# taz.de -- 1. Mai: "Den Frust an Unschuldigen ausgelassen"
> Die Polizei ging am 1. Mai unnötig ruppig vor, sagt Kreuzbergs
> Bürgermeister Franz Schulz (Grüne). Auch er war in der Nacht auf der
> Straße und wurde von Polizisten angerempelt.
(IMG) Bild: Polizeikette am 1. Mai auf der Skalitzer Straße
taz: Herr Schulz, Sie waren dabei, als Polizisten am 1. Mai unter anderem
auf zwei taz-Journalisten einschlugen.
Franz Schulz: Ich stand gegen 23.30 Uhr an der Ecke Manteuffel-/Skalitzer
Straße. Die Einheit "11 12" war dort zugange. Ich kann bestätigen, dass
einzelne Beamte ruppig gegenüber unbeteiligten Besuchern vorgegangen sind.
Auch ich und meine Begleiter wurden angerempelt. Ich selbst habe nicht
konkret gesehen, wie Ihre Kollegen geschlagen wurden. Aber ich kann
versichern: Alle Besucher, die dort standen, waren friedlich.
Wie erklären Sie sich das Verhalten der Polizei nach einem insgesamt recht
friedlichen Verlauf des Tages?
Eine genaue Erklärung habe ich nicht. Ich kann nur sagen: Das ruppige
Vorgehen dieser Beamten an dieser Stelle war völlig unnötig. Ich hatte den
Eindruck, dass offenkundig einige Beamte dieser Einheit nervös waren und
dann ihren Frust an Unschuldigen ausgelassen haben.
Sie haben am nächsten Tag von einem friedlichen 1. Mai berichtet. Dass Sie
von Polizisten angerempelt wurden, haben Sie nicht erwähnt. Warum?
Mein Gesamteindruck war, dass sich die Polizei an die
Deeskalationsstrategie gehalten hat und auch in kritischen Situationen
besonnen geblieben ist. Als die 18-Uhr-Demo der Autonomen zurückkam, war
mit den Organisatoren vereinbart, dass sich die Demo vor dem Kottbusser Tor
auflöst. Stattdessen ist sie aufs Gelände des Myfest gestürmt. Die Polizei
stellte sich vor den Zug, versuchte aber nicht, ihn aufzuhalten. Sie hat es
in der Situation verstanden, steuernd zu intervenieren, aber nicht zu
eskalieren. Das nenne ich besonnen.
Seit Jahren werden Polizisten mit steigendem Alkoholpegel der Feiernden
aggressiver. Braucht die Polizei für den späten Abend ein neues Konzept?
Die Einheit "11 12" kam vermutlich nicht aus Berlin. Das heißt, dass die
Berliner Polizei ihre Kollegen aus den anderen Bundesländern besser über
die Deeskalationsstrategie informieren muss. Noch besser wäre, wenn für
diese kritischen Zeiten ausschließlich Berliner Polizisten eingesetzt
werden. Sie können das alljährliche Katz-und-Maus-Spiel-Ritual viel
realistischer einschätzen. INTERVIEW: FELIX LEE
8 May 2008
## AUTOREN
(DIR) Felix Lee
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