# taz.de -- Kommentar FDP: In den Ruinen des Neoliberalismus
> Westerwelles Tiraden gegen die Arbeitslosen widerspricht nicht nur den
> Tatsachen, sondern auch der Gefühlslage der Bevölkerungsmehrheit. Selbst
> die eigene Klientel ist polarisiert.
(IMG) Bild: Guido Westerwelle muss nun damit leben, für einen Tag der "Esel der Nation" gewesen zu sein.
Guido Westerwelle als auferstandener Jörg Haider? Das wird nicht klappen,
trotz der Anstrengungen des Vizekanzlers, als rechter Populist Karriere zu
machen. Westerwelles Versuch, die Steuerzahler gegen die Arbeitslosen
aufzuwiegeln und zu suggerieren, der Sozialstaat verspreche dem Volk
"anstrengungslosen Wohlstand", widerspricht nicht nur den Tatsachen,
sondern auch der Gefühlslage der Mehrheit der Bundesbürger. Das
Schreckensjahr 2008 hat übereinstimmenden Umfragen zufolge die Zahl
derjenigen, die einen starken, intervenierenden Wohlfahrtsstaat fordern, in
die Höhe schnellen lassen. Mehr als drei Viertel der Befragten sehen die
Einkommens- und Vermögensverteilung als ungerecht an. Weshalb sich der Zorn
der Befragten gegen betuchte Steuerhinterzieher richtet und nicht gegen
angebliche Hängematten-Arbeitslose.
Erfolgreicher rechter Populismus muss sich heute, statt auf den
Arbeitslosen herumzuhacken, der ausländerfeindlichen Agitation bedienen,
wenn er Erfolg haben will. Von Haider bis zum Schweizer rechtsradikalen
Biedermann Blocher zeigt sich die Popularität antiislamischer und
rassistischer Stereotype. Auch für die Bundesrepublik weist die jüngste
Erhebung Wilhelm Heitmeyers eine bedrückende Mehrheit ausländerfeindlicher
Haltungen selbst bei Befragten aus, die sich als Demokraten ansehen. Vor
der Bedienung dieses rechten Populismus schreckt Westerwelle aber (noch?)
zurück.
Kann Westerwelles Sturmlauf wenigstens die eigene Klientel
zusammenschließen und so für die Wahlen in NRW das Schlimmste verhindern?
Was als einigendes Band gedacht war, die Losung "Leistung muss sich wieder
lohnen", büßt in den Mittelschichten zunehmend an Attraktivität ein. Denn
wo der Markterfolg allein über "Leistung" entscheidet, wo unabhängig von
individueller Leistung entlassen oder herabgestuft wird, zersetzt sich das
Selbstbewusstsein der Leistungsindividualisten. Statt in dieser Situation
der Verunsicherung und Orientierungslosigkeit vorsichtig zu taktieren,
polarisiert Westerwelle auch innerhalb seiner eigenen Wählerschaft.
Angesichts solcher Einschätzungen antwortet Westerwelle, ihm komme es nicht
auf Popularität an, sondern auf Wahrheit. Ein Hinweis darauf, dass der
Doktrinarismus, der sich gegen die realen Verhältnissen abdichtet, heute in
den Ruinen des Neoliberalismus nistet.
15 Feb 2010
## AUTOREN
(DIR) Christian Semler
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