# taz.de -- Klagen gegen Bürgschaften für Griechenland: "Die Euro-Rettung ist zulässig"
       
       > Der Europarechtler Jürgen Bast über die Verfassungsklagen gegen
       > Bürgschaften für Griechenland. Er sagt, das Eigentumsrecht gibt dem
       > Einzelnen keinen Anspruch auf eine bestimmte Politik.
       
 (IMG) Bild: Die Proteste gegen die Sparpläne gehen unterdessen in Athen weiter.
       
       taz: Herr Bast, die EU-Staaten verhandeln gerade über neue Hilfen für
       Griechenland. Kann das Bundesverfassungsgericht, das seinen Sitz im
       badischen Karlsruhe hat, den Plänen noch einen Strich durch die Rechnung
       machen? 
       
       Jürgen Bast: Theoretisch ja. In Karlsruhe sind mehrere Klagen gegen das
       erste Hilfspaket für Griechenland anhängig, das im Mai 2010 beschlossen
       wurde. Außerdem wurde gegen den Euro-Rettungsschirm geklagt, den auch
       andere EU-Staaten in Anspruch nehmen können. Das Urteil wird grundsätzliche
       Bedeutung haben und damit auch Auswirkungen auf die aktuellen
       Verhandlungen.
       
       Wann ist mit einer Entscheidung der Richter in Karlsruhe zu rechnen? 
       
       Die mündliche Verhandlung wird schon nächste Woche stattfinden, am 5. Juli.
       Das Urteil wird einige Monate später verkündet.
       
       Was kritisieren denn überhaupt die Kläger? 
       
       Sie befürchten, dass die Bürgschaften und Kredite für überschuldete
       EU-Staaten ein Fass ohne Boden sind. Dies werde Deutschland am Ende
       überfordern, die Währung entwerten und das Eigentum der Bürger gefährden.
       
       Ist das eine verfassungsrechtliche Frage? 
       
       Als juristisches Problem wird das meines Wissens vor allem in Deutschland
       diskutiert. In anderen EU-Staaten gibt es zwar auch heftige Debatten, aber
       eher in der politischen Arena.
       
       Das Eigentum ist ja immerhin durch unser Grundgesetz geschützt … 
       
       Das Eigentumsrecht gibt dem Einzelnen aber keinen Anspruch auf eine
       bestimmte Wirtschafts- und Währungspolitik seiner Regierung.
       
       Ist Deutschland sogar verpflichtet, Griechenland in seiner schwierigen
       Situation zu helfen? 
       
       Nein, das ist eine rein politische Frage. Die EU-Verträge sehen keine
       Beistandspflicht zur Rettung überschuldeter Länder vor. Umstritten ist nur,
       ob Deutschland überhaupt helfen darf. Die Kläger sagen, eine derartige
       Hilfe sei europarechtlich verboten.
       
       Stimmt das denn, dass eine solche Hilfe verboten ist? 
       
       Diese Position ist nicht völlig abwegig. Die Urheber der EU-Verträge sind
       sicher davon ausgegangen, dass jeder EU-Staat sein eigenes Haushaltsdefizit
       in den Griff bekommen muss. Nur für Rettungshilfen aus dem EU-Haushalt gibt
       es eine Grundlage in den Verträgen, für Hilfen der Euro-Staaten nicht.
       Allerdings verbieten die Verträge eine freiwillige Hilfe der Staaten auch
       nicht ausdrücklich. Im Ergebnis finde ich es überzeugender, die Hilfe
       zuzulassen. Es wäre doch merkwürdig, wenn ausgerechnet das Europarecht
       verhindern würde, die europäische Währung zu stabilisieren.
       
       Wird das wohl auch Karlsruhe so sehen? 
       
       Letztlich ist Karlsruhe das falsche Forum für den Streit. Es gibt ja einen
       EU-Gerichtshof in Luxemburg, den EuGH.
       
       Müsste Karlsruhe die Frage also dem Europäischen Gerichtshof vorlegen? 
       
       Wenn es um die Rechtmäßigkeit des Handelns von EU-Organen geht, muss
       Karlsruhe den EuGH einschalten. Keine Vorlagepflicht besteht bei der Frage,
       ob deutsche Gesetze oder zwischenstaatliche Absprachen der Euro-Staaten
       gegen EU-Recht verstoßen. Es ist dann aber ein Gebot der Klugheit, zuerst
       den EuGH das fragliche EU-Recht auslegen zu lassen.
       
       Viele erwarten einen Kompromiss, bei dem Karlsruhe eine Zustimmung des
       Bundestags vor jeder Kreditvergabe verlangt … 
       
       Die Rolle des Bundestags bei der Euro-Rettung ist tatsächlich eine Frage
       des deutschen Verfassungsrechts. Ich halte einen strikten
       Parlamentsvorbehalt aber für keine gute Idee.
       
       Warum? 
       
       Indem die Euro-Staaten gemeinsam für Kredite an Griechenland bürgen, soll
       ja erreicht werden, dass Griechenland Kredite zu einem normalen Zinssatz
       bekommt. Wenn nun aber für jeden wichtigen Schritt die Zustimmung aller
       nationalen Parlamente erforderlich wäre, dann ist das keine Bürgschaft,
       sondern bloß eine politische Absichtserklärung. Das wird die Finanzmärkte
       wohl kaum überzeugen. Die Richter sollten bei ihrer Entscheidung beachten,
       dass sie keine Anforderungen stellen, die das eigentliche Ziel
       durchkreuzen.
       
       Derzeit bürgt Deutschland bereits für Darlehen in Höhe von bis zu 143
       Milliarden Euro. Wollen Sie, dass so gewaltige Kreditentscheidungen
       wirklich ohne den Bundestag beschlossen werden? 
       
       Die Grundsatzentscheidung für jedes Paket muss jeweils vom Bundestag
       getroffen werden. Bei der Ausgestaltung haben Bundestag und Bundesregierung
       jedoch einen großen Spielraum. Diesen Spielraum sollte Karlsruhe
       respektieren.
       
       26 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Euro-Skeptiker ziehen vor Gericht: Der Klub der alten Kläger
       
       Joachim Starbatty und seiner Männercombo passt der Euro nicht. Deshalb
       klagen sie am Dienstag schon wieder vor dem Verfassungsgericht.
       
 (DIR) Vor Sparpaket-Abstimmung in Griechenland: Generalstreik angekündigt
       
       Am Mittwoch soll das Parlament über das neue Sparpaket abstimmen. Die
       Opposition – Konservative wie Kommunisten – glaubt nicht, dass Europa den
       Geldhahn zudreht.
       
 (DIR) Sparpaket in Griechenland: Papandreou ringt um Mehrheit
       
       Erst wenn das griechische Parlament das umstrittene Sparpaket beschlossen
       hat, soll das Land wieder frisches Geld erhalten. Die Mehrheit des
       Premierministers wackelt.
       
 (DIR) Kommentar Grüner Leitantrag zur Eurokrise: Staatstragend wie die CDU
       
       Wie beim Atomausstieg geht es den Grünen in der Eurokrise: Sie fordern nur
       das, was auch anderen Parteien einfällt. Ihnen fehlt das
       Alleinstellungsmerkmal.
       
 (DIR) Debatte Griechenland: Alle haben mitgefressen
       
       Die politische Lüge braucht ein Publikum, das sich belügen lässt: Die
       Mehrheit der "Empörten" in Athen und Thessaloniki gehört leider dazu.
       
 (DIR) EU und die Griechenland-Krise: Ohne Plan B
       
       Was passiert, wenn das griechische Parlament die Sparauflagen blockiert?
       Das Land wäre schon im Juli pleite. Doch die EU ignoriert dieses Szenario
       einfach.
       
 (DIR) Kommentar Griechenland-Krise: Das Sagen haben die Banken
       
       Nach der Finanzkrise sollten Banken nie wieder zu groß werden. Doch eine
       Krise weiter lassen sich die europäischen Staaten nach Strich und Faden von
       Banken erpressen.
       
 (DIR) Wirtschaftskrise in Griechenland: Ein Platz an der Sonne
       
       Die Finanzkrise hat den Unternehmer Emmanouel Kastanakis an den Rand des
       Ruins gebracht. Er plant den Neuanfang – im Ökoenergiesektor, ohne
       griechische Banken.