähler das so sehen. Da kracht‘s in der Partei. Lob kommt von
       > unerwarteter Seite.
       
 (IMG) Bild: Gehen sie noch in die gleiche Richtung? Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch.
       
       Berlin taz | Bis Dienstagabend kannte die Linkspartei im Bundestag
       dreierlei Arten von Fraktionssitzungen: solche ohne Attacken, solche mit
       Attacken vom linken auf den rechten Flügel und solche mit Attacken vom
       rechten auf den linken Flügel. Was diese Woche im Fraktionssaal im
       Reichstag passierte, war also eine Premiere: Über alle Lager hinweg
       schossen sich die Abgeordneten auf ihre Fraktionsspitze ein. „Ich weiß
       nicht, wann wir das letzte Mal so eine heftige inhaltliche Debatte hatten“,
       sagt ein Teilnehmer, als der Termin endlich vorbei ist.
       
       Alles wegen drei Sätzen. Am Tag zuvor hatten die beiden Fraktionschefs ein
       Pressestatement abgegeben, eigentlich auch ein Routinetermin. Bis Sahra
       Wagenknecht die Silvesternacht von Köln anspricht. „Wer Gastrecht
       missbraucht, der hat Gastrecht dann eben auch verwirkt. Das ist in dieser
       Frage auch die klare Position der Linken“, sagt sie. Ihr Kovorsitzender
       Dietmar Bartsch hört zu, denkt zwei Minuten nach und schiebt dann eine
       Ergänzung hinterher: „Das ist übrigens die Rechtslage in Deutschland.“
       
       Im Grunde haben sie damit ja recht. Wer als Ausländer eine Straftat begeht,
       kann unter Umständen abgeschoben werden. Das Problem ist nur: Gut findet
       die Linkspartei das eigentlich nicht.
       
       In der Fraktionssitzung müssen sich die Chefs rechtfertigen. Die Wortwahl
       war unglücklich, gibt Wagenknecht zu. Dann legt sie aber nach: Die Genossen
       sollten sich doch mal den Rechtsruck in Deutschland anschauen, den
       Aufwärtstrend der AfD und die Hassmails, die täglich in den Büros der
       Abgeordneten eingingen. Sie befürchte, dass die Linkspartei mit ihrem
       aktuellen Kurs den Anschluss verliere – an ihre Wähler und die
       Gesellschaft.
       
       ## Die Glaubwürdigkeit gefährden
       
       Das kann man so sehen. Der Großteil der Fraktion sieht es aber anders: Dass
       sich die Linkspartei als Partei der Flüchtlingshelfer inszeniert, dass sie
       bisher gegen alle Asylrechtseinschränkungen stimmte, sehen die meisten
       Abgeordneten als Pluspunkt. Ein Alleinstellungsmerkmal, das nicht mal mehr
       die Grünen zu bieten haben und das im linksalternativen Milieu Stimmen
       sichere. Gar nicht zu reden von der politischen Überzeugung: Wähler hin
       oder her, Abschiebungen lehnen viele Linke aus Prinzip ab.
       
       Kritik an den Fraktionschefs, vor allem an Wagenknecht, kommt während der
       Sitzung aus allen Lagern. Aus der Mitte der Partei und von den Reformern,
       die die Fraktionsvorsitzende zuvor schon öffentlich getadelt haben. Aber
       auch von den Parteilinken, eigentlich Wagenknechts Anhängern, die die
       Gastrechtdebatte in eine unbequeme Position drängt: Distanzieren sie sich
       öffentlich von der Aussage der Fraktionschefin, wirken sie illoyal.
       Distanzieren sie sich nicht, gefährden sie ihre Glaubwürdigkeit.
       
       Am Ende des Abends werden sie froh sein, dass Wagenknecht einlenkt.
       Zumindest formell. „Straftaten müssen für alle Menschen die gleichen
       Rechtsfolgen haben. Wir brauchen keine weiteren Strafrechtsverschärfungen“,
       steht in einer Beschlussvorlage der Fraktion, Wagenknecht stimmt dafür.
       Noch deutlicher wird der geschäftsführende Parteivorstand. Gastrecht
       verwirken? Nicht doch. „Die Linke lehnt Abschiebungen ab“, beschließt die
       Parteispitze.
       
       ## Und die Täter von Köln?
       
       „Die Sache ist damit für uns erledigt“, sagt am nächsten Tag Parteichef
       Bernd Riexinger, auch ein Parteilinker. „Ich glaube auch nicht, dass Frau
       Wagenknecht ausdrücken wollte, dass das Asylrecht zur Disposition steht.“
       
       Wollte sie wirklich nicht. Das sagt sie zumindest, als sie am
       Mittwochmorgen mit Journalisten spricht. „Das Grundrecht auf Asyl darf
       nicht angetastet werden“, sagt die Fraktionschefin. Und die Täter von Köln?
       Will sie die jetzt abschieben oder nicht? „Wir sind dafür, bestehende
       Gesetze anzuwenden“, sagt Wagenknecht und gibt damit zwei Antworten auf
       einmal. Wer in Köln eine Frau begrabschte, muss laut geltendem Recht zwar
       eine Strafe fürchten, darf im Normallfall aber in Deutschland bleiben.
       Keine Abschiebung, das gefällt der Partei.
       
       Dass sie Abschiebungen ablehnt, hat Wagenknecht damit aber noch nicht
       gesagt. Und das gefällt ganz anderen. „Es ist erfreulich, zu sehen, zu
       wieviel Realpolitik die Linken manchmal fähig sein können“, sagt am Mittag
       Alexander Gauland. Und der ist Vizechef der AfD.
       
       13 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Schulze
       
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