# taz.de -- Umstrittene Hartz-IV-Äußerungen: Merkel auf Distanz zu Westerwelle
       
       > Nach Empörung bei Opposition und Gewerkschaften distanziert sich die
       > Kanzlerin von den Hartz-IV-Äußerungen ihres Vize-Kanzlers Westerwelle.
       > Die Evangelische Kirche zweifelt an seiner Redlichkeit.
       
 (IMG) Bild: So nicht! Kanzlerin und ihr Vize.
       
       BERLIN dpa/afp | Mit seiner Kritik an der Hartz-IV-Debatte hat FDP-Chef
       Guido Westerwelle eine Welle der Empörung ausgelöst. Bundeskanzlerin Angela
       Merkel (CDU) ging auf Distanz. Aus der SPD kam die Forderung nach einer
       Entschuldigung. Westerwelle lehnte ab. Grüne und Linke warfen Westerwelle
       eine Gefährdung des sozialen Friedens in Deutschland vor. Gewerkschaften
       und Sozialverbände sehen in seinen Äußerungen eine Diffamierung von
       Millionen Langzeitarbeitslosen.
       
       Westerwelle hatte erklärt, die Hartz-IV-Debatte trage "sozialistische
       Züge". Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach sagte dazu am Freitag in
       Berlin: "Das ist sicherlich weniger der Duktus der Kanzlerin." Sie fügte
       hinzu: "Es ist sicher individuell unterschiedlich, die Sprachführung, die
       da jeder wählt."
       
       Westerwelle bekräftigte seine Äußerungen. Man dürfe nicht nur auf
       diejenigen sehen, die auch in Zukunft Solidarität brauchen, sagte der
       Außenminister. Vielmehr müsse auch auf die geachtet werden, "die dies alles
       erarbeiten". Dies müsse in Deutschland auch noch gesagt werden dürfen.
       Ansonsten drohe im Lande eine "sozialistische Diskussion", die er nicht
       akzeptieren könne. Eine Entschuldigung für seine Äußerungen lehnte
       Westerwelle ab. Zu seiner Wortwahl sagte er: "Ich spreche die Sprache, die
       verstanden wird."
       
       Westerwelle hatte nach dem Karlsruher Urteil zu Hartz IV unter anderem
       beklagt, es scheine in Deutschland "nur noch Bezieher von Steuergeld" zu
       geben, aber "niemanden, der das alles erarbeitet". Westerwelle bekräftigte
       in der Passauer Neuen Presse: "Wenn man in Deutschland schon dafür
       angegriffen wird, dass derjenige, der arbeitet, mehr haben muss als
       derjenige, der nicht arbeitet, dann ist das geistiger Sozialismus."
       
       Grünen-Chef Cem Özdemir sagte dazu: "Die FDP spielt gnadenlos
       Geringverdiener gegen Arbeitslose aus und zündelt so am sozialen Frieden im
       Land." Westerwelle schwebe auf einer wattigen Luxuswolke. Der
       Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, kritisierte: "Kaum
       brechen die Umfragewerte zu Recht ein, keilt und tritt Westerwelle nach den
       Schwächsten in der Gesellschaft."
       
       Der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, sagte: "Mit
       seiner verbalen Attacke verhöhnt der FDP-Parteivorsitzende Guido
       Westerwelle Millionen Menschen die Hartz-IV beziehen ebenso wie diejenigen,
       die für Hungerlöhne arbeiten." DGB-Chef Michael Sommer sagte den "Ruhr
       Nachrichten": "Es ist für einen Vizekanzler unangemessen, Millionen von
       Hartz-IV-Beziehern so zu diffamieren."
       
       Kritik kam auch von dem stellvertretenden Ratsvorsitzenden der
       Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider. "Es ist nicht
       redlich, wenn Guido Westerwelle Geringverdiener gegen Hartz IV-Bezieher
       ausspielen will", sagte Schneider den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. "Das
       Lohnniveau in unserem Land ist das wahre Problem, nicht Hartz IV. Wir haben
       zu wenige tarifliche bezahlte Arbeitsplätze."
       
       Der Meinungsforscher Matthias Jung sieht die FDP mit personellen,
       strukturellen und inhaltlichen Schwierigkeiten konfrontiert. "Die Probleme
       der FDP haben auch eine personelle Komponente", sagte das Vorstandsmitglied
       der Forschungsgruppe Wahlen. "In seiner Ämterkombination als Außenminister,
       Vizekanzler und Parteichef bedient er sich nach wie vor einer Diktion der
       Schärfe und Härte wie in den vergangenen elf Jahren als Oppositionsführer",
       sagte Jung. "Als Außenminister müsste er einen massiven Rollenwechsel
       vornehmen und ein Stück über den Parteien stehen. Das ist aber nicht
       erkennbar, wie die jüngsten Auseinandersetzungen zu Hartz IV erneut
       zeigen."
       
       Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn, der angesichts schlechter FDP- Umfragewerte
       zuvor Westerwelle indirekt kritisiert hatte, sagte: "Ich stehe hinter der
       Attacke, die Guido Westerwelle unternommen hat." Anscheinend müsse mit
       etwas drastischeren Worten deutlich gemacht werden, "dass man nicht immer
       denen, die geduldig Steuern zahlen, noch neue Abgaben oder neue Lasten
       aufbürdet."
       
       12 Feb 2010
       
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