# taz.de -- Kommentar Anzeige gegen Höcke: Blödheit ist nicht strafbar
       
       > Thüringens AfD-Chef Björn Höcke ist angezeigt wegen Volksverhetzung. Doch
       > die Verbreitung dummdreister Theorien kann nicht belangt werden.
       
 (IMG) Bild: Vermutlich wird es nicht einmal ein Ermittlungsverfahren geben: Björn Höcke
       
       Viele Journalisten schienen geradezu euphorisiert: „Björn Höcke unter
       Verdacht“, „Justiz befasst sich mit Höcke“ oder „Verdacht der
       Volksverhetzung“, so titelten jetzt zahlreiche Medien. Bisher ist aber
       nicht mehr passiert, [1][als dass Björn Höcke angezeigt wurde], wohl wegen
       seiner Rede zum Thema „Ansturm auf Europa“ Ende November in Schnellroda.
       Die Justiz ist noch damit beschäftigt, die zuständige Staatsanwaltschaft zu
       finden und hat noch nicht einmal mit der Prüfung begonnen, ob der
       Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt. Vermutlich wird es nicht einmal
       ein Ermittlungsverfahren geben.
       
       Anstoß erregten in Höckes Rede vor allem seine Ausführungen zur
       „Populationsökologie“. Danach habe „die Evolution“ Afrika und Europa zwei
       unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert. In Afrika herrsche eine
       Strategie vor, die auf eine hohe Zahl von Nachkommen setze, von denen aber
       nur wenige überleben. In Europa dagegen setze man auf wenige Nachkommen mit
       hohen Überlebenschancen. Höcke will verhindern, dass Europa den
       afrikanischen „Reproduktionsüberschuss“ von 30 Millionen Menschen pro Jahr
       aufnimmt und fordert deshalb eine neue Asyl- und Einwanderungspolitik.
       
       Die Äußerungen Höckes sind offensichtlich unsinnig. Die unterschiedlichen
       Geburtenraten in Afrika und Europa sind kein Produkt der Evolution. 1875
       hat in Deutschland jede Frau im Schnitt fünf Kinder geboren. Glaubt Höcke
       etwa, dass die Evolution in Europa erst später eingesetzt hat? Es ist
       außerhalb von Höckes Kreisen allgemein anerkannt, dass die Geburtenrate
       sinkt, wenn es mit sozialer Sicherheit, medizinischer Versorgung und der
       Emanzipation der Frauen vorwärts geht. Das wird auch in Afrika so sein.
       Höckes pseudowissenschaftliche Rassenbiologie ist schon im Ansatz nicht
       haltbar.
       
       Doch die Verbreitung dummdreister Theorien allein ist nicht strafbar. Eine
       Volksverhetzung läge nur vor, wenn Höcke zum Hass gegen Afrikaner
       aufgerufen hätte oder die Menschenwürde von Afrikanern durch Beschimpfungen
       und böswilliges Verächtlichmachen angegriffen hätte. Dazu genügt es nicht,
       dass Höcke absurde Theorien über unterschiedlichen Fortpflanzungsstrategien
       verbreitet. Darin allein liegt weder eine Aufstachelung zum Hass noch eine
       Beschimpfung. Die konkrete Rassenlehre der Nazis hat er sich damit auch
       nicht zu eigen gemacht.
       
       Rechtlich relevant könnte eher sein, dass Höcke die AfD als „letzte
       friedliche Chance“ für Deutschland bezeichnet. Man kann darin durchaus eine
       implizite Gewaltdrohung sehen. Durch Höckes Vortrag zieht sich auch eine
       geradezu apokalyptische Angst vor dem Zusammenleben mit Menschen anderer
       Herkunft, Hautfarbe und Religion. Er ist damit nicht mehr weit entfernt vom
       NPD-Slogan „Integration ist Völkermord“. Sollte Höcke mit seinem Wunsch
       nach einer ethnisch reinen Volksgemeinschaft in der AfD die Mehrheit
       verkörpern, wird es sicher bald auch Parteiverbotsanträge gegen die AfD
       geben - mit guten Erfolgschancen.
       
       29 Dec 2015
       
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