# taz.de -- EU und die Griechenland-Krise: Ohne Plan B
       
       > Was passiert, wenn das griechische Parlament die Sparauflagen blockiert?
       > Das Land wäre schon im Juli pleite. Doch die EU ignoriert dieses Szenario
       > einfach.
       
 (IMG) Bild: War in früheren Zeiten auch schon mal stabiler: Die römische Agora in Athen.
       
       BRÜSSEL taz | Der Europäischen Union ist es nicht gelungen, die Gefahr
       einer ungeordneten Staatspleite in Griechenland zu bannen. Zwar klopfte der
       EU-Gipfel in Brüssel den Zeitplan für weitere Milliardenhilfen an das
       überschuldete Land fest. Wenn alles nach Plan läuft, könnten am 3. Juli
       Notkredite in Höhe von 12 Milliarden Euro freigegeben werden. Kurz danach
       soll ein neues Rettungsprogramm im Wert von bis zu 120 Milliarden Euro
       folgen.
       
       Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre 26 Amtskollegen legten keinen
       "Plan B" für den Fall vor, dass sich das griechische Parlament querstellt
       und die drastischen Sparauflagen von EU und IWF ablehnt. Merkel wollte auch
       nicht sagen, was aus ihrem Plan geworden ist, private Gläubiger an der
       Rettung Griechenlands zu beteiligen. "Die Gespräche laufen, doch es ist
       derzeit nicht möglich, dies mit Zahlen zu unterfüttern", sagte sie.
       
       Die EU wurstelt sich durch - und schiebt die Verantwortung für eine
       mögliche Ausweitung der Krise nach Athen ab. Die Europäer ignorierten damit
       Warnungen führender Notenbanker und Finanzexperten. Kurz vor dem Gipfel
       hatte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet gesagt, alle Alarmsignale stünden
       auf Rot. Eine Pleite Griechenlands stelle "die größte Gefahr" für das
       europäische Banksystem dar.
       
       Die europäische Bankenaufsicht EBA forderte die Geldinstitute sogar auf,
       einen Ausfall von griechischen Staatsanleihen durchzuspielen. Die EBA
       schätzt die Wahrscheinlichkeit einer Pleite auf 36 Prozent; an den
       Finanzmärkten ist sogar von 80 Prozent die Rede. Für Verunsicherung sorgt
       neben dem breiten Widerstand in der griechischen Bevölkerung vor allem
       Oppositionsführer Antonis Samaras. Der konservative Politiker wurde in
       Brüssel zwar von Merkel und anderen Spitzenpolitikern der konservativen EVP
       ins Gebet genommen, will sich jedoch nicht mit den neuen, drastischen
       Sparauflagen von EU und IWF abfinden.
       
       ## Pleite Mitte Juli?
       
       Zu zusätzlichem Ärger führte ein am Donnerstag überraschend vorgelegtes
       neues Sparpaket in Höhe von 3,8 Milliarden Euro. Es könnte die Zustimmung
       des griechischen Parlaments gefährden, hieß es in Brüssel.
       
       Von der Zustimmung macht die EU jedoch weitere Hilfen abhängig. Spätestens
       am 30. Juni soll die Athener Volksvertretung Kürzungen in Höhe von 50
       Milliarden Euro abnicken. Die griechischen Gewerkschaften planen einen
       Generalstreik und drohen damit, die Stromversorgung des Landes zu
       unterbrechen. Sollte das Parlament das Spardiktat der EU ablehnen, wäre das
       Land spätestens Mitte Juli pleite.
       
       Die 27 Staats- und Regierungschefs weigerten sich jedoch, dieser Gefahr ins
       Auge zu sehen und gegenzusteuern. Für neue "operative Beschlüsse" sei es zu
       früh, sagte Merkel. Zunächst müsse das griechische Parlament die
       Sparvorgaben absegnen. Allerdings sei Deutschland entschlossen,
       Griechenland zu retten und den Euro zu verteidigen. "Wir werden alles tun,
       um den Euro insgesamt zu stabilisieren", betonte die Kanzlerin.
       
       Aufsehen erregte ein kurzfristig anberaumtes Krisentreffen, zu dem Merkel
       den französischen Staatschef Nicolas Sarkozy, EZB-Chef Trichet und
       Ratspräsident Herman Van Rompuy am Rande des EU-Gipfels rief. Weder Merkel
       noch die anderen Teilnehmer wollten sich zum Inhalt der Gespräche äußern.
       Spekulationen, wonach sich Berlin und Paris hinter den Kulissen auf einen
       Notplan verständigt haben könnten, wurden nicht bestätigt.
       
       ## Neue Finanzquellen gefordert
       
       Dabei liegen Ideen für einen solchen "Plan B" längst auf dem Tisch. So
       fordert der Brüsseler Thinktank Bruegel, über die derzeit geplante "sanfte"
       Umschuldung mit einer freiwilligen Beteiligung von Banken und
       Versicherungen hinauszugehen. Nötig sei ein Schuldenschnitt bei
       gleichzeitiger Rekapitalisierung der Banken, fordert Bruegel-Forscher Zsolt
       Darvas.
       
       Auch in Paris macht man sich Gedanken über Alternativen zum derzeitigen
       Sparkurs. In einem Diskussionsbeitrag fordert der ehemalige
       Präsidentenberater Jacques Attali neue Finanzierungsquellen, die sehr der
       Konzeption der französischen Politischen Ökonomie entsprechen: Unter
       Leitung eines "europäischen Finanzministeriums" sollen von der EZB
       "Schatzanleihen" ausgegeben und eine "große Anleihe für Investitionen in
       die Zukunft der Union" zum Zeichnen aufgelegt werden, außerdem könnte eine
       europäische Mehrwertsteuer (von beispielsweise 1 Prozent) zur Deckung der
       akkumulierten Schulden eingeführt werden. In diesem Stil soll die
       Euro-Kerngruppe der EU nicht nur das derzeitige Schulden-Schlammassel
       überstehen, sondern zugleich das finanzpolitische Fundament der
       europäischen Wirtschaftsgroßmacht schaffen, argumentiert der um Visionen
       nie verlegene Ratgeber Attali.
       
       (Mitarbeit: Rudolf Balmer, Paris)
       
       24 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gert Stuby
       
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