# taz.de -- Pirat zofft sich mit Antifas: Oberpirat soll abheuern
       
       > Mitglieder fordern Landeschef Semken zum Rücktritt auf. Der hatte sich
       > über den Umgang mit Neonazis in seiner Partei echauffiert. Die Reaktionen
       > findet er scheiße.
       
 (IMG) Bild: Hartmut Semken auf dem Landesparteitag der Piraten im Februar.
       
       Der Landesvorsitzende der Piratenpartei in Berlin, Hartmut Semken, muss um
       sein Amt bangen. Nach missverständlichen Äußerungen zur Abgrenzung seiner
       Partei nach Rechtsaußen fordern drei einflussreiche Berliner Piraten den
       Rücktritt des erst im Februar gewählten 45-Jährigen. Den Wählern sind die
       Zwistigkeiten offenbar egal: In Berlin steigen die Umfragewerte der Partei
       weiter aufwärts.
       
       In einem [1][offenen Brief] begründen der Abgeordnete Oliver Höfinghoff,
       der Parteistratege Stephan Urbach und Technikexperte Philip Brechler ihre
       Rücktrittsforderung damit, dass Semken „offensichtlich komplett
       überfordert“ sei. Semkens Äußerungen über Neonazigegner in der Partei seien
       „unterirdisch“. Man sei „sehr besorgt“ über den „Stresspegel“ des
       Parteichefs und über das Bild des Landesverbands, „vor allem in der
       Öffentlichkeit“.
       
       Semken hatte am Sonntag in einem Wutanfall Neonazigegner in seiner Partei
       kritisiert und in seinem [2][Blog] nachgelegt: „Es sind die ’rausschmeißen‘
       und ’wir müssen uns abgrenzen‘ immer-wieder-Herunterbeter, die das
       Naziproblem der Piraten darstellen.“ Jede "differenzierte Abgrenzung" werde
       "als 'zu wenig' diffamiert", beschwerte sich Semken.
       
       In der Piratenpartei tobt bereits seit Tagen bundesweit eine Debatte über
       den Ausschluss von rechten Mitgliedern. Auslöser war ein gescheitertes
       Parteiausschlussverfahren gegen Bodo Thiesen aus der Pfalz, der sich
       wohlwollend über Holocaustleugner und die deutsche Invasion in Polen 1939
       geäußert hatte. Zudem hatte sich die Jugendorganisation der Partei über
       Sexismus und Diskriminierungen beschwert.
       
       Die Diskussion wird auch in Berlin ausgetragen. Fraktionsmitglied
       Höfinghoff konstatiert hierbei ein „massives Problem“ bei den Piraten.
       Immer wieder würden rassistische Äußerungen "relativiert oder als
       Einzelfälle abgetan". Die Äußerungen von Semken hätten ihn „schockiert und
       einen Abgrund aufgetan". Höfinghoff fordert eine Mitgliederversammlung für
       eine Neuwahl.
       
       Semken schloss einen Rücktritt vorerst aus. Bis zum Bundesparteitag der
       Piraten am nächsten Wochenende wolle er „die Emotionen runterkühlen lassen“
       und dann entscheiden. Am Donnerstag forderten ein knappes Dutzend Piraten
       in einem [3][Vorstand/Schwertliste:Unterstützerbrief], dass Semken in
       seinem Amt verbleibt.
       
       Semken sagte, er habe nur die Methoden, mit denen gegen Neonazis
       vorgegangen werde, kritisieren wollen. „Menschenverachtung darf nicht mit
       Menschenverachtung bekämpft werden.“ Den Stil seiner Widersacher nannte
       Semken „menschlich ziemlich scheiße“, da sie ihn nicht persönlich
       angesprochen hätten.
       
       Piraten-Fraktionschef Andreas Baum wollte sich der Rücktrittsforderung
       nicht anschließen, kritisierte aber ebenso Semkens Äußerungen als
       "verworren und nicht hilfreich". „Er versucht an einer Stelle zu
       differenzieren, wo es eine klare Grenze braucht“, so Baum.
       
       Im Landesverband fremdeln nicht wenige mit Semken. Dass dieser gleich nach
       seinem Amtsantritt bekannte, über die Arbeit der Fraktion „nicht
       begeistert“ zu sein, kam nicht gut an. Auch sein bisweilen impulsives
       Auftreten wird kritisiert. Aber, so heißt es, ein Kandidat, der das Amt
       besser ausfüllen könne, dränge sich derzeit auch nicht auf. Eine
       Mitgliederversammlung ist dennoch nicht ausgeschlossen, es genügt bereits
       ein Antrag, den zehn Prozent der Berliner Piraten unterstützen.
       
       Die Wähler beeindruckt der Zoff nicht. Laut einer aktuellen
       Berlin-Trend-Umfrage für die Morgenpost landen die Piraten bei 14 Prozent –
       fünf Prozentpunkte mehr als bei der Wahl im September. Damit liegen die
       Piraten nur einen Prozentpunkt hinter den Grünen und klar vor der
       Linkspartei, die 10 Prozent erhält.
       
       Gero Neugebauer, Parteienforscher an der FU Berlin, sieht den Höhenflug
       weiter als Stimmung gegen die etablierten Parteien. Von den internen
       Auseinandersetzungen bei den Piraten wüssten die Befragten zumeist nichts,
       „und wenn doch, interessiert es sie nicht die Bohne“. Die Parteidiskussion
       um die Abgrenzung nach rechts sieht Neugebauer als Teil der
       Professionalisierung der Piraten. „Die Partei wird zunehmend gezwungen,
       Profil anzunehmen.“ Programmatisch sei sie aber schon jetzt für
       Rechtsextreme nicht kompatibel.
       
       19 Apr 2012
       
       ## LINKS
       
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