# taz.de -- Ärztliche Versorgung von Flüchtlingen: Interimsprothese statt Brücke
       
       > „Gesundheitskarten“ bieten nur kleine Verbesserungen für Geflüchtete.
       > Leistungen bleiben eingeschränkt und sind nicht klar definiert.
       
 (IMG) Bild: Nicht alle Bundesländer sind großzügig, wenn es um Zahnersatz für Flüchtlinge geht
       
       Berlin taz | | In Hamburg und Bremen gibt es sie schon, in
       Nordrhein-Westfalen macht jetzt als erste Stadt Monheim mit. Nur zögerlich
       geben die Städte in Deutschland „Gesundheitskarten“ für Flüchtlinge aus.
       Mit dem neuen Asylgesetz können die Länder die Krankenkassen künftig dazu
       verpflichten, für Asylbewerber Gesundheitskarten einzuführen. Doch an den
       gesetzlich eingeschränkten Leistungen für Flüchtlinge ändert sich dadurch
       nichts.
       
       Das Gesetz sieht vor, bei Flüchtlingen im Asylverfahren oder mit
       Duldungsstatus nur „akute Erkrankungen“ und „Schmerzzustände“ zu behandeln,
       Zahnersatz nur zu gewähren, wenn das „unaufschiebbar“ ist, und nur „zur
       Sicherung der Gesundheit unerlässliche Leistungen“ zu erbringen. Was diese
       Einschränkungen für Flüchtlinge in den Arztpraxen bedeuten, davon können
       vor allem die Zahnmediziner ein Lied singen.
       
       „In vielen Kommunen wird die Finanzierung von Zahnersatz für Flüchtlinge
       kategorisch abgelehnt“, berichtet Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der
       Bundeszahnärztekammer, „die Zahnlücken nach einer Extraktion bleiben
       bestehen, auch bei den Frontzähnen, das kann schon soziale Ausgrenzung
       bedeuten“.
       
       Doch auch Wurzelbehandlungen werden in vielen Kommunen nicht von den
       Sozialbehörden übernommen. „Es haben sich Kollegen an uns gewandt, weil
       eine Kommune die Kostenerstattung für Wurzelbehandlungen ablehnte“, erzählt
       Oesterreich. Hat der Arzt den Flüchtling schon versorgt, bleibt er auf den
       Kosten sitzen.
       
       ## Großzügigkeit in Hamburg und Bremen
       
       Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und die Bundeszahnärztekammer
       fordern daher bundeseinheitliche, zumindest ländereinheitliche
       Leistungskataloge für die Behandlung von Flüchtlingen, an denen sich die
       Zahnärzte orientieren können.
       
       Als vergleichsweise großzügig bei den zahnmedizinischen Leistungen gelten
       Hamburg und Bremen. Hier wurden Gesundheitskarten eingeführt. In Hamburg
       und Bremen rechnen die Ärzte mit der AOK Bremen/Bremerhaven ab, wobei die
       zuständige Sozialbehörde den Kassen die Kosten erstattet. Die Finanzierung
       von Zahnersatz wird nicht kategorisch abgelehnt, aber es gibt deutliche
       Unterschiede zur Normalversorgung.
       
       „Man würde zur Versorgung einer Lücke keine Brücke, sondern eher eine
       einfache Variante wählen, etwa eine Interimsprothese“, erklärt Stefan Baus,
       Sprecher der Kassenzahnärztlichen Vereinigung in Hamburg. Das ist eine
       einfache Kunststoffprothese, die mit Klammern an den Nachbarzähnen
       befestigt wird.
       
       Aber auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hamburg wies in einem
       Rundschreiben an die Zahnärzte darauf hin, dass die
       konservierend-chirurgischen Behandlungen streng auf das Gebot der
       Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit abzielen müssten.
       Wurzelspitzenresektionen oder die Revision von Wurzelbehandlungen werden
       „nicht übernommen“, erklärt Baus.
       
       ## Kein Anspruch auf Reha
       
       Die Leistungseinschränkungen im Asylbewerberleistungsgesetz gelten
       grundsätzlich auch für allgemeinmedizinische Behandlungen der Flüchtlinge.
       Laut einer Auflistung des Hartmannbunds haben sie keinen Anspruch auf
       Vorsorgekuren, Rehamaßnahmen, kieferorthopädische Behandlungen. „Eine klare
       Definition der Leistungen in einem Katalog würden wir begrüßen“, sagt Gerd
       Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds.
       
       Die verbreitete Vorstellung, kranke Flüchtlinge könnten das
       Gesundheitssystem ruinieren, wenn sie nur freien Zugang zum
       Gesundheitssystem hätten, wird durch die Abrechnungsdaten etwa aus Bremen
       nicht gestützt.
       
       „Die Behandlungskosten pro Person sind bei den Flüchtlingen eher niedrig im
       Vergleich zur deutschen Bevölkerung“, sagt Jörn Hons, Sprecher der AOK
       Bremen. „Die Flüchtlinge sind eher jung, sie bewegen sich zu Fuß, da sieht
       man kaum übergewichtige Menschen“, so der AOK-Sprecher. Teure und
       langwierige Krankheiten wie Diabetes, Herzkrankheiten und Krebs seien eher
       selten.
       
       2 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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