# taz.de -- Bürgerkrieg in Syrien: Neue Proteste trotz Militäroffensive
       
       > Am Freitag kam es wieder in zahlreichen syrischen Städten zu
       > Demonstrationen gegen Präsident Assad. Dessen Truppen waren Donnerstag in
       > ein Dorf an der türkischen Grenze eingerückt.
       
 (IMG) Bild: Syrische Truppen auf einem Aussichtspunkt nahe der türkischen Grenze.
       
       AMMAN/GÜVECCI dpa/afp/rtr | Trotz einer massiven Militäroffensive haben in
       Syrien erneut zehntausende Bürger gegen die Herrschaft von Präsident
       Baschar al-Assad demonstriert. Nach Berichten von Menschenrechtsaktivisten
       und Augenzeugen kam es nach den Freitagsgebeten wieder in mehreren Städten
       zu Massenprotesten. Dabei sollen Sicherheitskräfte mindestens einen
       Demonstranten in der Stadt Kiswa nahe der Hauptstadt Damaskus erschossen
       haben.
       
       In einem Vorort von Damaskus seien mehrere tausend Demonstranten nach dem
       Mittagsgebet auf die Straße gezogen und hätten in Sprechchören den
       Rücktritt Assads gefordert, berichtete ein Anwohner der Nachrichtenagentur
       Reuters per Telefon. Einige hätten gerufen: "Zeigt der Welt, dass Baschar
       keine Legitimität mehr hat." Die Parolen waren im Hintergrund zu hören. Da
       die Behörden fast alle ausländischen Korrespondenten ausgewiesen haben, ist
       eine Überprüfung der Berichte schwierig.
       
       Auch in den zentral gelegenen Städten Homs und Hama demonstrierten erneut
       tausende Regierungskritiker gegen Assad, wie Anwohner berichteten. In Deraa
       im Süden, wo die Proteste vor drei Monaten ihren Ursprung genommen hatten,
       seien die Menschen ebenfalls wieder auf die Straße gezogen.
       
       Auf Schildern und Plakaten hätten die Demonstranten unter anderem Assads
       Angebot abgelehnt, mit der Opposition in einen Dialog zu treten und über
       die Rahmenbedingungen für Reformen zu beraten. Ähnliche Proteste habe es in
       Städten an der Küste gegeben. Auch im Osten des Landes an der Grenze zum
       Irak hätten zahlreiche Bürger gegen Assad demonstriert.
       
       ## Clinton warnt
       
       US-Außenministerin Hillary Clinton hat vor dem Hintergrund der syrischen
       Militäroperationen im Grenzgebiet zur Türkei vor einer Ausweitung der Krise
       gewarnt. Die Gefahr potenzieller Grenzzwischenfälle steige, "wenn die
       syrischen Truppen nicht sofort ihre Angriffe und Provokationen einstellen",
       sagte Clinton am Donnerstag in Washington. Sie habe das Thema auch
       ausführlich mit ihrem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu besprochen.
       
       Syrische Truppen waren nach Angaben von Regierungsgegnern am Donnerstag mit
       Panzern in das Grenzdorf Chirbet al-Dschoos eingerückt. Soldaten
       patrouillierten in Militärfahrzeugen und zu Fuß in der Gegend um die
       Ortschaft Chirbet al-Dschus, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AP
       berichteten, die das Geschehen von der türkischen Seite der Grenze aus
       beobachteten.
       
       Panzer seien in das Dorf gerollt und auf einigen Dächern in Chirbet
       al-Dschus seien Scharfschützen in Stellung gebracht worden, sagten
       Mitarbeiter des Örtlichen Koordinationskomitees unter Berufung auf
       Augenzeugen.
       
       Hunderte Bewohner flohen daraufhin. Das türkische Fernsehen zeigte, wie
       Männer, Frauen und Kinder in Panik auf die nahe türkische Grenze zu
       rannten. Auf der türkischen Seite wurden die Familien nach seinen Angaben
       erst mit Bussen in eine Kaserne gebracht und dann auf die Flüchtlingslager
       verteilt. In den türkischen Lagern befinden sich bereits weit über 10 000
       geflohene Syrer.
       
       Clinton zeigte sich "sehr besorgt von den Berichten". "Diese aggressive
       Aktion wird nur die ohnehin instabile Lage der Flüchtlinge in Syrien weiter
       verschlimmern", sagte sie. Sie zeige außerdem, wie weit das Regime von
       Präsident Baschar al-Assad gehe, "um das syrische Volk zu unterdrücken".
       
       ## Türkisch-syrische Beziehungen belastet
       
       Das Vorrücken der syrischen Streitkräfte am Donnerstag könnte das
       Verhältnis zu Ankara belasten. Die türkische Regierung verliert allmählich
       die Geduld mit Blick auf den Versuch des syrischen Regimes von Präsident
       Baschar Assad, den Aufstand im Land niederzuschlagen.
       
       Türkische Truppen verschoben am Donnerstag ihre Grenzstellungen um mehrere
       hundert Meter zurück, offenbar um eine mögliche Konfrontation mit syrischen
       Einheiten zu vermeiden. Zudem zogen sie eine große rot-weiße türkische
       Flagge hoch, um ihren Standpunkt zu markieren. Die Türkei verstärkte auch
       die Bewachung des Grenzgebiets.
       
       Die Außenminister der Türkei und Syriens führten unterdessen ein
       Telefongespräch über die Flüchtlingssituation an der gemeinsamen Grenze.
       Das meldete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag. Das
       türkische Außenministerium teilte mit, es habe den syrischen Botschafter in
       Ankara einbestellt, um "Entwicklungen an der Grenze" sowie die allgemeine
       Lage in Syrien zu besprechen.
       
       ## EU verhängt Sanktionen
       
       Im Zusammanhang mit dem gewaltsamen Vorgehen gegen die syrische
       Protestbewegung hat die Europäische Union (EU) erstmals hochrangige
       Vertreter der iranischen Sicherheitskräfte mit Sanktionen belegt.
       Kontosperren und Einreiseverbote wurden unter anderem gegen den
       Generalbefehlshaber des Korps der iranischen Revolutionsgarden, Mohammed
       Ali Dschafari, verhängt, wie die EU am Freitag in ihrem Amtsblatt
       mitteilte.
       
       Daschafari sowie zwei weitere Kommandeure der sogenannten Pasdaran hätten
       sich "an der Bereitstellung von Ausrüstungen und Unterstützung für das
       syrische Regime für das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten in Syrien"
       beteiligt, heißt es zur Begründung.
       
       Gleichfalls mit Kontosperren und Einreiseverboten wurden vier Syrer belegt,
       unter ihnen zwei Cousins ersten Grades von Staatschef Baschar el Assad.
       Zudem verhängte die EU Sanktionen gegen vier Unternehmen, denen die
       Finanzierung des Assad-Clans vorgeworfen wird. Die syrische Regierung geht
       seit Wochen gewaltsam gegen die Protestbewegung vor. Nach Angaben von
       Menschenrechtsaktivisten starben dabei mehr als 1300 Menschen.
       
       Die EU will mit den Sanktionen ihre Forderung nach einem sofortigen Ende
       der Gewalt unterstreichen. Gegen Präsident Assad und gut 20 Vertraute waren
       deshalb bereits im Mai Einreiseverbote und Vermögenssperren verhängt
       worden. Es ist nun aber das erste Mal, dass die EU wegen Syrien auch
       Sanktionen gegen iranische Staatsbürger verhängt.
       
       Neben Dschafari als Führer des Pasdaran-Korps sind Generalmajor Kasem
       Soleimani betroffen, der Befehlshaber des Korps der iranischen
       Revolutionsgarden ist, sowie der stellvertretende Befehlshaber des Korps im
       Bereich Nachrichtendienste, Hossein Taeb.
       
       ## Schriftsteller fordern UN-Resolution
       
       Unterdessen haben namhafte Schriftsteller den UN-Sicherheitsrat
       aufgefordert, eine Resolution zur Verurteilung Syriens wegen des brutalen
       Vorgehens gegen Regimegegner zu verabschieden. "In dem pazifistischen Kampf
       für seine Freiheit ist es für das gepeinigte syrische Volk unerlässlich,
       dass diese Resolution von Ihnen angenommen wird", schreiben die
       Unterzeichner, zu denen Umberto Eco, Salman Rushdie und Orhan Pamuk
       gehören.
       
       In dem Brief, der auf der Internetseite des französischen Philosophen
       Bernard-Henri Lévy publiziert ist, warnen sie die Mitglieder des
       Sicherheitsrats davor, die von Deutschland, Großbritannien, Frankreich und
       Portugal eingebrachte Resolution zur Verurteilung der Niederschlagung der
       Oppositionsbewegung nicht durch ein Veto oder Stimmenenthaltungen im
       Papierkorb enden zu lassen. Dies wäre moralisch nicht akzeptabel.
       
       Die Resolution, die auch verlangt, den Weg zur Untersuchung möglicher
       Menschenrechtsverletzungen frei zu machen, wird im Sicherheitsrat von China
       und Russland blockiert.
       
       24 Jun 2011
       
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