# taz.de -- Geplantes Prostituiertenschutzgesetz: Geregelter Sex
       
       > Koalition will per Gesetz bessere Bedingungen für Prostituierte schaffen.
       > Lobbyverbände befürchten mehr Kontrolle als Schutz.
       
 (IMG) Bild: Wer soll zudem kontrollieren, ob das Kondom tatsächlich benutzt wird?
       
       BERLIN taz | Sie hatten zum wiederholten Male eingeladen: Frauen-, Sozial-
       und Prostituiertenverbände, die sich für menschenwürdige Zustände im
       Sexgewerbe einsetzen. Und zum wiederholten Male machten sie klar, dass sie
       heftige Kritik am geplanten Prostituiertenschutzgesetz üben. Es werde
       „schaden statt schützen“, sagte die Juristin Maria Wersig vom Deutschen
       Juristinnenverband. „Wer Zwang sät, wird Misstrauen ernten“, prophezeite
       Marianne Rademacher von der Deutschen Aids-Hilfe (DAH).
       
       Worum geht es?
       
       Union und SPD vereinbarten im Koalitionsvertrag das
       Prostituiertenschutzgesetz, das neben dem seit 2002 gültigen
       Prostitutionsgesetz bestehen soll. Während das alte Gesetz Prostitution
       entkriminalisiert und die Rechtsverhältnisse in der Prostitution regelt -
       etwa dass eine sexuelle Dienstleistung in jedem Fall bezahlt werden muss
       und Prostituierte notfalls ihr Honorar einklagen können, zielt das neue
       Gesetz auf den persönlichen und gesundheitlichen Schutz von
       SexarbeiterInnen ab. Der entsprechende Gesetzentwurf wird derzeit zwischen
       Bund und Ländern abgestimmt. Das Gesetz soll 2016 in Kraft treten.
       
       Was genau daran kritisieren die Lobbygruppen?
       
       Da ist zum Beispiel die geplante Anmeldepflicht. Alle SexarbeiterInnen
       sollen sich künftig bei einer dafür zuständigen Behörde anmelden. Dann
       bekommen sie eine Art Meldebestätigung, die sie bei Kontrollen vorzeigen
       müssen. Noch ist unklar, ob in diesem „Ausweis“ der Klarname stehen muss
       oder ein „Künstlername“, dann jedoch mit einem Foto.
       
       Damit soll unter anderem Menschenhändlern auf die Schliche gekommen und
       Zwangsprostitution eingedämmt werden. Doch genau das werde, so die
       KritikerInnen, nicht geschehen. Menschenhandel und Prostitution müssten
       klar voneinander getrennt werden.
       
       „Der Menschenhandel wird durch das neue Gesetz nicht erschwert werden“,
       sagte Andrea Hitzke von der Dortmunter Mitternachtsmission, einer
       Beratungsstelle für SexarbeiterInnen. Hitzke vermutet eher, dass
       Menschenhändler, die ihre Opfer in die Prostitution zwingen, alles tun
       werden, um sich unauffällig verhalten. So werden sie die Frauen
       ordnungsgemäß anmelden, ihnen dann aber möglicherweise den „Hurenpass“
       wegnehmen. Damit könnten sie die Frauen zusätzlich erpressen. Sie könnten
       damit drohen, ihre Familie über die Sexarbeit zu informieren. Das sei
       insbesondere bei Frauen, die aus Ländern kommen, in denen Prostitution
       stark stigmatisiert sei, problematisch.
       
       ## Künftig Pflicht zur gesundheitlichen Beratung
       
       Es sei aber auch schon vorgekommen, dass Anmeldedaten einfach verraten
       würden. Rademacher von der DAH sagte: „Da ist der Sohn des Nachbarn
       Polizist und erfährt von der Prostitution. Das kann er knallhart
       ausnutzen.“ Maria Loheide, Vorstand für Sozialpolitik bei der Diakonie,
       empfindet das als Gefahr für den Datenschutz. Juristin Wersig sieht in der
       Anmeldepflicht zudem eine „unverhältnismäßigen“ Zwang: Kaum eine andere
       Berufsgruppe müsste sich auf diese Weise legitimieren.
       
       Prostituierte sollen sich künftig gesundheitlich beraten lassen. Die
       Pflicht dazu stehe der Absicht, Prostituierte zu schützen, „diametral
       entgegen“, warnte Susanne Kahl-Passoth, Vizechefin des Deutschen
       Frauenrates. Eine Zwangsberatung führe eher dazu, dass sich
       SexarbeiterInnen mit Problemen nicht öffnen würden, weiß Rademacher. Ein
       besserer Weg sei die Aufklärung über Plakate oder mit Hilfe von
       Gesundheitskampagnen.
       
       Das träfe auch auf die Kondompflicht für Freier zu. Professionelle
       SexarbeiterInnen haben ein eigenes Interesse daran, Kondome zu benutzen.
       Der Frauentreff Olga beispielsweise, ein Notdienst für drogenabhängige und
       sich prostituierende Frauen, gibt eigenen Angaben zufolge jedes Jahr rund
       55.000 Kondome aus. „Die werden benutzt“, sagte eine Mitarbeiterin.
       
       Wer soll zudem kontrollieren, ob das Kondom tatsächlich benutzt wird? Die
       gesamten Pflichten, die mit dem Gesetz verbunden seien, „obliegen allein
       Prostituierten“, sagte Kahl-Passoth. Während die Kunden – bis auf die
       Kondompflicht – unbehelligt blieben.
       
       Die Verbände haben ihre Bedenken der Regierungskoalition ausführlich
       mitgeteilt. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) habe „großen
       Beratungsbedarf“ gezeigt. Aber es deute nichts darauf hin, dass das
       geplante Gesetz geändert würde. „Das liegt an der CDU“, ist sich
       Kahl-Passoth sicher: „Die möchte ein schwedisches Modell.“ Das befürwortet
       unter anderem Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer.
       
       In Schweden ist Prostitution seit 1998 verboten, Freier werden bestraft.
       Die Folge: SexarbeiterInnen begeben sich in die Illegalität. Das mache
       ihren Schutz nahezu unmöglich, so Kahl-Passoth.
       
       21 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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