# taz.de -- Verbrennung von „Juden-Puppe“ in Polen: Staatsanwaltschaft will ermitteln
       
       > Rechte haben auf dem Rathausplatz in Breslau eine „Juden-Puppe“
       > verbrannt. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen angekündigt.
       
 (IMG) Bild: Unterstützer und Mitglieder des Nationalradikalen Lagers (ONR) und der Allpolnischen Jugend bei der Verbrennung der „Juden-Puppe“.
       
       Warschau taz | Der braune Sumpf an Verachtung, Hass und Niedertracht
       schwappt nun auch in Polen an die Oberfläche. Bislang war bei Attacken auf
       Ausländer, Juden, Muslime oder Homosexuelle immer wieder die Rede von
       „Einzelfällen“. Staatsanwälte und Richter verharmlosten das Gebrüll der
       Fußball-Rowdys in den Stadien – „Juden ins Gas“ oder „Haut ab nach
       Auschwitz!“ –, und auch die geschändeten jüdischen Friedhöfe gingen meist
       als „dumme Jungenstreiche“ durch. Jetzt aber brannte auf dem Rathausplatz
       der niederschlesischen Metropole Breslau (Wroclaw) eine „Juden-Puppe“ mit
       Schläfenlocken, schwarzem Kaftan und einer Europaflagge in der Hand.
       
       Unter dem Gebrüll „Bog, Honor i Ojczyzna!“ – „Gott, Ehre und Vaterland“ –
       von knapp hundert rechtsradikalen Demonstranten übergoss der makabre
       Zeremonienmeister den „Juden“ mit Benzin und zündete ihn an. „Polen den
       Polen“, skandierte einer der Organisatoren von der mobilen Bühne vor dem
       Rathaus aus. Die Skinheads und Rechtsradikalen vom Nationalradikalen Lager
       (ONR) und der Allpolnischen Jugend schrien es ihm nach und schwenkten dazu
       die weißrote polnische Flagge.
       
       „Kein Islam in Polen! Keine muslimischen Terroristen! Gegen die EU! Für ein
       nationales Polen!“ Gut zehn Minuten lang brannten der „Jude“ und die
       EU-Flagge lichterloh. Dennoch griff die Polizei nicht ein. Passanten gingen
       gleichgültig weiter oder trauten sich nicht – angesichts der passiven
       Polizei – gegen die Hassdemonstranten vorzugehen. Die Allpolnische Jugend,
       deren Vertreter seit den Wahlen am 25. Oktober auch im polnischen Parlament
       sitzen, macht „die Juden“ für die angebliche „Islamisierung Europas“
       verantwortlich. Die Flüchtlinge seien in Wirklichkeit Sozialschmarotzer
       oder gar Terroristen.
       
       Auf dem größten Transparent war zu lesen: „Sie kommen hierher, um unsere
       Welt zu verändern, um zu zerstören, abzufackeln und zu vergewaltigen!“ Von
       der Bühne hetzte Jaroslaw Boguslawski: „Jemand gibt ihnen Geld – für die
       Boote, für die Waffen in Europa. Jemand finanziert diese ganzen
       Ausschreitungen. Wir müssen wissen, wer das tut. Noch weiß ich es nicht,
       Noch nicht!“
       
       ## Weder Polizei noch Bürger schritten ein
       
       Danach schallte die Stimme einer anderen Rechtsradikalen über den ganzen
       Rathausplatz: „Ich wende mich an die Anhänger der falschen
       Multikulti-Ideologie, an diejenigen, die die Mörder in die Europäische
       Union eingeladen haben. Diese Mörder, diese Islamisten, diese
       Fundamentalisten werden sich nicht assimilieren. Sie werden Terror säen,
       vergewaltigen und töten. Ihr, die ihr diese Menschen zu uns eingeladen
       habt, habt das Blut der Opfer von Paris an den Händen.“
       
       Kaum war die Demonstration vorbei, veröffentlichte die Breslauer
       Lokalausgabe der Gazeta Wyborcza auch schon Bilder sowie auf der
       Internetseite ein Video von der Verbrennung der „Juden-Puppe“. Der
       Oberbürgermeister von Breslau, Rafal Dutkiewicz, verurteilte die
       Demonstration aufs Schärfste: „In Breslau ist kein Platz für Rassismus und
       Xenophobie. Wir werden mit aller Entschiedenheit unsere Werte verteidigen:
       Offenheit, Toleranz und kulturelle Vielfalt.“ Dutkiewicz zeigte die
       Demonstranten bei der Staatsanwaltschaft an.
       
       Fassungslos über die Entwicklung in Polen zeigte sich Aleksander
       Gleichgewicht, der für die jüdische Gemeinde in Breslau eine Erklärung
       abgab. Es könne nicht sein, dass „ungelöste politische Welt-Probleme, die
       auch unser Land betreffen können, keine verantwortungsvolle Diskussion in
       Polen auslösen, sondern zur Rechtfertigung einer immer größer werdenden
       Welle von braunem Rassismus dienen, von Chauvinismus, Antisemitismus und
       primitivem Antiislamismus.“
       
       Besonders enttäuscht ist Gleichgewicht über die Passivität von Polizei,
       Staatsanwaltschaft und Politikern. In einigen Wochen schon werde Breslau
       die Kulturhauptstadt Europas 2016 sein. „Unsere wunderbare Stadt darf nicht
       von diesen zynischen und rassistischen Schurken in den Dreck gezogen
       werden.“
       
       ## Nazi-Parolen klangen schon im Wahlkampf an
       
       Auch die neue linke Partei Razem (Gemeinsam), die es bei den Wahlen noch
       nicht ins Parlament schaffte, aber gute Chancen auf den Einzug in vier
       Jahren hat, verurteilte die Hass-Demonstration und zeigte sie bei der
       Staatsanwaltschaft an.
       
       Polens Präsident Andrzej Duda und die neue Premierministerin Beata Szydlo
       hingegen schweigen bislang. Ihr Problem: Die meisten Slogans der
       Rechtsradikalen von Breslau klangen auch schon so ähnlich in der eigenen
       Wahlkampagne an. Polens neue rechtsnationale Regierung will trotz der
       Zusicherung der Vorgängerregierung an die EU keine Kriegsflüchtlinge
       aufnehmen. Es sei denn, die EU könne für jeden einzelnen Flüchtling eine
       Sicherheitsgarantie abgeben.
       
       22 Nov 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
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