# taz.de -- Erster Mai: Polizeipräsident abgeführt
       
       > Nach den Flaschenwürfen auf Dieter Glietsch verteidigt der seinen
       > Auftritt beim 1. Mai. Er habe nicht damit gerechnet, erkannt zu werden.
       > Die Innenverwaltung freut sich, dass es sonst weitgehend friedlich war.
       
 (IMG) Bild: Polizeipräsident Glietsch wird von Zivilpolizisten abgeführt. Der Vorwurf: Er hat sich zu nah an die Demo herangewagt.
       
       Nach den Flaschenwürfen auf den Polizeipräsidenten Dieter Glietsch beim 1.
       Mai wies dieser den Vorwurf zurück, er selbst habe durch seine Anwesenheit
       zur Eskalation beigetragen. "Ich musste nicht damit rechnen, erkannt zu
       werden", sagte Glietsch am Freitag bei einer Pressekonferenz. Mehrere
       Fotografen hätten ihn umringt. Erst durch das Blitzlichtgewitter seien "die
       Chaoten" auf ihn aufmerksam geworden. "Seit sechs Jahren war ich bei jedem
       1. Mai. Das war das erste unerfreuliche Erlebnis."
       
       Bis in den Abend hinein hatten die Kreuzberger den 1. Mai so friedlich
       gefeiert wie lange nicht. Um kurz vor 21 Uhr erreichte der Zug der zweiten
       "Revolutionären 1. Mai-Demonstration" den Lausitzer Platz. Dort stand
       Glietsch und wurde fotografiert. Als die Demonstranten bemerkten, wen sie
       vor sich hatten, flogen Flaschen. Personenschützer sprühten CS-Gas in die
       Menge. Sie fassten Glietsch unter und zerrten ihn zu einer zufällig in der
       Nähe stehenden Polizeiwanne. Steine und ein Fahrrad landeten auf dem Wagen.
       Der Polizeipräsident entkam unverletzt.
       
       Innensenator Ehrhart Körting (SPD) nahm Glietsch in Schutz. "Ich halte es
       für richtig, dass die Verantwortlichen sich vor Ort ein Bild von der
       Situation machen, um über die Angemessenheit von Maßnahmen sprechen zu
       können." Diese Ansicht teilt auch der innenpolitische Sprecher der CDU,
       Frank Henkel. Glietsch hätte aber auf seine Polizeiführer hören sollen, die
       zuvor bereits vor der aggressiven Stimmung gewarnt hatten.
       
       Auch Benedikt Lux (Grüne) meinte: "Glietsch stand ein bisschen zu nah am
       schwarzen Block." Seine Empfehlung: Im nächsten Jahr möge sich der
       Polizeipräsident selbst einen schwarzen Kapuzenpulli überziehen.
       
       Auf die Flucht von Glietsch folgten am Donnerstagabend weitere kleinere
       Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Zwei
       Altglascontainer auf der Skalitzer Straße wurden umgekippt. Am Görlitzer
       Bahnhof flogen mehrfach Flaschen. Gegen Mitternacht beruhigte sich die
       Lage.
       
       Trotz der Zwischenfälle zog die Innenverwaltung insgesamt eine positive
       Bilanz. "Wir konnten den Trend der vergangenen Jahre fortsetzen - weg von
       den Straßenschlachten, hin zu einem friedlichen 1. Mai", sagte Körting. Das
       Konzept der "ausgestreckten Hand" sei erneut aufgegangen. Glietsch
       ergänzte: "Die Randale am Rand hat das Fest nicht geprägt."
       
       Die Antifaschistische Linke beurteilt den Ablauf des Abends kritischer.
       "Die Auseinandersetzungen waren im Vergleich zu den letzten Jahren härter",
       sagte Sebastian Lorenz. Nach den Attacken auf Glietsch habe es mehrere
       rabiate Festnahmen gegeben. Aufgrund "massiver Polizeigewalt" sei die
       Demonstration später abgebrochen worden.
       
       Auch vom Republikanischen Anwaltsverein (RAV) kommt Kritik. Drei Anwälte
       seien in der Nacht bei einer Gefangenensammelstelle gewesen, um
       Festgenommene zu vertreten. Sie hätten teilweise nicht mal mit ihnen
       sprechen dürfen. Sönke Hilbrans sagte: "Dass viele keinen Rechtsschutz
       erhalten haben, erinnert an die katastrophalen Zustände von Heiligendamm."
       
       3 May 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Antje Lang-Lendorff
       
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