# taz.de -- Historiker über Westerwelles Partei: "Die FDP muss Deutschland dienen"
> Der Historiker Daniel Koerfer bescheinigt: Die FDP ist eine unbeliebte
> Partei. Sie sollte den Bogen nicht überspannen und keine Wellen mehr
> schlagen.
(IMG) Bild: "Flitterwochen" nennen die Mainzer Karnevalisten dieses Motiv. Oder schleppt hier Merkel vielmehr Westerwelle?
taz: Herr Koerfer, die Lage der FDP ist desaströs. Was ist schiefgelaufen?
Daniel Koerfer: Die FDP hatte noch nie eine gute Presse, sie ist eine
unbeliebte Partei. Sie ist nicht im Mainstream und wird nie Volkspartei.
Traditionell rangiert ihr Stammwähleranteil zwischen 6 und 10 Prozent.
Bei der letzten Bundestagswahl kam sie auf 14,6 Prozent.
Das war ein Ausreißer, so wie 1961. Damals positionierten sich die Wähler
gegen Adenauer, aber für die CDU. 2009 war für viele die FDP das Gegengift
zur Fortsetzung der großen Koalition. Das heißt nicht, dass die FDP auf
nachhaltige Sympathie zählen kann.
Nicht mal gegen ihren Koalitionspartner kann sich die Partei durchsetzen.
Die FDP war, bis Rot-Grün 1998 an die Macht kam, immer in der Regierung.
Und dann spucken die Grünen ihr mächtig in die Suppe. Elf Jahre Opposition
waren für die Liberalen schrecklich. Davon hat sich die Partei noch nicht
erholt.
Es ist keine Zeit für Kuren.
Man muss Geduld haben. Die FDP hat es geschickt und beharrlich geschafft,
über die Landesparlamente zurück an die Macht zu kommen. Sie ist keine
zerrüttete, kopflose Partei.
Und wie werten Sie, dass Parteichef Guido Westerwelle von seinem
Parteikollegen Andreas Pinkwart für seine Hartz-IV-Äußerungen angegriffen
wird?
Mit Westerwelles Äußerung, die Hartz-IV-Debatte trage "sozialistische
Züge", ist es wie mit den Worten von Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin, dass
Araber und Türken außer für den Obst- und Gemüsehandel keine produktive
Funktion hätten: So etwas hören die Medien nicht gern, aber viele Menschen
begrüßen die klaren Worte.
Eine Steuersenkung wird von manchen Besserverdienenden abgelehnt.
Die Steuersenkungspläne der FDP sind in der Tat ein Fehler, davon sollte
die Partei abrücken. Aber weil jeder "Umfall", jedes Nichteinlösen von
Wahlaussagen, für die FDP ein Trauma ist seit 1961, als sie trotz
gegenteiliger Wahlaussage in ein Kabinett unter Adenauer eingetreten ist,
kann sie auf Steuersenkungen sicher nicht komplett verzichten.
Wie soll das aussehen?
Beispielsweise bis 2013 nur eine kleine Steuerreform. Das Land kann sich
keine Steuersenkungen leisten.
Welche Rolle spielt die Lage der Bundes-FDP bei der Landtagswahl in
Nordrhein-Westfalen?
Das Problem in NRW ist nicht die FDP, sondern eine sich zerfleddernde
Linkspartei. Mit der kann die SPD nicht koalieren, damit hat die SPD keine
Chance auf Macht.
Rechnen Sie mit einer Neuauflage von Schwarz-Gelb?
Das werden wir sehen.
Hat die FDP die richtigen Köpfe?
Westerwelle war ein guter Oppositionsführer. Die neue Rolle muss er noch
füllen. Gesundheitsminister Philipp Rösler kennt als Mediziner seine
Materie. Er hat den Mut, sein politisches Schicksal mit seinen politischen
Zielen zu verknüpfen.
Seine Kopfpauschale stößt nicht auf Gegenliebe.
Die Union hat der FDP die Ministerien gegeben, die am stärksten vermint
sind. Die FDP tappte bislang in die meisten Fallen.
Doch keine "Liebesheirat"?
Zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Westerwelle ist es wie bei
Rot-Grün mit Gerhard Schröder und Joschka Fischer: Merkel ist die Köchin,
Westerwelle Kellner.
Was raten Sie der FDP?
Programmatisch Deutschland dienen, nicht Wellen schlagen.
15 Feb 2010
## AUTOREN
(DIR) Simone Schmollack
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