# taz.de -- Stadtentwicklungssenator über Berlin: „Ein Volksbegehren ist keine Drohung“
       
       > Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel über die Auseinandersetzung mit
       > Mieteraktivisten, die Probleme einer wachsenden Stadt und fehlende
       > Radwege.
       
 (IMG) Bild: „Ich weiche keinem Konflikt aus“: Senator Geisel.
       
       taz: Herr Geisel, Sie wohnen in Karlshorst. Wie hat sich Ihre Nachbarschaft
       in den letzten Jahren verändert? 
       
       Andreas Geisel: Aus einem verschlafenen Vorort wurde ein kinder- und
       familienfreundliches Wohngebiet. Durch den Zuzug entstanden aber auch neue
       Notwendigkeiten: Es mussten zum Beispiel viele Kitas gebaut werden.
       
       Hat das geklappt? 
       
       Ja. Aber nun kommt die Kehrseite: Mehr Bewohner erzeugen mehr Verkehr und
       mehr Trubel. Die Debatte, wie die Stadt wächst, wird nun auch in Karlshorst
       geführt. Manche Anwohner, die lange gesagt haben, hier sei es zu
       verschlafen, sagen nun: Puh, hier ist es aber voll geworden.
       
       Wie sieht ihre Vision von der Stadt aus? 
       
       Mich bewegt als Senator, dass Menschen mit den unterschiedlichsten
       Einkommen überall in der Stadt wohnen können. Auch in der Innenstadt. Wenn
       wir diese Mischung halten wollen, dann müssen wir auch in der Mitte der
       Stadt Sozialwohnungen bauen. Das ist eine heftige Debatte, denn dort ist
       nicht mehr viel Platz.
       
       Geht es überhaupt noch um den Erhalt der Mischung? Wenn man sich von
       Kreuzberg ihrem Amtssitz direkt neben dem Bärenzwinger am Köllnischen Park
       nähert, reiht sich ein teures Projekt mit Eigentumswohnungen an das
       nächste. Hier ist kein Platz mehr für Sozialwohnungen. 
       
       Das gehört zur Mischung dazu. In der Mitte der Stadt sollen ja auch
       Menschen mit höherem Einkommen wohnen können. Mich stört nicht, dass es
       diese Projekte gibt. Mich stört, dass zu wenig preiswerter Wohnraum
       vorhanden ist. Da müssen wir was tun.
       
       Bisher ist wenig passiert. 
       
       Als wir 2011 den Wohnungsneubau anschieben wollten, mussten wir
       feststellen, dass die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften ihre
       Bauabteilungen abgeschafft hatten, weil sie seit 15 Jahren nicht mehr
       gebaut haben. Wir stellen deswegen erst in diesem Jahr die ersten 1.300
       Wohnungen durch kommunale Baugesellschaften fertig. Alles davor war
       privater Wohnungsbau. Diese Verzögerung auf dem Immobilienmarkt ist ganz
       erheblich - das gebe ich zu.
       
       Ist sie noch aufzuholen? 
       
       Mit Tempo: ja. Ich weiche deshalb auch keinem Konflikt aus, weil ich weiß,
       dass wir dieses Tempo halten müssen. Auf Veranstaltungen, die ich besuche,
       kritisieren viele Berliner, dass die Brachen bebaut werden, die Busse
       voller sind, die Straßen auch und sie keine Parkplätze mehr finden würden.
       Und dann wird gefragt: Muss das sein? Das ist nicht mehr die Frage. Die
       Menschen kommen einfach nach Berlin, sie fragen nicht nach einer Erlaubnis.
       Diesen Prozess muss man steuern. Und das gibt Konflikte. Aber wir sind die
       gewählte Regierung, von der Entscheidungen erwartet werden. Wir können uns
       nicht wegducken.
       
       Der Tempelhof-Entscheid hat auch gezeigt: Viele Berliner haben kein
       Vertrauen mehr in den Senat. 
       
       Ich gebe Ihnen Recht, dass Vertrauen verloren gegangen ist. Weil sich die
       Politik nicht immer intensiv genug mit dem Thema und den Konflikten
       beschäftigt hat. Das gehört zur Wahrheit dazu. Aber können Sie Vertrauen
       zurückgewinnen, indem Sie jedem sagen, was er gern hören möchte? Meine
       Antwort ist ganz klar: Nein.
       
       Sie haben vergangene Woche gemeinsam mit der CDU die kooperative
       Baulandentwicklung beschlossen: Ein Viertel aller Wohnungen bei großen
       Projekten muss Mietwohnungen zum Preis von 6,50 Euro pro Quadratmeter sein.
       Wer kann sich denn diese 6,50 Euro leisten? Das sind ja deutlich mehr als
       der Mietspiegel-Schnitt.
       
       6,50 Euro sind für einen Neubau sehr günstig. Die Baukosten liegen bei zehn
       Euro netto kalt pro Quadratmeter. Und es gibt in Berlin nicht nur arme
       Menschen: Drei Viertel aller neu gebauten Wohnungen werden von Berlinern
       bezogen.
       
       Aber es geht doch um Mischung. 
       
       Deswegen machen wir ja Druck auf die Investoren. Und: Wir fördern derzeit
       1.000 Wohnungen pro Jahr. Das ist viel zu wenig. Wir würden gerne 3.000
       Wohnungen fördern. Und selbst das wäre noch nicht wirklich viel. Doch das
       kostet viel Geld, für die 3.000 Wohnungen wären es rund 200 Millionen Euro.
       
       Hat der Finanzsenator Entgegenkommen signalisiert? 
       
       Die Haushaltsgespräche laufen gerade. Und sie laufen meiner Meinung nach
       sehr gut und vertrauensvoll mit Matthias Kollatz-Ahnen.
       
       Sie sagen, Sie wollen keinem Konflikt aus dem Weg gehen. Das ginge auch nur
       schwer: Bei jedem neuen Bauprojekt bilden sich Initiativen dagegen. Kaum
       erwähnen Sie den geplanten Bau von bis zu 5.000 Wohnungen in der
       Elisabeth-Aue in Nordpankow, schon ist Blankenfelde zugepflastert mit
       Protestplakaten. Dummerweise sind das Konflikte, die man nicht lösen kann. 
       
       Die müssen wir aber lösen. Überall in der Stadt gibt es das theoretische
       Verständnis, dass neu gebaut werden muss. Doch dieselben Menschen, die
       beklagen, dass die Mieten steigen und Abhilfe fordern, sind auch
       diejenigen, die sagen: Nicht bei uns! Es kann doch nicht sein, dass die die
       eine Wohnung haben, einen Kampf führen gegen die, die eine Wohnung suchen.
       Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass die Anwohner der Elisabeth-Aue, die
       einen weiten Blick ins Grüne haben, es nicht gut finden, wenn dort bald
       gebaut wird. Aber das Areal ist seit vielen Jahren als Baugebiet
       ausgewiesen, es ist zu 100 Prozent in Landeseigentum, und wenn wir solche
       Grundstücke nicht nutzen, dann bewältigen wir den Zuzug nicht.
       
       Der Bürgermeister von Pankow unterstützt Sie nicht. 
       
       Doch, er unterstützt mich und befürwortet die Planungen für die
       Elisabeth-Aue. Aber er hat von seiner Bezirksverordnetenversammlung
       verboten bekommen, eine entsprechende Absichtserklärung zu unterzeichnen.
       Gleichzeitig will die BVV bestimmte Bedingungen erfüllt haben, wenn doch
       gebaut würde: ein ordentliche Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr zum
       Beispiel; genau das planen wir ja.
       
       Sie haben von einem Besuch in Wien die Erkenntnis mitgebracht, dass es klug
       sein kann, zuerst die Nahverkehrsanbindung zu schaffen, und dann zu bauen.
       Für die Elisabeth-Aue gibt es noch kein Verkehrskonzept. 
       
       Es gibt noch nicht mal ein Bebauungskonzept. Wir wollen gemeinsam mit der
       Bevölkerung ein integriertes Stadtentwicklungskonzept erstellen: Wie soll
       gebaut werden, in welcher Dichte, 3.000 Wohnungen oder bis zu 5.000 etc.
       Das wird etwa ein Jahr dauern. Dann wird es auch ein Verkehrskonzept geben.
       Wir wollen einen möglichst bunten Mix an Bauformen und Bauherren: Howoge
       und Gesobau sollen die Hälfte übernehmen, hinzu kommen Genossenschaft,
       Baugruppen, Private.
       
       Wie soll sich das Areal vom Baugebiet Karow Nord aus den 90ern
       unterscheiden, wo viele Planungsfehler gemacht worden? 
       
       Die Siedlung in Karow hat ihre Probleme, das stimmt. Die Elisabeth-Aue
       hingegen wird die Gartenstadt des 21. Jahrhunderts. Man kann aus Gebieten,
       die in der Vergangenheit nicht ganz gelungen sind, nicht den Schluss
       ziehen: Dann lassen wir es in Zukunft halt ganz bleiben. Aber aus gemachten
       Fehlern kann man lernen.
       
       Ab wann wird in der Elisabeth-Aue gebaut? 
       
       Ich rechne mit 2019.
       
       Neubau ist das eine, der Bestand das andere. Die Initiative
       Mietenvolksbegehren hat für ihre weitreichenden Forderungen für die
       Unterstützung der Berliner Mieter 40.000 gültige Unterschriften gesammelt.
       Wie gehen Sie damit um? 
       
       Wir führen Gespräche mit den Initiatoren. Und ich sehe auf deren Seite
       durchaus Reaktionen auf unsere Kostenschätzung. Allerdings müssen auch wir
       uns bewegen und auf die Initiative zugehen. Nur dann machen ja solche
       Gespräche Sinn.
       
       Hoffen Sie auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf? 
       
       Das kann ich noch nicht sagen. Ich kann die Kritik an der
       Wohnungsbaupolitik des Senats, was die letzten drei Jahre betrifft, nicht
       nachvollziehen. Die rechtlichen Instrumente zur Dämpfung der
       Mietenentwicklung haben wir inzwischen alle ausgeschöpft. Wir sind das
       erste und bisher einzige Bundesland, das die Mietpreisbremse voll umgesetzt
       hat. Es braucht kein Volksbegehren, damit wir uns für Mietendämpfung und
       preiswerten Wohnraum einsetzen. Das ist seit drei Jahren aktive Politik des
       Senats, und ich setze das fort.
       
       Es gibt noch keine Lösungen für jene 28.000 Wohnungen, die aus der
       Anschlussförderung herausgefallen sind. 
       
       Das stimmt. Aber wir werden eine Lösung finden.
       
       Wie lautet Ihr Vorschlag? 
       
       Wir führen eine individuelle Härtefallklausel ein: Wir kappen die Miete,
       wenn 30 Prozent des Haushaltseinkommens überschritten werden - also anders
       als die Initiative, die eine grundsätzliche Kappung fordert. Das wäre
       falsch, weil wir dann Mieten von Menschen bezuschussen würden, die dies gar
       nicht nötig haben. Generell muss man wissen: Wird der Entwurf der
       Initiative vollständig umgesetzt, würde er sämtliche zur Verfügung
       stehenden finanziellen Mittel binden. Dann sind andere wichtige Ziele -
       etwa die Sanierung von Schulen oder Ausbau von öffentlichen Nahverkehr und
       Radverkehrsnetz - nicht mehr finanzierbar.
       
       Ist das Volksbegehren verfassungskonform? 
       
       Das prüft jetzt der Innensenator. Bei dieser finanziellen Dimension ist das
       auch völlig normal.
       
       Wann rechnen Sie mit dem Abschluss der Prüfung? 
       
       Das müssen Sie den Innensenator fragen. Das Abstimmungsgesetz schreibt
       keine Frist für eine solche Prüfung vor. Aber er wird das nicht verzögern.
       
       Es geht hier um den Zeitpunkt eines eventuellen Volksentscheids:
       Befürworten Sie einen Termin parallel mit der Abgeordnetenhauswahl im
       Herbst 2016? 
       
       Wenn das möglich ist: ja. Es geht nicht darum, die Debatte und die
       Entscheidung darüber wegzudrücken. Ich war gerade in der Schweiz, dort sind
       Volksbegehren etwas völlig Normales, und die Politik kommt dort damit auch
       klar. Für mich ist ein Volksbegehren keine Drohung.
       
       Das ist auch eine klare Akzeptanz der direktdemokratischen Verfahren, die
       man so aus dem Senat bisher nicht gehört hat. 
       
       Also bitte: Die SPD hat die direkte Demokratie in Berlin in dieser Form
       erst möglich gemacht.
       
       Ja schon. Aber der Regierende Bürgermeister Michael Müller kritisiert immer
       wieder, dass es nicht sein könne, dass eine gut vernetzte Minderheit es
       schafft, dank Volksbegehren die Politik vor sich herzutreiben. 
       
       Da hat er Recht.
       
       Sie sagen hingegen, mit Volksbegehren kann die Politik problemlos umgehen. 
       
       Richtig. Aber es gibt zwei Probleme bei Volksbegehren: Sie werden initiiert
       von gut vernetzten Interessengruppen, die eloquent genug sind, ihre
       Interessen zu formulieren und zu verdeutlichen. Weniger eloquente Menschen
       in sozial schwierigen Situationen sind dazu nicht in der Lage. Das zweite
       Problem liegt darin, dass der Interessenausgleich, den die repräsentative
       Demokratie gewährleistet, durch die direkte Demokratie nicht gewährleistet
       werden kann. Aber trotz dieser beiden Probleme sind wir nicht gegen direkte
       Demokratie.
       
       Wollen Sie an das Abstimmungsgesetz noch mal ran? 
       
       Nein, das reicht aus. Die Quoren sind richtig gesetzt. Ich denke darüber
       nach, wie man damit umgehen muss, wenn im Zuge von Volksbegehren Milliarden
       Euro verschoben werden, ohne das gesagt werden muss, woher das Geld kommen
       soll. Gute Ideen, die viel Geld kosten, können alle entwickeln. Die
       schwierige Entscheidung ist, welche Projekte man in der Konsequenz nicht
       mehr fördert, weil das Geld dann fehlt. Als Bezirksbürgermeister von
       Lichtenberg habe ich diese Erfahrung gemacht, nachdem wir dort den
       Bürgerhaushalt eingeführt haben.
       
       Was generell gelobt wird! 
       
       Das ist auch total super. Dahinter steckt die Idee, dass die Menschen
       öffentlich über öffentliche Gelder diskutieren sollen. Es kamen immer ganz
       viele Vorschläge, wofür Geld ausgegeben werden soll; die Vorschläge, was
       sich der Bezirk nicht mehr leisten sollte, kamen dagegen sehr sehr
       spärlich. Die dazu gehörige Haushaltdebatte wird dort nicht geführt.
       
       Nachvollziehbar, oder? 
       
       Ja, das ist auch unangenehm. Es gehört aber zur Demokratie dazu,
       unangenehme Entscheidung mitzudiskutieren. Und das müssen wir auch bei
       direkter Demokratie noch stärker beachten. Die öffentliche Diskussion muss
       qualifizierter werden.
       
       Sollte es dafür Geld vom Land geben? 
       
       Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung sind teuer. Wenn wir solche
       Elemente stärken, dann muss es dafür auch Geld geben.
       
       Als Michael Müller im Dezember sie gefragt hat, ob Sie
       Stadtentwicklungssenator werden wollen, haben Sie da kurz gezögert.
       
       Als Michael Müller mich gefragt hat, habe ich sofort zugesagt. Ich betreibe
       Politik wirklich mit Leidenschaft. Eine solche Herausforderung, eine solche
       Chance, Berlin zu gestalten, die kriegt man einmal im Leben.
       
       Sie sind erst 49 Jahre alt. 
       
       Ja.
       
       Keine weiteren Pläne? 
       
       Doch. Viele.
       
       Michael Müllers Vermächtnis ist, ein Thema wiederentdeckt zu haben, das
       seine Vorgängerin nicht ernst genommen hat. Mit welchen Thema wollen Sie
       sich verewigen: als Neubausenator? 
       
       Die Bandbreite des Stadtentwicklungssenators ist ja viel größer. Da gehören
       Verkehr und Umwelt dazu. Ich kämpfe für eine kinder- und familiengerechte
       Stadt, das ist mein politisches Leitmotiv. Im Moment ist das sehr auf
       Neubau fokussiert, weil da die Notwendigkeiten und auch die Konflikte
       liegen. In zwei bis drei Jahren werden wir an den Ergebnissen gemessen.
       Wenn wir es dann nicht geschafft haben, den Wohnungsbau anzukurbeln und
       bezahlbare Wohnungen zu schaffen, werden wir dafür verantwortlich gemacht.
       
       Eigentlich werden Sie schon in einem Jahr daran gemessen: Dann ist Wahl. 
       
       Nein, ein Jahr ist zu kurz dafür. Wir wollen innerhalb von zehn Jahren die
       Zahl der Wohnungen in Landeshand von 300.000 auf 400.000 steigern.
       
       Sie gehen also davon aus, dass Sie im Herbst 2016 wiedergewählt werden. 
       
       Ja natürlich. Wir machen gute Politik und selbstverständlich werden wir
       dafür wiedergewählt. Ich sehe auch niemanden, der das Thema wachsende Stadt
       so klar angeht und die für sozialen Ausgleich sorgt wie die SPD. Andere
       Parteien sagen das zwar, scheuen aber den Konflikt: Die Grünen und auch die
       Linke.
       
       Können Sie sich trotzdem vorstellen, nach 2016 mit einer der Parteien oder
       beiden zusammenzuarbeiten? 
       
       Ich bin ein konsensorientierter Mensch, ich arbeite sachorientiert. Ich
       verstehe mich mit den Grünen wirklich gut, mit den Linken aber auch. Und
       ich glaube, wir könnten mit beiden einen Konsens finden.
       
       Mit der CDU klappt es nicht so gut? 
       
       Man kann auch mit der CDU einen Konsens finden. Wir haben ja viel geleistet
       in dieser Legislatur. Und bei der vergangenen Woche beschlossenen Regelung
       zur kooperativen Baulandentwicklung, die bei Neubauprojekten eine
       25-prozentige Quote für sozial geförderte Wohnungen vorschreibt, war die
       Union mit dabei. Wenn auch nicht als Spitze der Bewegung.
       
       Ihr Vorgänger Michael Müller war kein Fahrradsenator. Wenn Sie sagen, Sie
       wollen kinder- und familienfreundliche Politik machen, gehört dazu
       natürlich die Fahrradpolitik. Derzeit gibt der Senat nur einen Euro pro
       Bewohner in diesem Bereich aus. 
       
       Es sind vier Euro pro Bewohner.
       
       Das ist eine Frage, wie man rechnet. 
       
       Laut Haushalt sind es insgesamt 14 Millionen Euro, die wir pro Jahr
       ausgeben. Das heißt aber nicht, dass ich die Probleme ignoriere. An einigen
       Stellen bauen wir zu langsam, manchmal können wir das Geld nicht ausgeben,
       weil uns und den Bezirken das Personal fehlt, um alles umzusetzen. Aber
       schauen Sie sich an, was in der Stadt alles passiert ist: In den letzten
       fünf Jahren haben wir 100 Kilometer neue Radwege gebaut; in diesem Jahr
       kommen weitere 20 Kilometer dazu. Neben den bereits existierenden 27.000
       Abstellanlagen für Fahrräder bauen wir alleine dieses Jahr 1000 neue. Die
       üblichen Vergleiche von Radlobbyisten mit Münster oder Kopenhagen sind
       absurd, weil diese Städte einfach viel kleiner sind.
       
       Aber man könnte doch mehr machen! 
       
       Man kann immer mehr machen. Und wir müssen auch mehr machen. Aber wir
       müssen nicht nur den Fahrradverkehr fördern, sondern auch den ÖPNV. Wir
       müssen uns genauso für die Fußgänger einsetzen und ab und an auch noch eine
       Straße bauen.
       
       Warum setzten Sie keine Prioritäten? Vielleicht wäre es an der Zeit, dies
       einfach mal symbolträchtig an einer Stelle zu tun. Warum nicht wie London,
       die mit ihrer Maut sagen, wir wollen Auto-Verkehr aus der Innenstadt
       raushalten. 
       
       Als sich London dafür entschieden hat, war die Lage dort dramatisch
       schlechter als in Berlin. Wir sind auf einer ganz anderen Situation.
       
       In den vergangenen sechs Wochen sind fünf Radler im Straßenverkehr
       umgekommen! 
       
       Das sind definitiv fünf zu viel. Ihnen und ihren Angehörigen hilft auch
       nicht die Statistik. Dennoch: Der Autoverkehr macht nur noch 30 Prozent am
       Verkehrsaufkommen aus. Von autogerechter Stadt kann in Berlin keine Rede
       mehr sein. Das Verkehrsverhalten ändert sich; das ist auch das Ergebnis
       unserer Politik.
       
       Stimmt: Inzwischen sind die Radspuren voll, aber so schmal, dass man da
       nicht überholen kann. Warum bauen Sie keine breiteren Radwege? 
       
       Wo denn?
       
       Etwa auf der Schönhauser Allee, laut einer Umfrage ihrer Senatsverwaltung
       eine der von Radlern am häufigsten beklagten Radwege. 
       
       Die Schönhauser Allee ist zweispurig, auf der einen fährt auch noch die
       Straßenbahn. Und die Randspur ist Parkspur für die Geschäfte. Das sind die
       Konflikte.
       
       Es ist also doch eine Frage der Prioritäten! 
       
       Ja. Sie können natürlich die Straßenbahnspur mit Autos belegen und so den
       Öffentlichen Nahverkehr dort verlangsamen. Sie können auch die Parkspur
       wegnehmen, dann hat es der Einzelhandel schwer; der lebt von den
       Parkplätzen. Aber eine Freigabe einer ganzen Spur für Radler schafft nur
       neue Probleme, und löst keine. Wir wollen nicht ein Verkehrsmittel
       bevorteilen zuungunsten eines oder mehrerer anderer.
       
       So ändert sich nichts. 
       
       Aber wir versuchen es immerhin. Nehmen Sie das Beispiel Treskowallee in
       Karlshorst: Schöne alte Bebauung auf beiden Seiten, zwei Spuren, plus die
       Straßenbahn. Von Norden und Süden werden Radwege herangeführt, aber den
       mittleren, alten Teil haben wir noch nicht mit Radwegen ausstatten können.
       Das ist eine wirklich gefährliche Situation, und ich gebe zu: Ich selber
       fahre dort mit dem Rad auf dem Bürgersteig. Ab und an werde ich vom
       Ordnungsamt erwischt. Aber ich will mein Leben nicht auf der Straße
       gefährden.
       
       Sehr verständlich, das geht vielen so in Berlin. 
       
       Wir brauchen also Platz. Deshalb wollten wir die Vorgärten der Anwohner
       kaufen und dort Radwege bauen. Das wollten die Eigentümer aber nicht, weil
       dann die Straße näher an ihre Häuser heranrücken würde. So gab es an dieser
       Stelle keine Lösung.
       
       Es bleibt beim Status Quo. 
       
       An dieser Stelle. An anderen nicht: An der Warschauer Straße gab es Platz,
       und so haben wir allen Verkehrsteilnehmern Raum geben können. Das hat lange
       gedauert, weil wir mit allen Gewerbetreibenden dort und mit den Bürgern
       gesprochen haben. Dort haben wir eine sehr gute Lösung gefunden. (seufzt)
       Aber es ist schwierig.
       
       24 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
 (DIR) Bert Schulz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Andreas Geisel
 (DIR) Stadtentwicklung
 (DIR) Direkte Demokratie
 (DIR) Polen
 (DIR) Volksentscheid Fahrrad
 (DIR) Pankow
 (DIR) Volksbegehren
 (DIR) Wohnen
 (DIR) Matthias Kollatz-Ahnen
 (DIR) Mieten
 (DIR) Direkte Demokratie
 (DIR) Sozialer Wohnungsbau
 (DIR) Verkehr
 (DIR) Haushalt
 (DIR) Mietspiegel
 (DIR) Öffentlicher Nahverkehr
 (DIR) Mieten
 (DIR) Mieten
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Grenzfluss Oder: Einseitiger Ausbau
       
       Polen will die Oder ausbauen. Nun liegen die Unterlagen auch in Brandenburg
       aus. Die Naturschutzverbände kündigen Widerstand an.
       
 (DIR) Koalitionsverhandlungen: Kompromiss oder Kulturkampf
       
       Wenn Rot-Rot-Grün keine Einigung mit dem Fahrradvolksentscheid erzielt,
       könnte sich die Stimmung zwischen Auto- und Radfahrern verschlechtern.
       
 (DIR) Landeseigene Wohnungsgesellschaften: Kritiker sind unerwünscht
       
       Bis zum 8. September sollen in den landeseigenen Wohnungsgesellschaften
       Mieterräte gewählt werden. Doch 108 Kandidaten wurden nicht zur Wahl
       zugelassen.
       
 (DIR) Mietenpolitik in Berlin: Initiative räumt Volksbegehren ab
       
       Über drei Monate nach dem Wohnraumgesetz beschließen die Aktiven, keinen
       Volksentscheid mehr anzustreben. Ein Kongress soll neue Projekte
       vorbereiten.
       
 (DIR) Nach dem Mietenkompromiss in Berlin: Aktivisten bleiben skeptisch
       
       Die Einigung mit dem Senat ist für viele Miet-AktivistInnen zwar ein
       Erfolg. Doch ein neues Volksbegehren könnte schon bald kommen.
       
 (DIR) Interview mit Berlins Finanzsenator: „Man macht Politik nicht ohne Werte“
       
       Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) ist in der schönen Lage, Geld ausgeben zu
       müssen. Ein Gespräch über linke Finanzpolitik, sein Engagement für
       Wohnungen und die Flüchtlingspolitik.
       
 (DIR) Wohnungspolitik in Berlin: Schöner mieten mit dem Senat
       
       SPD und Mieteninitiative einigen sich. Stimmt die Basis der Initiative zu,
       ist der von der SPD gefürchtete Volksentscheid parallel zur Wahl 2016 vom
       Tisch.
       
 (DIR) Kommentar zum Mietenkompromiss: Politik von unten hat Erfolg
       
       Mit Beharrlichkeit und Sachverstand hat das Mietenvolksbegehren dem Senat
       weitgehende Zugeständnisse abgerungen. Gut so!
       
 (DIR) Ende der Wohnungsgesellschaft GSW: Am Schluss bleiben Fassaden
       
       Die GSW wird abgewickelt. Ihre Privatisierung ist ein Lehrstück über
       falsche Versprechungen privater Investoren und das Versagen der Politik.
       
 (DIR) Urteil zur Gudvanger Straße: Spielstraße aus dem Verkehr gezogen
       
       Das Verwaltungsgericht untersagt Nutzung der Gudvanger Straße in Prenzlauer
       Berg als Spielfläche. Eine Anwohnerin hat gegen die Bezirksinitiative
       geklagt.
       
 (DIR) Haushalt: Sparen soll nicht mehr quietschen
       
       Senat beschließt Etat-Entwurf für 2015/16 mit mehr Investitionen und mehr
       Personal. Grüne: „Fettester Wahlkampfhaushalt seit 20 Jahren“
       
 (DIR) Kommentar zum Eigentümerprotest gegen Mietpreischeck: Hier geht’s zur Marktwirtschaft
       
       Der Grundeigentümerverband wehrt sich gegen Transparenz – dabei müsste die
       in seinem marktwirtschaftlichen Interesse liegen.
       
 (DIR) Piraten stellen Nahverkehrs-Studie vor: Keine Fahrausweise bitte!
       
       Verkehr Die Piraten stellen ihre langerwartete Studie zum ticketlosen
       öffentlichen Nahverkehr vor. Ihr Bürgerticket für fast alle Erwachsenen
       würde bis zu 61 Euro kosten
       
 (DIR) Fehlende Mietwohnungen in Berlin: Senat gießt Quote in Beton
       
       Bei größeren Neubauprojekten müsssen künftig ein Viertel aller Wohnungen
       preiswerte Mietwohnungen sein. Diese Bindung gilt aber nur 20 Jahre lang.
       
 (DIR) Neuer Mietspiegel: Berliner sitzen hohe Mieten aus
       
       Auch weil weniger umgezogen wird, steigen die Mieten in der Stadt nicht so
       stark wie vom Senat angenommen. Bei kleinen Wohnungen und Altbauten ist der
       Quadratmeterpreis inzwischen ausgereizt.
       
 (DIR) Blockade im Bezirk: Vorerst keine Bagger in Pankow
       
       Am Pankower Güterbahnhof liegen Bezirk, Senat und Investor weiter
       auseinander. Streitpunkte sind eine Shopping-Mall und das Verkehrskonzept.