# taz.de -- Flüchtlinge in Ungarn: Zweistündiger Traum von Freiheit
       
       > Ungarn lässt tausende in Budapest gestrandete Flüchtlinge in Züge
       > steigen. Österreich stoppt die Reisenden noch vor der Grenze.
       
 (IMG) Bild: Hegyeshalom am Montag: Auf einmal ließ Ungarn die Flüchtlinge in die Züge.
       
       Wien taz | Massenexodus in Budapest Keleti: Auf dem Ostbahnhof der
       ungarischen Hauptstadt stürmten am Montag Hunderte Flüchtlinge die
       Bahnsteige. In einem plötzlichen Schwenk ihrer bisherigen Politik hielt die
       Polizei Ausländer ohne Visum nicht mehr davon ab, einen Zug nach Österreich
       oder Deutschland zu besteigen. Die Railjets nach Wien und München fuhren
       hoffnungslos überfüllt von Budapest ab.
       
       Der Traum von der Freiheit endete aber zwei Stunden später am
       ungarisch-österreichischen Grenzbahnhof Hegyeshalom. Denn die
       österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) weigerten sich in Absprache mit dem
       Innenministerium, den Zug zu übernehmen. Offizielle Begründung:
       Überfüllung. Das österreichische Zugteam habe die ungarische Polizei
       gerufen, „um den Zug von überzähligen Fahrgästen zu räumen“, so
       ÖBB-Sprecher Michael Braun.
       
       Es ist davon auszugehen, dass die ungarische Polizei alle Personen, die
       kein Visum besitzen, in eines ihrer Flüchtlingslager bringt. Im
       österreichischen Innenministerium rechnet man jedenfalls nicht damit, dass
       mehr Flüchtlinge als sonst am Hauptbahnhof ankommen.
       
       Nur wer in Ungarn bisher kein Asyl beantragt hatte und über Ausweispapiere
       verfügt, soll nach Wien weiterreisen dürfen. „Wir gehen davon aus, dass die
       ungarischen Behörden in ihrem Verantwortungsbereich die entsprechenden
       Maßnahmen setzen“, so Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck.
       
       ## Geburt am Bahnhof
       
       Wochenlang war der Budapester Ostbahnhof für Flüchtlinge, die sich über die
       Balkanroute bis Ungarn durchgeschlagen hatten, die Endstation. Über 2.000
       Menschen, darunter zahlreiche Familien mit kleinen Kindern, lagerten in der
       Unterführung vor dem Bahnhof auf dem nackten Steinboden. Versorgt wurden
       sie nur von einer privaten lokalen Freiwilligenorganisation.
       
       „Vorgestern hat eine Frau hier ein Kind zur Welt gebracht“, schilderte die
       Bundestagsabgeordnete Annette Groth (Linke) die Zustände. Sie befand sich
       am Montag vor Ort. Die Zustände auf dem Bahnhof seien „das Schlimmste, was
       ich je erlebt habe“, sagte Groth.
       
       Dass die Railjets nicht über die Grenze kommen, sprach sich am Budapester
       Bahnhof Keleti unter den Flüchtlingen nicht so schnell herum. „Die Leute
       stehen noch immer Schlange am Fahrkartenschalter“, berichtete Groth, als
       bereits zwei Züge an der Grenze in Hegyeshalom geräumt worden waren. „Jetzt
       verschwinden die in so einem Auffanglager und die Weltöffentlichkeit sieht
       sie wieder nicht“, kritisierte Groth.
       
       ## Revanche gegen Deutschland
       
       Ungarn hat den Schwenk seiner Politik nicht begründet. Offenbar handelt es
       sich aber um ein Revanche gegen Deutschland, das zuvor den Bau von Ungarns
       Grenzzaun zu Serbien kritisiert hatte. „Während Ungarn sich an die
       EU-Regeln hält, legt Deutschland ein nachgiebigeres Verhalten an den Tag“,
       zitiert die staatliche Nachrichtenagentur MTI Regierungssprecher András
       Giró-Szász.
       
       Nicht nur der Zugverkehr, auch der Straßenverkehr zwischen Ungarn und
       Österreich kam am Montag zum Erliegen. Autofahrer berichteten von Staus bis
       Györ, das 50 Kilometer vor der österreichischen Grenze liegt.
       
       Seit Sonntagabend kontrollierte Österreichs Polizei Transporter,
       Kastenwagen, Lkws und selbst Sattelschlepper auf den östlichen
       Transitrouten auf Schlepper und ihre Flüchtlinge. Die Kontrollen fanden
       nicht an der ungarischen Grenze selbst statt, denn das würde gegen den
       Schengenvertrag verstoßen.
       
       Die Kontrollen, ausgelöst durch den Fund von 71 vermutlich erstickten
       Flüchtlingen in einem Kühlwagen, richteten sich, so Österreichs
       Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, gegen das Schlepperunwesen. 200
       Flüchtlinge seien aufgegriffen, fünf Schlepper festgenommen worden, hieß es
       in einer ersten Zwischenbilanz am Montagmittag. Die Zahlen übersteigen die
       Aufgriffe an normalen Tagen nur geringfügig.
       
       31 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ungarn
 (DIR) Österreich
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Flüchtlinge
 (DIR) Asyl
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Ungarn
 (DIR) Ungarn
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Österreich
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Durchgangsstation Budapest-Ostbahnhof: Khaleds Schokoriegel
       
       2.000 Fliehende warten an Budapests Ostbahnhof auf ihren Zug in ein
       besseres Leben. Einzelne Bürger leisten Hilfe, der Staat schickt nur die
       Polizei.
       
 (DIR) Fliehende auf dem Budapester Ostbahnhof: Kein Zug nach Westen nimmt sie mit
       
       Auf dem Budapester Ostbahnhof herrschen chaotische Zustände. Die Polizei
       hat ihn zeitweise komplett gesperrt. Rund 2.000 Fliehende feiern Merkel.
       
 (DIR) Zusicherung von Bayerns Innenminister: Flüchtlinge dürfen in Bayern bleiben
       
       Die Flüchtlinge bleiben erstmal, Herrmann hält das für
       „selbstverständlich“. Außerdem wurde im bayerischen Munching ein
       Balkan-Zentrum eröffnet.
       
 (DIR) Weg über Ungarn: Hunderte Flüchtlinge angekommen
       
       Hunderte Geflüchtete sind in Wien, Rosenheim und München eingetroffen. Sie
       sind über Ungarn gereist, das die Weiterfahrt erst seit Montag duldet.
       
 (DIR) Kommentar Flüchtlinge vor Österreich: Zug um Zug
       
       Österreich und Ungarn zeigen: Wenn jeder Staat seine eigene Politik
       betreibt, wird das Flüchtlingsproblem nicht gelöst werden.
       
 (DIR) Tod von 71 Flüchtlingen im Lastwagen: Spur soll nach Deutschland führen
       
       Einer der bulgarischen Verdächtigen soll laut Medien in der Vergangenheit
       in Deutschland auffällig geworden sein. Die Polizei hatte ihn zur Fahndung
       ausgeschrieben.
       
 (DIR) Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik: Österreich jetzt noch härter
       
       Österreich hat wieder Kontrollen in der Grenzregion zu Ungarn eingeführt.
       Die Innenministerin will Flüchtlingsverteilung in der EU erzwingen.
       
 (DIR) Kommentar Schlepper: Das letzte Glied der Kette
       
       Es gäbe eine lächerlich einfache Lösung, um das Milieu der Schlepper
       auszutrocknen: Züge und Fähren in die EU. Aber der politische Wille fehlt.
       
 (DIR) Ostautobahn in Österreich: Die Straße der Freiheit und des Todes
       
       Die Ostautobahn ist für viele das Tor nach Mitteleuropa. Flüchtlinge werden
       auf dem Pannenstreifen ausgesetzt. Jüngst starben 71 in einem Lkw.
       
 (DIR) Flüchtlinge im Budapester Ostbahnhof: Warten auf den Zug nach Westen
       
       Auf den Budapester Bahnhöfen leben Flüchtlinge. Während die Regierung
       Stimmung gegen sie macht, werden sie von den Ungarn meist ignoriert.
       
 (DIR) Zaun an der Grenze zu Serbien fertig: Ungarn hat sich abgeschottet
       
       Die Sperre an der ungarisch-serbischen Grenze ist nun hochgezogen. Ungarn
       will so verhindern, dass Flüchtlinge ins Land kommen. Doch damit nicht
       genug.