# taz.de -- Debatte über Hartz-IV-Äußerungen: Westerwelle heizt Streit weiter an
       
       > Die Empörung über seine Hartz-IV-Äußerungen wächst, doch FDP-Chef
       > Westerwelle steckt nicht zurück. Nun fordert er eine Generaldebatte. Für
       > die SPD ist er inzwischen ein deutscher Haider.
       
 (IMG) Bild: Gibt nicht klein bei: Außenminister Westerwelle.
       
       BERLIN dpa | Angesichts der Empörung über seine Äußerungen zu
       Hartz-IV-Empfängern hat FDP-Chef Guido Westerwelle eine "Generaldebatte"
       über den Sozialstaat verlangt. Der Außenminister und Vizekanzler forderte
       seine Kritiker in der "Bild"-Zeitung auf, sich einer Aussprache zum Thema
       soziale Gerechtigkeit im Bundestag zu stellen. Die Kritik an seinen
       Äußerungen hielt an, bis in die Reihen des Koalitionspartners CDU/CSU
       hinein, der Westerwelle zur Sachlichkeit ermahnte.
       
       Der FDP-Vorsitzende bekräftigte abermals seine Einschätzung. Alles in allem
       würden inzwischen 60 Prozent des Bundeshaushalts für Sozialausgaben
       verwendet. "Wenn das so weitergeht, wird durch diese Umverteilungspolitik
       der ganz normale Steuerzahler zum Sozialfall." Westerwelle fügte hinzu:
       "Wir dürfen nicht zulassen, dass der, der arbeitet, der Dumme ist, weil ihm
       immer weniger bleibt." Westerwelle hatte Empörung mit der Formulierung
       ausgelöst, wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspreche, lade zu
       "spätrömischer Dekadenz" ein.
       
       Für die Forderung nach einer Generaldebatte erntete der Vizekanzler Spott.
       Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck erklärte: "Wenn Herr
       Westerwelle im Bundestag eine Debatte über seine Sozialpolitik haben will,
       dann soll er doch eine Regierungserklärung hierzu abgeben." Der
       CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach forderte den FDP-Chef in der ARD zu
       "hundertprozentiger Konzentration auf die Sacharbeit" auf. "Wenn etwas ganz
       ruhig und sachlich diskutiert werden sollte, dann gerade dieses sensible
       Thema." Zugleich äußerte er sich besorgt über das Erscheinungsbild der
       Koalition. "Wir müssen jetzt dringend in ruhiges Fahrwasser kommen."
       
       Hessens FDP-Vorsitzender Jörg-Uwe Hahn forderte Bundeskanzlerin Angela
       Merkel (CDU) auf, ihren Vizekanzler zu verteidigen. "Ich erwarte ein
       Machtwort von Angela Merkel", sagte Hahn der "Frankfurter Rundschau". Die
       Kanzlerin müsse ihren Vize "vor unmöglichen Beschimpfungen aus der Union in
       Schutz nehmen".
       
       Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag,
       Gerhard Papke, kritisierte in der "Financial Times Deutschland", dass sich
       Merkel von Westerwelle und seiner Wortwahl distanziert hat. "Seit wann ist
       die Kanzlerin die Oberlehrerin der Nation?" Nordrhein-Westfalens
       FDP-Vorsitzender Andreas Pinkwart (FDP) sagte, Westerwelle ergreife Partei
       für die Mitte der Gesellschaft.
       
       Der Ton im Streit wird indes schärfer. "In der Hartz-IV- Debatte outet sich
       Guido Westerwelle als Jörg Haider der deutschen Politik", schrieb
       Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner am Montag im
       Internet-Kurzmitteilungsdienst Twitter. Die Reaktion der FDP folgte prompt:
       "Wenn Herr Stegner meint, dass sich über die Zukunft des Sozialstaates mit
       140 Zeichen diskutieren lässt, belegt er das derzeit unterirdische Niveau
       seiner Partei", giftete der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki im
       Nachrichtenportal shz.de zurück.
       
       CDU-Generalsekretär Heiner Geißler hatte Westerwelle als "Esel" bezeichnet.
       Westerwelle hatte gewarnt, wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand
       verspreche, lade zu spätrömischer Dekadenz ein. In Anspielung darauf
       erläuterte Geißler, die spätrömische Dekadenz habe unter anderem darin
       bestanden, dass Kaiser Caligula einen Esel zum Konsul ernannt hatte.
       "Insofern stimmt Westerwelles Vergleich: Vor 100 Tagen ist ein Esel
       Bundesaußenminister geworden", sagte der CDU-Politiker der Zeitung "Die
       Welt".
       
       In den in Dortmund erscheinenden "Ruhr Nachrichten" bekräftigte Geißler
       seine harsche Kritik. Westerwelle verhöhne zehn Millionen deutsche
       Staatsbürger, die am Rande der Armut leben als spätrömisch dekadent, sagte
       er. Die spätrömische Dekadenz sei in Rom jedoch nicht unter den Sklaven und
       dem einfachen Volk verbreitet gewesen, sondern unter einer Luxuselite und
       einer Oberschicht von Reichen. "Die haben sich jeden Tag bis zum Erbrechen
       vollgefressen, während die einfachen Leute Hunger litten", sagte Geißler.
       Auch heute badeten Wohlhabende in ihrem Überfluss, während Millionen von
       Hartz IV und Mini-Jobs leben müssten und kaum davon leben könnten.
       
       15 Feb 2010
       
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