# taz.de -- Westerwelle schreckt ab: Die feinen Malocher von der FDP
> Mit drastischen Äußerungen zu Hartz IV bringt Außenminister Guido
> Westerwelle die Opposition, Kanzlerin Angela Merkel und selbst die
> eigenen Parteifreunde gegen sich auf.
(IMG) Bild: Die Karnevalisten freuen sich über ihr neues "Opfer".
BERLIN taz | Die FDP kämpft derzeit gegen ihr ramponiertes Image und gegen
sinkende Umfragewerte. Eine Schlüsselrolle fällt dabei dem
stellvertretenden FDP-Chef und Forschungsminister in NRW Andreas Pinkwart
zu. Denn im Mai wird in NRW gewählt. Die schwarz-gelbe Mehrheit in
Düsseldorf wackelt. Wenn Schwarz-Gelb in NRW kippt, dann ist auch die
schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat dahin. Und dann wären die Chancen der
Liberalen, ihre Steuersenkungen doch noch durchzusetzen, endgültig vertan.
Deshalb hat Pinkwart kürzlich in der Frage der reduzierten Hotelsteuer
panisch eine 180-Grad-Wende vollzogen. Jetzt hat Pinkwart etwas noch
Gewagteres getan: Er hat die Allmacht des FDP-Chefs Guido Westerwelle
kritisiert. "Die FDP muss mehr Gesichter in den Vordergrund stellen", sagte
Pinkwart. Neben Westerwelle müssten die FDP-Minister in der
Bundesregierung, der neue Generalsekretär Christian Lindner und "einige
Landespolitiker" klar als Führungsteam sichtbar werden. "Das darf", so
Pinkwart, "nicht gleich als Angriff auf den Parteivorsitzenden gesehen
werden." Auch die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion
Ulrike Flach will für die "vielen eigenständigen Persönlichkeiten mehr Raum
bekommen".
Westerwelle hatte in der Debatte um Hartz IV "sozialistische Denkverbote"
und "spätrömische Dekadenz" endeckt. Auf scharfe Kritik an seinen
Äußerungen reagierte der FDP-Chef in der BamS: "Ich habe nichts
zurückzunehmen." Dem Deutschlandfunk sagte er: "Mehr und mehr werden
diejenigen, die arbeiten in Deutschland, zu den Deppen der Nation."
Dass sich Ver.di, die SPD, die Grünen und die Linskpartei mit scharfen
Worten über Westerwelle aufregten, ist nicht verwunderlich. Doch auch
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ging auf Distanz zu Westerwelle. Sachsens
CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) attestierte dem FDP-Chef eine
"pauschale Beschimpfung von Hartz-IV-Empfängern, die einfach nicht zu
rechtfertigen" sei. Alois Glück, CSU-Politiker und Präsident des
Zentralkomitees der deutschen Katholiken, warf ihm vor, zu "diffamierender
Wortwahl" zu greifen, um gegen sinkenden Umfragewerte anzukämpfen.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen verteidigte den Sozialstaat und
bestritt, dass von "Dekadenz" die Rede sein könne.
Westerwelle spaltet das bürgerliche Lager. Er hat die Freidemokraten zu
einer populistischen Oppositionspartei gemacht, in der nur er das Sagen
hat. Damit hat er der FDP einen famosen Wahlsieg beschert. Doch sein
unvermindert aggressives Auftreten, das eher zu einem Oppositionsführer als
zu einem Vizekanzler passt, nutzt der FDP im Moment nur bedingt.
Auch der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn hat kritisiert, dass die
FDP keine Pläne für die Regierungsarbeit hatte. Es gab, so Hahn, ein
"Denkverbot für die Zeit nach dem 27. September 2009, und das kam vom
Parteivorsitzenden". Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef in Kiel, hatte
kürzlich "eine gewisse Auflösung der Ordnung der FDP" moniert und
bemängelt, die Partei sei "oft sprachlos". Deshalb versucht Pinkwart
Westerwelles autokratische Herrschaft in der Partei zu beenden. Für
Pinkwart geht es bei der Wahl um seinen Job als Forschungsminister.
"Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer
Dekadenz ein", das hatte Westerwelle geschrieben. CDU-Mann Heiner Geißler
meint: "Die spätrömische Dekadenz bestand darin, dass die Reichen nach
ihren Fressgelagen sich in Eselsmilch gebadet haben und der Kaiser Caligula
einen Esel zum Konsul ernannt hat. Insofern stimmt Westerwelles Vergleich:
Vor 100 Tagen ist ein Esel Bundesaußenminister geworden." Das sind schon
recht klare Worte.
15 Feb 2010
## AUTOREN
(DIR) Stefan Reinecke
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