# taz.de -- Enttarnter Spitzel Mark Kennedy: Das große Mauern
       
       > Dass er Straftaten beging, ist aktenkundig – doch noch immer verweigern
       > Landesregierungen die Aufklärung im Fall des Verdeckten Ermittlers Mark
       > Kennedy.
       
 (IMG) Bild: Ungelöste Frage: Welche Aufgaben hatte Kennedy während des G8-Gipfels?
       
       Immerhin: In Baden-Württemberg hat der Innenminister überhaupt mal etwas
       gesagt. Als dort am Mittwochabend der Innenausschuss gleich sechs Anträge
       zu Verdeckten Ermittlern im Ländle zu beraten hatte, konnte auch
       Innenminister Heribert Rech (CDU) nicht mehr vollends mauern. Was der
       Hardliner allerdings zu Protokoll gab, wird die Öffentlichkeit auch
       weiterhin nicht erfahren dürfen. "VS - nur für den Dienstgebrauch" steht
       auf den Akten.
       
       Doch damit sind die Innenpolitiker in Baden-Württemberg bereits in einer
       komfortablen Situation: Sie dürfen überhaupt etwas über jenen umstrittenen
       Spitzeleinsatz des britischen Verdeckten Ermittlers Mark Kennedy in
       Deutschland erfahren, den der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg
       Ziercke, im Deutschen Bundestag als "aus dem Ruder gelaufen" bezeichnet
       hatte.
       
       Doch: Wochen nachdem Ziercke vor Parlamentariern des Bundestages diese
       deutlichen Worte fand, mauern die meisten Landesregierungen noch immer -
       und verwehren selbst den zuständigen Parlamentariern Auskünfte über den
       dubiosen Einsatz. Dabei steht fest: Dass der vom britischen Scotland Yard
       bezahlte Ermittler in Deutschland auch an Straftaten beteiligt gewesen sein
       könnte, ist offenkundig.
       
       In Berlin bestätigte gar der dortige Polizeichef, dass Kennedy festgehalten
       worden war, als er versucht hatte, einen Brand zu entzünden. Wo es zu
       Verfahren gegen Kennedy kam, wurden diese aber stets eingestellt - so wie
       in Großbritanien, wo die Geschichte des Spitzels erst durch ein geplatztes
       Gerichtsverfahren öffentlich wurde.
       
       Was der heute flüchtige, aber geständige Spitzel, der über Jahre hinweg in
       ganz Europa die linke Szene ausspioniert hat, tatsächlich in Deutschland
       getrieben hat - und ob er damit gegen geltendes Recht verstoßen hat, bleibt
       damit weiterhin unaufgeklärt. Das empört nicht nur jene Aktivisten, die
       direkt mit Kennedy zu tun hatten, sondern mittlerweile auch die zuständigen
       Parlamantarier im Bundestag und in den Landesparlamenten. So ist derzeit
       neben Baden-Württemberg auch in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Hamburg
       die Frage offen, was genau Kennedy in den Ländern unternommen hat - und in
       welchem Auftrag sowie mit welcher deutschen Beteiligung der britische
       Aktivist dort im Einsatz war.
       
       Was die Länder gemeinsam haben: Sie alle halten es nicht für nötig, Licht
       ins Dunkel zu bringen.
       
       Am gravierendsten ist die Situation in Berlin: Obwohl Kennedy in der
       Hauptstadt polizeilich auffällig wurde und Berlins Behörden nach Aussagen
       des Innensenators Ehrhart Körting (SPD) niemals konkret über den Einsatz
       von Kennedy, sondern nur allgemein, ohne Namensnennung und telefonisch vom
       BKA darüber in Kenntnis gesetzt worden sein wollen, dass ein Beamte aus
       Großbritannien in Berlin sei, sieht der rot-rote Senat dennoch keinen
       Bedarf, zu prüfen, was Kennedy so alles getrieben hat - und auf welcher
       Rechtsgrundlage. Gegenüber der taz sagte eine Sprecherin, für den
       Innensenator stelle "sich die Frage nach weiterreichenden
       Informationspflichten nicht".
       
       Der Berliner Innenpolitiker Benedikt Lux (Grüne) sagt dagegen: "So wie sich
       Mark Kennedy in Berlin aufgeführt hat, muss die Landesregierung beim BKA
       und den anderen Polizeibehörden protestieren - und vor allem auch lückenlos
       aufklären." Der Berliner Innensenator versuche sich selbst durch
       Nichtwissen zu schützen, sagte Lux der taz und ruft deshalb Betroffene, die
       Hinweise zum Einsatz Mark Kennedys in Berlin und Deutschland geben können,
       dazu auf, sich bei ihm zu melden.
       
       Ähnlich ergeht es seiner Kollegin in Hamburg. In der Hansestadt, wo Kennedy
       Kontakt zu einem linken Kaffeekollektiv gehabt haben soll, beantwortete der
       Senat die Kleine Anfrage der Innenpolitikerin Antje Möller (GAL) mit exakt
       27 Worten. Inhalt: Wir sagen gar nichts. Weil sich Möller in der Ausübung
       ihres Mandats eingeschränkt sieht, hat die Parlamentarierin nun sogar
       Beschwerde beim Präsidium der Hamburger Bürgerschaft eingereicht - was das
       bringt, ist noch offen. Am Sonntag wird in Hamburg neu gewählt.
       
       Auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo der Einsatz Kennedys im Rahmen des
       G8-Gipfels von Heiligendamm verbrieft ist und Kennedy nach eigener Aussage
       direkt in polizeiliche Lageanalysen eingebunden war, mauert das
       CDU-geführte Innenministerium. Dort sieht der innenpolitische Sprecher der
       Linksfraktion, Peter Ritter, "weiterhin Klärungsbedarf", weil im Fall
       Kennedy "weiter beschönigt und verheimlicht" werde.
       
       Diese Gesamtschau erregt im Deutschen Bundestag wiederum den
       Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, der gegenüber der taz eine
       weitere Initiative der Grünen im Parlament ankündigt: "Im Moment wird nur
       auf Verwirrung und auf Ausschweigen gesetzt. Dabei sind in der Sache noch
       zahlreiche Fragen offen. Es gibt noch immer widersprüchliche Angaben
       darüber, in welchem Umfang sich Kennedy an Straftaten beteiligt haben
       könnte", sagte Ströbele der taz. Vor allem müsse nun auch geklärt werden,
       wer denn die zuverlässige Kontrolle und Federführung im Fall habe.
       
       Ströbele fordert nun die Bundesregierung auf, auch die rechtliche Situation
       ausländischer Verdeckter Ermittler im Einsatz in Deutschland zu prüfen.
       Hintergrund ist, dass deutsche Sicherheitsbehörden Mark Kennedy als private
       "Vertrauensperson" einstufen dürfen und nicht als "Verdeckten Ermittler",
       obwohl er zweifelsfrei als von britischen Behörden bezahlter Polizist im
       Einsatz war.
       
       Auf diese Weise würden für ausländische Polizisten in Deutschland nicht die
       deutschen Gesetze für Polizisten hierzulande gelten - ein rechtsfreier
       Raum, der den Einsatz ausländischer Spitzel besonders attraktiv machen
       könnte. "Es kann nicht sein, das Polizisten wie Privatpersonen behandelt
       werden und dass im Namen der Europäischen Polizeizusammenarbeit einfach
       Grundrechte der Bürger ausgehebelt werden", sagt Ströbele. "Für alle
       Verdeckten Ermittler aus dem Ausland müssen mindestens die selben Regeln
       gelten wie für deutsche Ermittler."
       
       18 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
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