# taz.de -- Debatte EU und Datenschutz: Wer speichert, der speichert
       
       > Lobbyisten forden Ausnahmen für kleine Betriebe beim neuen
       > EU-Datenschutz. Doch ob Bäcker oder Facebook: Persönliche Daten bleiben
       > persönlich.
       
 (IMG) Bild: Auch unser Einkauf beim Bäcker sagt etwas über unser Leben aus.
       
       Der arme Bäcker. Verkauft tagein, tagaus sein Brot, und bald soll es ihm an
       dem Kragen gehen. Weil die EU-Gremien an einem Riesenprojekt sitzen:
       [1][der Datenschutzgrundverordnung]. Eine Verordnung, die noch in diesem
       Jahr verabschiedet werden soll und den Umgang mit persönlichen Daten von
       Verbrauchern über die nächsten Jahrzehnte bestimmen wird.
       
       Doch weil von den neuen Regelungen nicht nur die bekannten Datensammler wie
       Facebook oder Google betroffen sein werden, sondern ebenso kleine
       Unternehmen – in den Beispielen der Lobbyisten wahlweise Metzger, Friseure
       oder der Bäcker nebenan –, versuchen sie noch in den letzten
       Verhandlungswochen, mehr und mehr Ausnahmen durchzusetzen.
       
       Die Unternehmen, ihre Verbände und übrigens auch das
       Bundesinnenministerium, das konsequent versucht, die geplanten Regelungen
       wirtschaftsfreundlicher zu machen, setzen dabei auf einen zunächst
       nachvollziehbaren Reflex: Der kleine Laden um die Ecke kann doch nie und
       nimmer so sehr in die Privatsphäre eingreifen wie Facebook.
       
       Er hat auch nicht das Budget, um etwa all die Arbeitskräfte zu bezahlen,
       die Auskunftsersuchen von Verbrauchern beantworten und die
       Datenverarbeitung dokumentieren sollen. Und wer will schon, dass die
       Nahversorgung, die Infrastruktur von kleinen und mittelständischen Firmen
       kaputtgeht und wir nur noch Facebook und Supermarktketten haben? Also am
       besten die Kleinen von den geplanten Datenschutz-Pflichten ausnehmen. Oder?
       
       ## Die gleichen Datenschutz-Standards
       
       Wer sich hier auf die Seite der kleineren, vermeintlich benachteiligten
       Unternehmen schlägt, vergisst oder verschweigt einiges. Zunächst: Firmen,
       die keine personenbezogenen Daten, also beispielsweise E-Mail-Adresse, Name
       oder Kontodaten, speichern, haben ohnehin nichts zu befürchten. Der Bäcker
       um die Ecke dürfte in die Regel darunter fallen. Der Kunde kauft sein Brot,
       reicht ein paar Münzen über den Tresen, und das war’s.
       
       Sobald der Händler aber anfängt, Kundenkarten herauszugeben und auf diesen,
       kombiniert mit persönlichen Daten des Karteninhabers, jeden Kauf zu
       speichern, gibt es keinen Grund, warum er nicht die gleichen
       Datenschutz-Standards erfüllen muss wie Facebook. Warum sollten Verbraucher
       bei dem Bäcker nicht erfahren, welche Daten er speichert – und bei Facebook
       schon? Ist die Tatsache, dass jemand über Monate immer morgens ein Brötchen
       kauft und eines Tages plötzlich zwei Croissants, weniger persönlich als die
       Änderung des Beziehungsstatus auf Facebook?
       
       Doch eher im Gegenteil. Schließlich ist sich, wer in dem sozialen Netzwerk
       Details über seine Beziehung bekannt gibt, in der Regel bewusst, welche
       Schlüsse andere daraus ziehen können. Dem Croissant-Käufer dürfte das in
       dem Moment nicht so präsent sein. Und überhaupt: Vielleicht hat er nur
       neuerdings einen Hund, der auf Croissants steht? Oder versorgt die ältere
       Nachbarin? Ob die korrekten oder die falschen Schlüsse aus
       Verhaltensänderungen letztlich problematischer sind, muss jeder für sich
       selbst entscheiden.
       
       ## Die Masse macht’s
       
       Nun gibt es aber nicht nur den kleinen Bäcker, der seinen Kunden praktisch
       Anonymität ermöglichen kann. Sondern auch den kleinen Online-Händler, der
       in der Regel nicht ganz darum herumkommt, zumindest ein paar Daten von
       seinen Kunden zu kennen. Namen und Lieferadresse zum Beispiel, womöglich
       noch die Kreditkartendaten. Hier gilt: Die Masse macht’s. Bleibt es bei
       diesem Datenumfang, werden sich die Kosten für die Dokumentation oder den
       Fall, dass der Kunde eine Datenauskunft verlangt, sehr im Rahmen halten.
       Doch in der Regel speichern Betreiber eines Online-Shops deutlich mehr.
       
       Eine Auswahl: vergangene Einkäufe, angefangene und nicht zur Kasse
       getragene Warenkörbe, Logins, durch gesetzte Cookies gewonnene
       Informationen, Surfhistorien auf der Seite, IP-Adressen, angesehene
       Produkte und aus all dem generierte Informationen wie Kleider- oder
       Schuhgröße, Vorlieben bei Literatur oder Musik, Familiensituation.
       Schließlich sind Menschen in sich verändernden Lebensumständen wie
       Krankheit oder der Geburt eines Kindes ganz besonders empfänglich dafür,
       auch ihr Konsumverhalten zu verändern.
       
       Je mehr Informationen ein Händler also über seine Kunden hat, desto
       zielgerichteter kann er ihnen Werbung zukommen lassen – und so seinen
       Umsatz steigern. Das Interesse, diesen Datenberg zu verringern oder von
       Angang an klein zu halten, ist für einen Händler bislang marginal.
       
       Umso wichtiger wäre also, das zu ändern. Die Datenschutzgrundverordnung
       könnte somit schon auf sehr einfache Weise einen starken Anreiz für
       Datensparsamkeit setzen: Müssten Unternehmen ihren Kunden regelmäßig von
       sich aus Auskunft über gespeicherte Informationen erteilen, würde der
       Datenberg ganz schnell schrumpfen. Denn so eine Auskunft ist mit Aufwand
       und Kosten für den Händler verbunden. Facebook zum Beispiel schickte seinem
       Nutzer Max Schrems [2][schließlich eine CD], als er hartnäckig auf einer
       Auskunft bestand. Darauf: 1.222 Seiten mit seinen persönlichen Daten. Ob
       das alles ist, bleibt jedoch unklar, eine Möglichkeit zur Überprüfung gibt
       es in der Praxis nicht.
       
       ## Die Standards sinken
       
       In den Klagen über vermeintliche Nachteile der Kleinen geht außerdem eines
       unter: Unternehmen haben von der neuen Verordnung, zumindest nach aktuellem
       Entwurfsstand, ohnehin nicht viel zu befürchten. Für kleinere Unternehmen
       sind bereits Ausnahmen vorgesehen. So braucht laut dem Plan der
       EU-Kommission ein Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern keinen
       Datenschutzbeauftragten – wenn es das Thema überhaupt in die Endfassung
       schafft.
       
       Doch auch das wäre für Deutschland eine deutliche Absenkung der Standards.
       Auch andere Regelungen, die Verbraucher schützen sollen, stehen sogar
       grundsätzlich auf der Kippe: der Grundsatz der Datensparsamkeit etwa. Und
       die Regel, dass Daten nur zu vorher festgelegten Zwecken verarbeitet werden
       dürfen.
       
       Unternehmen müssen sich also deutlich weniger vor Belastungen fürchten als
       Verbraucher vor mangelhaftem Schutz. Denn im Zweifelsfall sind sie es, die
       am kürzeren Hebel sitzen. Auch beim Bäcker.
       
       19 May 2015
       
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