# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Loden-Kalle und die Schwadroneure
       
       > Bei seiner Kritik an den Kritikern erweist sich Karl-Heinz Rummenigge als
       > Analytiker. Der Vorstandschef des FC Bayern ist ein diskursiv veranlagter
       > Mann.
       
 (IMG) Bild: Das Rummenigge-Theorem: „Man muss einmal im Leben beim FC Bayern gespielt haben, dann ist man qualifiziert als Experte.“
       
       Jetzt, wo der Sommer sich unweigerlich dem Ende zuneigt und die Nacht schon
       am Abend ihr hässliches Gesicht zeigt, ist es an der Zeit, in den
       Kleiderschrank zu schauen. Der eine wird sicher ordentliche Wollmäntel zur
       Hand haben, robuste Kleidung für den Herbst und Winter, zweckmäßig, doch
       alles in allem nicht sonderlich elegant. Wie als sollen wir den
       Herausforderungen der Witterung angemessen begegnen?
       
       Karl-Heinz Rummenigge, der gut aussehende Vorstandschef des FC Bayern, löst
       solche Fragen natürlich wie immer stilecht und souverän. Er schlüpft in den
       Lodenmantel, und wie jedes Jahr um diese Zeit verleiht ihm das
       Kleidungsstück wundersame Kräfte. Die Gedanken, die Rummenigge in manchen
       Augenblicken hegt, sind nicht immer leicht nachzuvollziehen. Aber das nimmt
       ihnen nichts von ihrer Brillanz.
       
       Nachdem Loden-Kalle schon vor Jahren die weltweite Herrschaft der Scharia
       voraussah (die Fifa könne nicht „par ordre de mufti“ verfügen) und sich
       damit als echter, wenngleich dankenswerterweise bartloser Prophet erwies,
       hat er sich nun der Kritiker des FC Bayern angenommen – und für ein
       Lehrstück in der Unterscheidung von Selbst- und Fremdwahrnehmung gesorgt.
       
       Rummenigge, ein diskursiv veranlagter Mann, der ganz im Gegensatz zu
       anderen Propheten nichts dagegen hat, wenn man ihn ablichtet, widmete sich
       Thomas Berthold der öffentlich den Frevel begangen hatte, Zweifel an der
       Transferpolitik der Bayern zu formulieren. Rummenigge aber konterte den
       Kritiker im Stadionheft seines FC Bayern München gnadenlos aus.
       
       ## „Martinez ist Gold wert“
       
       Denn zum einem stellte er klar, was notwendig sei, um Kritik formulieren zu
       dürfen: „Grundvoraussetzung ist ja: man muss einmal im Leben beim FC Bayern
       gespielt haben, dann ist man qualifiziert als Experte.“ Doch dann setzte er
       sich auch mit dem Gehalt der Kritik auseinander: „Teilweise haben sich
       Analytiker in Sachen Martinez selbst analysiert. Der frühere
       Weltklasse-Fußballer Thomas Berthold, der zu seiner Zeit bei Bayern München
       die Massen in Ekstase versetzte, wusste am 27. August: ’Martinez ist zu
       teuer!‘ Fünf Tage später analysierte er seine Analyse und wusste plötzlich:
       ’Martinez ist Gold wert!‘“
       
       Rummenigge gelingt hier in wenigen Sätzen Bemerkenswertes. Denn zum einen
       schafft er es, den Kritiker in einen unauflösbaren Widerspruch zu
       verwickeln, so dass das Ende der Auseinandersetzung zu Gunsten des
       Vorstandsvorsitzenden bereits jetzt abzusehen ist. Er müsste also gar nicht
       mehr nachlegen, um den Berthold und Co. den Knockout zu versetzen („Mich
       würde auch interessieren, was das Fanorakel von den Thesen Oliver Kahns
       hält.“).
       
       ## Bajuwarische Fatwa
       
       Nein, er bedient sich auch eines Motivs aus der Romantik, um die Absurdität
       der Anwürfe zu verdeutlichen: das des Doppelgängers. Denn Rummenige stellt,
       freilich nur indirekt, die Frage: Was würde wohl der Experte Berthold vom
       Experten Berthold halten? Die Antwort ist freilich schon gegeben – denn
       Rummenigge traut Berthold die Fähigkeit zur Selbsteinsicht nicht zu.
       
       Andererseits hält er Berthold den Spiegel vor, was auch für andere
       Pappkameraden eine abschreckende Wirkung haben dürfte. Insofern hat
       Rummenigge zwar ganz bewusst keine bajuwarische Fatwa ausgesprochen, doch
       er hat verdeutlicht, was Schwadroneuren wie Berthold, Effenberg und Kahn
       blüht, wenn sie sich mit ihm anlegen. Und ganz nebenbei hat er noch eine
       verführerische Frage aufgeworfen: Was würde der Vorstandschef Karl-Heinz
       Rummenigge vom Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge halten?
       
       21 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Osterhaus
       
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