# taz.de -- Kritik von Umweltverbänden und Industrie: Bundesregierung legt Atomgesetze vor
       
       > Die Bundesregierung hat nun die konkreten Gesetzentwürfe für eine
       > Energiewende vorgelegt. Die SPD wird sich wohl einem Konsens anschließen,
       > die Grünen überlegen noch.
       
 (IMG) Bild: Umweltorganisationen wie "Campact" drängen die Politik, das Energiekonzept noch einmal zu überdenken.
       
       BERLIN dapd/reuters/taz | Das Energiekonzept der Bundesregierung nimmt
       konkrete Formen an. Wenige Tage nach dem Kompromiss mit den Ländern hat das
       Bundeskabinett am Montag formell die Gesetze zum Atomausstieg bis 2022 und
       zum Ausbau der erneuerbaren Energien auf den Weg gebracht.
       
       Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) sprach von einem gesellschaftlichen
       Pionierprojekt. Röttgen sagte: "Ich bin davon überzeugt, dass die
       Beschlussfassung vom heutigen Tag einen Meilenstein in der wirtschaftlichen
       und gesellschaftlichen Entwicklung unseres Landes darstellt." Ein einstiges
       Kampfthema werde nun in einen gesellschaftlichen Konsens überführt.
       
       Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte wegen der Atomkatastrophe in Japan
       ihre gerade erst beschlossene Laufzeitverlängerung für die 17 deutschen
       Atomkraftwerke zurückgenommen. Acht derzeit stillgelegte Reaktoren sollen
       nicht mehr ans Netz, die übrigen sollen von 2015 bis 2022 schrittweise
       stillgelegt werden – die meisten davon allerdings in den Jahren 2021 und
       2022. Der Anteil von Ökostrom soll bis 2020 auf mindestens 35 Prozent
       wachsen und gleichzeitig der Strombedarf durch Sparen um zehn Prozent
       gesenkt werden.
       
       ## E.on kündigt weitere Klage an
       
       Gegen das Energiekonzept der Bundesregierung kündigte E.on jetzt eine Klage
       an: Nach dem Beschluss der Bundesregierung gehe der Atomkonzern davon aus,
       nicht alle ursprünglich zugesagten Strommengen produzieren zu können, sagte
       ein Konzernsprecher am Montag. Für den Atomausstieg bis 2022 wolle man
       einen Ausgleich in Milliardenhöhe verlangen. "Dadurch entsteht ein
       zusätzlicher Vermögensschaden, den wir auch geltend machen werden." Solches
       hatte E.on bereits vergangene Woche angekündigt. Seit Montag ist klar, dass
       auch der E.on-Meiler in Grafenrheinfeld abgeschaltet werden soll – im Jahr
       2015. Eine weitere Klage hatte der Konzern zudem schon letzte Woche gegen
       die Brennelementesteuer angekündigt.
       
       Für den Umstieg muss das Stromnetz ausgebaut werden: 3.600 Kilometer
       Hochspannungstrassen sollen errichtet werden. Teil des umfangreichen
       Gesetzespakets sind deshalb Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus.
       Statt bisher im Schnitt zehn Jahre soll es künftig nur noch vier Jahre
       dauern, eine Stromleitung zu planen und zu bauen, wie Wirtschaftsminister
       Philipp Rösler (FDP) ankündigte. Rösler nannte das Gesamtpaket ein
       vernünftiges Konzept.
       
       ## Energetische Sanierung
       
       Teil des Energiekonzepts sind auch Anstrengungen zum Energiesparen in
       Gebäuden. Dazu soll das Förderprogramm zur energetischen Sanierung von
       Altbauten von rund 500 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro aufgestockt
       werden, wie Bauminister Peter Ramsauer (CSU) sagte. Zudem sollen
       Sanierungen wieder steuerlich über eine Abschreibung der Investitionen über
       zehn Jahre gefördert werden, auch dieser Posten soll ein Volumen von 1,5
       Milliarden haben.
       
       Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) soll derart novelliert werden, dass
       vor allem der Ausbau von Windkraft auf hoher See schneller vorankommt.
       Gleichzeitig sollen sehr viel mehr Unternehmen als bisher von den Kosten
       dieser Förderung, die über den Strompreis umgelegt wird, entlastet werden.
       Über die Fortführung des Strompreisausgleichs für energieintensive
       Unternehmen würden zudem bereits Gespräche mit der Europäischen Union
       geführt.
       
       Für Privatkunden gibt es vergleichbare Entlastungen nicht – im Gegenteil.
       Je weniger Wirtschaftsunternehmen sich an der Umlage beteiligen, desto mehr
       müssen normale Verbraucher schultern. FDP-Chef Phlipp Rösler schätzte die
       Mehrkosten für einen vierköpfigen Haushalt auf 35 bis 40 Euro im Jahr.
       
       ## SPD stellt Zustimmung in Aussicht
       
       Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dafür geworben, dass auch SPD und Grüne
       dem Energiekonzept der Bundesregierung zustimmen sollten. Das könnte nach
       den Bundesrats-Verhandlungen mit den Ländern am vergangenen Freitag
       klappen. Die SPD könnte zustimmen, sagte der Parlamentarische
       Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann in der ARD. Voraussetzung sei,
       dass der Ausstieg stufenweise und unumkehrbar geregelt werde.
       
       Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte im SWR, die Billigung hänge
       davon ab, ob mit dem Gesetzespaket eine "ergebnisoffene, vergleichende"
       Suche nach einem Endlager für Atommüll gewährleistet werde. Außerdem dürfe
       es beim Ausbau erneuerbarer Energien "keine Deckelung" geben. Die Grünen
       wüssten aber, dass es auch Kompromisse geben und sich "beide Seiten einen
       Schritt bewegen" müssten. Wichtig sei, dass die Novelle keine "Tricks"
       enthalte. Die grüne Partei wird am 25. Juni bei einem Sonderparteitag über
       das Energiekonzept der Bundesregierung diskutieren und dort wohl eine
       Empfehlung für das Abstimmungsverhalten der Grünen-Bundestagsfraktion
       erarbeiten.
       
       ## Umweltverbände drängen auf Ablehnung
       
       Die Anti-Atom-Organisation ausgestrahlt drängt die Grünen, unter anderem
       mit einem [1]["Offenen Brief"], nicht zuzustimmen. Der geplante
       Atomausstieg bis 2022 öffne Tür und Tor für eine spätere Revision der
       Beschlüsse.
       
       Auch andere Umweltverbände sind unzufrieden mit dem Kabinettsbeschluss zur
       Energiewende. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
       bezeichnete die Entscheidung zum Atomausstieg am Montag als halbherzig. Der
       Ausstieg dauere viel zu lange, kritisierte der BUND-Vorsitzende Hubert
       Weiger. Er werde zudem der Neubewertung des atomaren Risikos nach der
       Reaktorkatastrophe von Fukushima nicht gerecht. Wenn der Großteil der
       deutschen Atomkraftwerke erst um das Jahr 2020 vom Netz gehen, müsse die
       Bevölkerung viele weitere Jahre mit der Gefahr schwerer atomarer Störfälle
       leben. Enttäuscht zeigte sich Weiger auch mit den Beschlüssen zu den
       erneuerbaren Energien. Deren Anteil soll nur soweit erhöht werden, wie dies
       vor dem Atomausstieg geplant gewesen sei.
       
       ## Atompolitik in der Schweiz
       
       Wie schnell ein Atomausstieg zurückgenommen werden kann, zeigt der Blick in
       die Schweiz: Nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima hat die
       Schweiz rascher als andere Länder Konsequenzen gezogen und einen Ausstieg
       aus der Atomkraft beschlossen. Im Gegensatz zur deutschen Regierung will
       sich Bern bei der Energiewende aber deutlich mehr Zeit lassen. Erst nach
       gut 50 Jahren Laufzeit soll 2034 der letzte der insgesamt fünf Schweizer
       Reaktoren vom Netz gehen.
       
       Dass selbst dieser Termin nicht in Stein gemeißelt ist, ließ die
       Energieministerin Doris Leuthard beiläufig bei der Ankündigung der
       Ausstiegspläne des Bundesrats am 25. Mai wissen. Nur wenige Tage später
       stellte Leuthard die Endgültigkeit des Beschlusses in einem Interview mit
       der Neuen Zürcher Zeitung infrage: "Sollte etwa in 30 Jahren die Kernfusion
       gelingen und sollten die Vorteile der Atomenergie überwiegen, könnte man
       das Gesetz erneut anpassen."
       
       6 Jun 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.ausgestrahlt.de/presse/artikel/d53dc07fa3/atomkraftgegner-fordern-gruenes-n.html
       
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