# taz.de -- SPD-Fraktionschef über "Stuttgart 21"-Streit: "Merkel hat die Krise verschärft"
       
       > SPD-Fraktionschef Poß wirft der Kanzlerin vor, den Streit über das
       > Bahn-Projekt "Stuttgart 21" anzuheizen. Sie suche nicht nach Lösungen,
       > sondern schließe nur die eigenen Reihen.
       
 (IMG) Bild: "Ich muss hier den Laden zusammenhalten." Joachim Poß (SPD) im Gespräch.
       
       taz: Herr Poß, die Krise um Stuttgart 21 eskaliert. Hat die Politik den
       Kontakt zur Bevölkerung verloren? 
       
       Joachim Poß: Herr Mappus auf jeden Fall. Die Leute haben den Eindruck: Hier
       wird ein Projekt durchgesetzt, koste es, was es wolle. Er hat mit seinem
       Vorgehen die Krise verschärft. Jetzt liegt er am Boden und versucht, sich
       zu retten. Aber es ist schon zu viel Schaden entstanden.
       
       Auch Kanzlerin Angela Merkel ist klar für das Projekt. 
       
       Mit Blick auf ihre konservative Klientel hat auch Merkel die Krise
       verschärft. Sie hat nicht nach Lösungen gesucht, sondern wollte nur die
       eigenen Reihen schließen. Sie ist auf ihrem Entschiedenheitstrip.
       
       Mappus sagt nun: Außer Baustopp sei alles verhandelbar, Heiner Geißler soll
       vermitteln. 
       
       Es geht den Demonstranten doch um mehr. Die Kosten sollten ursprünglich auf
       4,5 Milliarden Euro gedeckelt werden. Seriöse Schätzungen gehen jetzt von
       der doppelten Summe aus. Wenn das so wäre, würde sich schon die Frage
       stellen, ob das noch geht.
       
       Die SPD ist für Stuttgart 21 und fordert gleichzeitig den Volksentscheid.
       Nicht möglich, sagt Verfassungsrechtler Paul Kirchhof. Wie kommen Sie da
       raus? 
       
       Das ist das Gutachten der Landesregierung. Es gibt auch andere renommierte
       Meinungen. Entscheidend ist, dass der Konflikt befriedet wird. Und da ist
       der Volksentscheid der bisher sinnvollste Vorschlag.
       
       Sie würden auch ein Projekt stoppen, das Sie unterstützen. 
       
       Ja, das ist so in der Demokratie.
       
       Die SPD hat ein Problem: Unterstützer sammeln sich bei der CDU, Gegner bei
       den Grünen… 
       
       …wir stehen in der Mitte und suchen den Ausgleich zwischen
       unterschiedlichen legitimen Interessen. Das ist manchmal schwierig. Aber
       ehrlicher als ein vereinfachendes Ja oder Nein.
       
       Das Risiko ist eine Quittung bei der Landtagswahl im März. 
       
       Mag sein, aber wir werden nicht aus billigen wahltaktischen Gründen zu
       einer Eskalation beitragen. Wir wollen den Konflikt lösen und nehmen das
       Risiko in Kauf.
       
       Im Moment sieht es so aus, als würde die SPD nur dritte Kraft. Wollen Sie
       dann einer CDU nach Jahrzehnten zu einer weiteren Regierungsperiode
       verhelfen oder Juniorpartner bei den Grünen werden? 
       
       Ich setze auf Rot-Grün unter unserer Führung.
       
       Wäre es vermittelbar, die CDU an der Macht zu halten? 
       
       Wir wollen, dass Mappus abgewählt wird. Große Koalitionen sind nicht unser
       Ziel, aber sie sind auch nicht in jedem Fall ein Unglück. Mit einem
       SPD-Wirtschaftsminister Dieter Spöri in einer großen Koalition hat das Land
       in den neunziger Jahren gute Zeiten erlebt.
       
       Bei der Einkommensteuerdebatte gibt es gegensätzliche Positionen zwischen
       der baden-württembergischen SPD und Ihnen. Sie wollen Mehreinnahmen, Ihr
       Kollege Niels Schmid Entlastungen. Warum konnten Sie sich vor dem Parteitag
       nicht durchsetzen? 
       
       Das ist Quatsch. Wir wollen auf dem Parteitag 2011 ein neues Konzept
       beschließen. Auf dem Weg dahin haben wir jetzt erste Festlegungen
       getroffen. Wir wollen, dass der Spitzensteuersatz bei Singles ab einem
       Einkommen von 100.000 Euro bei 49 Prozent liegt. Davon ist nicht der
       Facharbeiter bei Daimler betroffen. Das ist eine Gespensterdebatte.
       
       Das sagen die Jusos auch. Warum haben Sie deren Antrag eigentlich nicht
       unterstützt? 
       
       Die Jusos wollen sich profilieren. Das gehört zum Juso-Sein dazu. Ich muss
       hier aber den Laden zusammenhalten. Und darum werden wir uns die Zeit
       nehmen, um Antworten zu finden, wie wir Bildung, Kommunen und
       Zukunftsinvestitionen fördern können.
       
       Also eher keine Entlastungen? 
       
       Vorstellbar ist, die Einkommensteuer zu erhöhen und die Abgaben für Gering-
       und Durchschnittsverdiener zu senken.
       
       Ein Jahr nach der Regierung hat man den Eindruck: Die SPD hat Angst vor der
       eigenen Courage. 
       
       Das ist ein falscher Eindruck.
       
       7 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gordon Repinski
       
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 (DIR) Schwerpunkt Stuttgart 21
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