# taz.de -- Flüchtlingsgipfel der EU: Eingeständnis des Scheiterns
       
       > Vor dem nächsten Flüchtlingsgipfel plant die EU drastische Schritte. Am
       > Ende könnte unter anderem die Reisefreiheit unter die Räder kommen.
       
 (IMG) Bild: Eingeklemmt zwischen anderen Flüchtlingen: Ein Kind an der Grenze zu Mazedonien
       
       Brüssel taz | Nach zwei Sondergipfeln zum Thema Flüchtlinge – erst mit den
       Balkanländern, dann mit der Türkei – bereitet die EU nun drastische
       Schritte vor. Beim nächsten Gipfel der Regierungschefs in zwei Wochen
       könnte es zum Schwur kommen – und zur Niederlage von Kanzlerin Angela
       Merkel (CDU). Denn ihr Vorschlag, die Krise durch EU-Kontingente zu
       entschärfen, stößt auf wachsenden Widerstand, auch in Europas Chefetagen.
       
       Der erste Paukenschlag kam von Ratspräsident Donald Tusk: „Diese
       Flüchtlingswelle ist zu groß, um sie nicht zu stoppen“, sagte der Pole in
       einem Interview mit Brüsseler Journalisten. Bislang sei es zu leicht, nach
       Europa zu gelangen, so Tusk mit Verweis auf den Terror in Paris. Man könne
       und solle Migranten so lange aufhalten, bis ihre Sicherheitsüberprüfung
       abgeschlossen sei. Deutschland müsse seinen Kurs ändern: Für die von Merkel
       geforderten Quoten und Kontingente gebe es keine Mehrheit in Europa.
       
       Als nächstes könnte die Kritik Griechenland treffen: Schon lange wird Athen
       für laxe Kontrollen und mangelnde Zusammenarbeit mit den EU-Behörden
       kritisiert. Doch nun wird es ernst: Griechenland habe noch zwei Wochen –
       bis zum nächsten EU-Gipfel – um seine Hausaufgaben zu machen, warnt die
       EU-Kommission. Aus der Türkei kommende Bootsflüchtlinge müssten endlich am
       „Hotspot“ auf Lesbos ordentlich registriert werden, heißt es aus Brüssel.
       
       Die Regierung soll auch Mitarbeiter der EU-Grenzschutzbehörde Frontex ins
       Land lassen und sein Seegrenze in der Ägäis sichern, andernfalls sei die
       Reisefreiheit für Griechen in Gefahr – eine kaum verhüllte Drohung mit
       einem neuen „Grexit“, diesmal nicht aus der Eurozone, sondern aus dem
       Schengenraum.
       
       Der ist tatsächlich bedroht. Luxemburg, das derzeit die EU-Geschäfte im
       Ministerrat führt, hat einen brisanten Entwurf vorgelegt. Er sieht vor,
       dass Grenzkontrollen nicht nur wie bisher maximal sechs Monate, sondern
       zwei Jahre bestehen dürfen. Damit wäre die Reisefreiheit in Europa de facto
       für zwei Jahre ausgesetzt, denn immer mehr Länder führen wegen der
       Flüchtlingskrise Grenzkontrollen ein. Das ist ein Eingeständnis des
       Scheiterns – genau wie die Internierungslager, die Ratspräsident Tusk
       offenbar zur „Überprüfung“ der meist ohne Papiere eingereisten Flüchtlinge
       einrichten will.
       
       ## Gedankenspiele und Drohkulissen
       
       Ist die EU mit ihrem Latein am Ende? Noch sind das alles Gedankenspiele und
       Drohkulissen, mit denen die EU-Chefs eine abgestimmte und solidarische
       Politik erzwingen wollen. Mit Entscheidungen wird erst beim Gipfel kurz vor
       Weihnachten gerechnet – es könnte eine bittere Bescherung werden.
       
       Ungarns umstrittener Regierungschef Viktor Orbán plant schon eine
       Abwehrfront gegen den angeblichen „Geheimplan“ der Kanzlerin, 400.000 oder
       500.000 Flüchtlinge in einem Kontingent aus der Türkei aufzunehmen. Eine
       Mehrheit gab es für den Plan schon beim EU-Türkei-Gipfel nicht. Nun scheint
       auch noch die „Koalition der Willigen“ zu wackeln, an der Merkel arbeitet.
       
       Die Kanzlerin will die Kontingentlösung gemeinsam mit Kommissionspräsident
       Jean-Claude Juncker und einem halben Dutzend EU-Ländern voranbringen. Doch
       auch Juncker scheint der Mut zu verlassen. Auf die Frage der taz, was er
       von Tusks harscher Kritik an Merkel halte, sagte sein Sprecher: „Wir
       arbeiten in perfekter Harmonie zusammen.“ Ein klare Distanzierung sieht
       anders aus.
       
       3 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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