# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: „Blinde Gegnerinnen"
       
       > Turbine Potsdam ist schon wieder deutscher Meister im Frauenfußball.
       > Trainer Schröder schreibt das den Defiziten der Konkurrenz zu. Das Niveau
       > hat sich nach unten nivelliert.
       
 (IMG) Bild: Turbine-Potsdam-Spielerin Jennifer Zietz küsst die Meisterfelge.
       
       Hört! Hört! Nun werden beim Deutschen Fußball-Bund Loblieder auf Turbine
       Potsdam angestimmt. Auf den Verein, dessen Trainer Bernd Schröder immer so
       düstere Wolken in den schönen hellblauen DFB-Frauenfußballhimmel malt und
       dafür wie ein Aussätziger behandelt wird.
       
       Zum vierten Mal in Folge ist der Klub aus Brandenburg Deutscher Meister
       geworden. Steffi Jones, die DFB-Direktorin für Frauen-Fußball, flötete:
       „Das ist großartig, was der Bernd Schröder und generell Turbine Potsdam
       leisten.“ Und die DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg lobte in höchsten
       Tönen, es sei erstaunlich, wie Turbine es immer wieder schaffe, trotz
       zahlreicher Abgänge wieder ein gutes Team zusammenzustellen.
       
       Vollzählig war der Chor indes bei weitem nicht. Bundestrainerin Silvia Neid
       weilte in Essen, wo der VfL Wolfsburg nur noch minimale Außenseiterchancen
       auf den Titel hatte. Sie wollte ihrem Chefkritiker Schröder partout die
       Schale nicht persönlich herausrücken müssen. Und von der Männerriege des
       DFB war ohnehin niemand zu sehen.
       
       Die Statistikwerte von Turbine in dieser Saison sind makellos: die meisten
       Punkte, die meisten Tore, die wenigsten Gegentore und zudem stellte man
       noch die Torschützenkönigin dieser Spielzeit: Genoveva Anonma, die
       Stürmerin aus Äquatorialguinea, erzielte 22 Treffer. Bedenkt man, dass der
       Verein vergangenen Sommer neben der Ausnahmespielerin Fatmire Bajramaj noch
       sechs weitere Leistungsträgerinnen ersetzen und im Winter den Abgang der
       Nationalstürmerin Anja Mittag verschmerzen musste, erstaunt dieser Titel
       schon.
       
       ## Exodus der Nationalspielerinnen
       
       Erfährt man zudem noch, welch große atmosphärische Störungen innerhalb des
       Teams bewältigt werden mussten – unter anderem weil mit Babett Peter,
       Bianca Schmidt und Viola Odebrecht erneut drei Nationalspielerinnen ihren
       Abschied aus Potsdam verkündeten –, dann kann man Turbines sportliche
       Entwicklung schon richtig dufte finden. Dem können sich die dogmatischen
       Positivdenker beim DFB auch nicht entziehen.
       
       Aber so einfach lässt sich der blaue DFB-Himmel nicht über das Haupt von
       Bernd Schröder ziehen. Trotz aller Lobhudeleien stellte Schröder bereits
       vergangene Woche fest: „Wenn man vier Jahre hintereinander mit jeweils
       völlig unterschiedlichen Mannschaften Meister wird, müssen die anderen ganz
       schön blind sein.“
       
       Der Erfolg von Turbine sei nicht auf die eigene heroische Leistung
       zurückzuführen, sagte der 69-Jährige, sondern maßgeblich auf die
       Ineffizienz der Konkurrenz. Schröder, dem vor der Saison etwas bange zumute
       war, ob ihm nicht die viele Kritik, die er während der WM geübt hatte, auf
       die eigene Füße fallen könnte, ist sichtlich erleichtert. Einmal mehr kann
       sich der Querdenker bestätigt fühlen.
       
       ## Frankfurter Weltauswahl ohne Spielidee
       
       In der Liga jubilierte man zuletzt darüber, dass der Meisterschaftskampf so
       spannend war wie nie zuvor. Bis kurz vor dem Saisonende konnten sich noch
       vier Teams Hoffnungen auf den Titel machen. Es hat eine Nivellierung an der
       Spitze stattgefunden – leider aber eine nach unten. Der Titelgewinn von
       Turbine ist nach dem Scheitern der deutschen Elf bei der WM ein weiterer
       Beleg für die ins Stocken geratene sportliche Entwicklung des hiesigen
       Frauenfußballs.
       
       Jetzt muss sich die Bundesligakonkurrenz fragen, wieso man dem fragilen
       Gebilde aus Potsdam nichts entgegenzusetzen hatte. Insbesondere beim 1. FFC
       Frankfurt, wo man vor der Saison triumphierte, eine „kleine Weltauswahl“
       zusammengestellt zu haben, mangelt es an einer Idee. Der Glaube, die
       Verpflichtung der besten Einzelspielerinnen führe zum Erfolg, ist
       vorgestrig. Die Japanerinnen haben bereits bei der WM gezeigt, dass der
       Wettbewerb um die besseren Konzepte auch im Frauenfußball längst läuft.
       
       29 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
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