# taz.de -- Kampf um die Vorratsspeicherung: FDP-Ministerin contra Brüssel
       
       > Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will weiter auf die anlasslose
       > Massenspeicherung von Telekom-Daten verzichten. Von der EU-Kommission
       > kann sie keine Hilfe erwarten.
       
 (IMG) Bild: Die Massenspeicherung von Telekom-Daten lehnt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger weiter ab.
       
       FREIBURG taz | Die Justizministerin lässt sich nicht entmutigen. Auch
       nachdem die EU-Kommission signalisiert hat, sie werde an der
       Vorratsdatenspeicherung festhalten, will Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
       (FDP) keinen Gesetzentwurf zur erneuten Einführung vorlegen.
       
       Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im März gibt es in
       Deutschland keine Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten mehr.
       Entgegen einer EU-Richtlinie von 2006 wird nicht sechs Monate lang
       gespeichert, wer wann wen angerufen hat oder sich im Internet aufhielt.
       Karlsruhe hat eine solche Vorratsspeicherung allerdings nicht verboten,
       sondern nur einen besseren Schutz der Daten gefordert.
       
       Seitdem verlangt die CDU/CSU, die Justizministerin möge schnellstmöglich
       einen Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Vorratsspeicherung vorlegen.
       Sonst gebe es Sicherheitslücken. Einen neuen Gesetzentwurf hat
       Leutheusser-Schnarrenberger bisher jeodoch mit Verweis auf eine Überprüfung
       der Richtlinie auf EU-Ebene abgelehnt. Schon seit Monaten spielt
       Leutheusser-Schnarrenberger auf Zeit.
       
       Diese Strategie wird allerdings zunehmend schwieriger. Denn immer mehr
       zeichnet sich ab, dass die EU-Kommission keinen Vorschlag zur Abschaffung
       der Vorrats-Richtlinie vorlegen wird. "Wir brauchen die
       Vorratsspeicherung", sagte vielmehr die zuständige EU-Komissarin Cecilia
       Malmström, eine Liberale aus Schweden, Anfang Dezember bei einer
       Evaluations-Konferenz in Brüssel.
       
       Sie stellte dabei erste Ergebnisse einer Umfrage unter den
       EU-Mitgliedsstaaten vor. Danach nutzen die Staaten im Schnitt 148.000 Mal
       pro Jahr die zwangsgespeicherten Daten. "Wenn die Daten nicht nützlich
       wären, würden Strafverfolgungsbehörden nicht menschliche und finanzielle
       Ressourven investieren, um soviele Anfragen zu stellen", schlussfolgerte
       Malmström.
       
       Die EU-Kommission will Anfang nächsten Jahres ihren offiziellen
       Evaluationsbericht vorlegen. Darin wird die Komission wohl allenfalls
       Änderungen im Detail vorschlagen, deutete Malmström an. Die
       Vorratsspeicherung könnte auf sechs Monate begrenzt werden und die
       Herausgabe der Daten könnte grundsätzlich unter Richtervorbehalt gestellt
       werden. Beides würde in Deutschland nichts ändern, nur der Vorschlag für
       eine Kostenentschädigung würde die Telefon- und Internet-Firmen entlasten.
       Keiner der Punkte dürfte den Konflikt in Deutschland entschärfen.
       
       Leutheusser-Schnarrenberger geht deshalb in die Offensive und will
       demnächst einen eigenen Vorschlag für das so genannte
       Quick-Freeze-Verfahren vorlegen, erklärte jetzt das Ministerium auf Anfrage
       der taz. Dabei werden Daten, die aus technischen oder buchhalterischen
       Gründen noch vorhanden sind, im Verdachtsfall schnell gesichert, bis ein
       Richter die Auswertung genehmigt.
       
       Mit diesem Vorschlag ist der Konflikt mit der EU vorprogrammiert.
       Kommissarin Malmström hält Quick Freeze nämlich für keine effektive
       Alternative: "Data Freeze wird keine bereits gelöschten Daten
       zurückbringen". Nur die Vorratsspeicherung stelle sicher, dass Daten auch
       dann vorhanden sind, wenn man sie braucht.
       
       Für ihren Konfliktkurs hat die Justizministerin aber die volle
       Unterstützung der FDP-Bundestagsfraktion. "Wir sind gaz klar gegen jede
       anlasslose Massenspeicherung von Bürgerdaten", sagte der
       FDP-Rechtspolitiker Marco Buschmann. Es lohne sich hier hart zu bleiben,
       die EU-Richtlinie sei völlig unverhältnismäßig. "Niemand würde vorsorglich
       alle Autofahrten registrieren, auch wenn sich so die eine oder andere
       Fahrerflucht aufklären ließe."
       
       Der FDP-Politiker Buschmann plädiert dafür, auch weiterhin die Umsetzung
       der EU-Richtlinie zu verweigern. Immerhin haben neben Deutschland auch
       Schweden, Österreich, Irland, Griechenland und Rumänien die EU-Richtlinie
       noch nicht umgesetzt. In Rumänien hat das dortige Verfassungsgericht dies
       sogar generell verboten. Allerdings ist unklar, wie aus dieser kleinen,
       heterogenen und wenig kämpferischen Staatengruppe eine EU-Mehrheit werden
       soll, die die EU-Kommission in die Schranken weist.
       
       Auch in Deutschland ist ja völlig unklar, ob sich
       Leutheusser-Schnarrenbergers Position letztlich durchsetzt. Sie vertritt in
       der Regierung nur den kleinen Koalitionspartner FDP und hat auch im
       Parlament keine Mehrheit hinter sich, denn die SPD als größte
       Oppositionspartei macht auch Druck für die Vorratsspeicherung.
       
       Mittelfristig wird Leutheusser-Schnarrenberger deshalb wohl eher wieder auf
       Zeit spielen. Immerhin kann sie darauf verweisen, dass es Sinn macht, die
       Veränderung der EU-Richtlinie abzuwarten, bevor diese in deutsches Recht
       umgesetzt wird. Bis ein konkreter Vorschlag der Kommission vorgelegt wird,
       kann es allerdings noch einige Monate dauern. Außerdem müssen sich dann
       erst noch die EU-Mitgliedsstaaten mehrheitlich einigen.
       
       Außerdem, auch darauf könnte die Justizministerin hinweisen, steht noch ein
       Urteil des Europäischen Gerichtshofs über die Vereinbarkeit der
       Vorratsdatenspeicherung mit EU-Grundrechten aus. Der irische High Court
       will ein entsprechendes Verfahren in Luxemburg vorlegen, wird das aber wohl
       erst Mitte 2011 tun, weil noch Streit um die konkrete Vorlagefrage besteht.
       Und auch dann dauert es noch ein, zwei Jahre bis zu einem Urteil.
       
       Die EU-Kommission hat schon angekündigt, dass sie nicht so lange warten und
       säumige EU-Staaten ihrerseits in Luxemburg verklagen will. Bisher hatte sie
       beim EuGH immer Erfolg. Schweden, Griechenland und Österreich wurden
       bereits wegen fehlender Umsetzung der Richtlinie veruerteilt
       
       An diesem Donnerstag diskutiert der Bundestag über einen Antrag der Grünen.
       Sie wollen, dass die Bundesregierung "energisch" auf eine Aufhebung der
       EU-Richtlinie hinwirkt. Wie sich in den Ausschüssen abgezeichnet hat, wird
       der Antrag mit den Stimmen der Koalition (inklusive FDP) abgelehnt.
       
       16 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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