# taz.de -- Kritik von Atomkonzernen und Grünen: "Versorgungssicherheit gefährdet"
       
       > Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hat die Bundesregierung für ihre
       > Atompolitik kritisiert. Sehenden Auges steuere man auf eine unsichere
       > Situation zu. Auch die Atomkonzerne sind unzufrieden.
       
 (IMG) Bild: Als "Zeitbombe" sehen manche die Atomkraft, manche Merkels Atompolitik.
       
       BERLIN dpa/reuters/taz | Die Stromkonzerne gehen auf Konfrontationskurs zum
       schwarz-gelben Atomausstieg. Als erster von vier Atomkonzernen will Eon
       gegen die Brennelementesteuer klagen. Eon begründete den Schritt am
       Dienstag mit Vermögensschäden in Milliardenhöhe. RWE-Chef Jürgen Großmann
       wirft der Bundesregierung Unberechenbarkeit vor. "Die Frage nach der
       Berechenbarkeit muss man bei dieser Bundesregierung nicht nur in
       Energiethemen stellen", sagte Großmann der Bild-Zeitung.
       
       "Andere Länder beweisen, dass man dieses Thema ruhiger und sachlicher
       behandeln kann." Großmann sagte, offenbar wolle man in Deutschland eine
       Energiezukunft ohne die international agierenden Energiekonzerne. "Wir
       machen Experimente mit der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft – mit
       ungewissem Ausgang", mahnte er. Vor einer Woche war Großmann selbst weniger
       sachlich, nämlich als er beim CDU-Wirtschaftsrat mutmaßte, Deutschland sei
       "auf dem Weg in die Ökodiktatur".
       
       Eon-Chef Johannes Teyssen verlangt nun, nach der Rücknahme der
       Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke und der Abschaltung von acht
       maroden Meilern, von der Bundesregierung eine Entschädigung in
       Milliardenhöhe. Außerdem kündigte Eon am Dienstag eine Klage gegen die
       Brennelementesteuer an. Die Klage war erwartet worden. Die Konzern
       beklagen, sie befürchteten Milliardenlasten. Eon erklärte, die Steuer
       schöpfe Milliardensummen ab, "die nicht mehr für Investitionen in den Umbau
       des Energiesystems zur Verfügung stehen werden". Schon aus
       aktienrechtlichen Gründen und zum Schutze seiner über 500.000 Kleinanleger
       dürfe Eon das nicht hinnehmen, hieß es. Auch RWE droht mit juristischen
       Schritten.
       
       Die Steuer sollte dem Bund ursprünglich bis 2016 rund 2,3 Milliarden Euro
       pro Jahr einbringen. Bleiben acht Meiler abgeschaltet, verringern sich die
       Einnahmen auf jährlich gut 1,3 Milliarden Euro. Mit der Abgabe sollen die
       Konzerne an den Milliarden-Kosten zur Sanierung des maroden Atommüll-Lagers
       Asse beteiligt und so die Steuerzahler entlastet werden.
       
       ## Brüderle: "Sicher, dass Entscheidung Bestand haben wird"
       
       FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle gab sich gelassen. Dem Hamburger
       Abendblatt sagte er: "Ich bin mir sicher, dass unsere Entscheidung Bestand
       haben wird." Nach dem Koalitionsbeschluss sollen die sieben ältesten
       deutschen Atommeiler und das AKW Krümmel nie wieder ans Netz gehen.
       
       Auch der von Union und FDP angestrebte breite Konsens mit der Opposition
       und den Ländern zum Ausstieg aus der Atomkraft bis spätestens Ende 2022 ist
       fraglich. SPD und Grüne machen eine Zustimmung von Nachbesserungen am
       Ausstiegsfahrplan und am Öko-Strom-Konzept abhängig. Widerstand gibt es
       auch gegen die Pläne der Bundesregierung zum Netzausbau. Das schwarz-gelb
       regierte Niedersachsen lehnt eine zentrale Planung neuer Trassen für
       Hochspannungsleitungen durch die Bundesnetzagentur ab.
       
       Union und FDP hatten den Ausstieg bis spätestens 2022 beschlossen. Der
       Großteil der Atommeiler soll bis 2021 vom Netz. Falls es Probleme bei der
       Energiewende gibt, könnten die letzten drei Meiler erst zum 31. Dezember
       2022 abgeschaltet werden. Ein Altmeiler soll als "Kaltreserve" für Notfälle
       bereitstehen.
       
       ## Trittin: Laufzeitgarantie für Atomkraftwerke
       
       Nach Darstellung der Grünen wird mit diesen Plänen eine Notlage riskiert.
       Fraktionschef Jürgen Trittin sagte, die Atommeiler würden keineswegs
       schrittweise abgeschaltet, sondern abrupt in zwei Schüben. "Damit steuern
       wir sehenden Auges auf eine Situation zu, in der die Netzstabilität und die
       Versorgungssicherheit akut gefährdet werden." Bis Ende 2021 werde keines
       der neun jüngeren AKW vom Netz gehen, sagte Trittin weiter. Der
       schwarz-gelbe Ausstieg entpuppe sich als Laufzeitgarantie für
       Atomkraftwerke. "Tatsache ist: Vor dem 31.12.2021 ist keine weitere
       Stilllegung geplant."
       
       Die acht vom Aus bedrohten Atomkraftwerke könnten nach Ende des Moratoriums
       Mitte Juni wieder für einige Wochen angefahren werden. Das ergibt sich aus
       dem Entwurf für ein neues Atomgesetz, der der Deutschen Presse-Agentur
       vorliegt. Dort heißt es, dass die Stilllegung mit Inkrafttreten des
       Gesetzes in Kraft tritt.
       
       Wegen Bedenken bei den Bundestagsfraktionen, die sich gegen ein
       Durchpeitschen des Atomgesetzes durch das Parlament wehren, könnte sich die
       Verabschiedung bis nach der Sommerpause verschieben.
       
       Das Bundeskabinett will das Paket mit sechs Gesetzesvorhaben am nächsten
       Montag beschließen, bis Ende Juni soll der Bundestag abstimmen. Ein
       Großteil des Gesetzespakets ist im Bundesrat allerdings nicht
       zustimmungspflichtig, darunter das Atomgesetz.
       
       ## Freitag will Merkel mit den Ländern sprechen
       
       Für diesen Freitag hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Bundesländer
       geladen, um für Unterstützung der Beschlüsse von Union und FDP zu werben.
       In SPD-geführten Ländern stößt vor allem das Vorhaben auf Kritik, einen der
       stillgelegten Meiler bis 2013 als "Kaltreserve" für mögliche Engpässe
       bereit zu halten.
       
       In Bayern hat der Ausstiegsbeschluss zu einer ernsthaften Regierungskrise
       der dortigen Koalition aus CSU und FDP geführt. Ministerpräsident Horst
       Seehofer kritisierte seinen Stellvertreter Martin Zeil (FDP) scharf, der
       die Berliner Einigung ein Risiko genannt hatte. Seehofer warf dem liberalen
       Koalitionspartner in München vor, Parteiinteressen über das Wohl des Landes
       zu stellen.
       
       Das grün-rot regierte Baden-Württemberg fordert Gaskraftwerke, um mögliche
       Versorgungsrisiken abzufedern. Ministerpräsident Winfried Kretschmann
       (Grüne) kritisierte, die Bundesregierung setze beim Ausbau erneuerbarer
       Energien zu einseitig auf Windkraft auf hoher See. Ein Deckel von 3,5 Cent
       pro Kilowattstunde bei der Vergütung der Öko-Strom-Einspeisung sei nicht
       akzeptabel.
       
       1 Jun 2011
       
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