# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Was meint Oliver Kahn?
       
       > Der Pokal hat keine eigenen Gesetze – er weist bloß nach, wie wichtig der
       > Faktor Glück im Fußball immer noch ist. Oliver Kahn hat das noch nicht
       > verstanden.
       
 (IMG) Bild: Hat Edelsteine und einen Goldüberzug, aber keine eigenen Gesetze: DFB-Pokal.
       
       Was wäre der Fußball ohne seine Axiome. Eines der beliebtesten: Der Pokal
       besitze seine eigenen Gesetze. Übersetzt: Profiklubs fliegen
       unerklärbarerweise raus gegen niederklassige Dorfvereine. Man nennt das
       dann „Pokalüberraschung“. Oder, wenn ein Erstligist gegen einen sogenannten
       Amateurverein aus Liga vier oder darunter ausgeschieden ist, auch
       „Pokalsensation“. Neueste Indizien für das Gesetz von den eigenen Gesetzen
       lieferte zuhauf die erste Runde im DFB-Pokal.
       
       Tatsächlich haben sich bereits sechs Vertreter der 1. Bundesliga aus dem
       Wettbewerb verabschieden müssen. Selbst wenn Bayern München gestern Abend
       (nach Redaktionsschluss) wider Erwarten Jahn Regensburg bezwungen haben
       sollte, ist doch bereits ein Drittel der deutschen Eliteliga im Pokal
       gescheitert. Und das zum Teil erbärmlich: Aufsteiger Eintracht Frankfurt
       blieb beim 0:3 gegen den Zweitligisten Aue ebenso chancenlos wie Hoffenheim
       beim 0:4 gegen den viertklassigen Berliner AK 07. So schlecht, haben die
       Fußballhistoriker schnell ermittelt, hat die 1. Liga seit 1987 nicht mehr
       abgeschnitten im Pokal.
       
       Doch seien wir ehrlich: Es gibt keine Gesetze, die nur im Pokal nicht
       beachtet werden. Es gibt vielleicht ein paar Profis, die ihre Gegner
       unterschätzen, aber der entscheidende Unterschied ist: In der Liga fallen
       die überraschenden Ergebnisse in der Tabellenendabrechnung einer langen
       Saison nicht mehr so auf.
       
       Das einzige Gesetz, das im Fußball immer gilt: Man weiß nicht, wie’s
       ausgeht. Tatsächlich bezieht der Fußball zu einem wesentlichen Teil seinen
       Reiz daraus, dass er unvorhersehbarer ist als die meisten anderen
       Mannschaftssportarten. Das liegt zum einen an der Leistungsdichte in diesem
       Sport, der nahezu überall auf der Welt die Nummer eins ist. Zum anderen an
       den wenigen Toren, die fallen und entsprechend entscheidend sind: Im
       Basketball ist es schwierig, sich 40 Minuten reine Spielzeit hinten
       reinzustellen und mit einem Kontertreffer das Spiel zu gewinnen.
       
       ## Nicht kleinzukriegen, dieses Glück
       
       Wenn also diese erste DFB-Pokalrunde etwas bewiesen hat, dann nicht, dass
       hier eigene Gesetze herrschen, sondern nur, dass Oliver Kahn ziemlichen
       Blödsinn redet. Die von ihm angestoßene Diskussion, dass es der
       Nationalmannschaft an den entscheidenden Prozenten Willenskraft mangeln
       würde, um Titel zu gewinnen, ist fachlich ähnlich substanziell wie die
       Klage der Springer-Medien, das EM-Halbfinalaus sei damit zu erklären, zu
       wenige Nationalkicker hätten die Hymne mitgesungen.
       
       Tatsächlich ist es doch so: Zwar wird nichts unversucht gelassen, den
       Faktor Glück im Fußball mit Trainingsmethodik und Scouting, Mentaltraining
       oder Taktikanalysen einzudämmen. Aber nicht nur der Pokalwettbewerb beweist
       immer wieder, dass er zwar immer kleiner, aber eben nicht vollkommen
       kleinzukriegen ist, dieser Faktor.
       
       Nur mal angenommen: Hätte Pirlo den Schuss von Hummels im EM-Halbfinale
       nicht von der Linie gekratzt? Oder wäre Balotelli der Ball vom Spann
       gerutscht? Würden wir dann übers Singen diskutieren? Über Willen? Nein, wir
       würden über Wichtigeres sprechen. Zum Beispiel darüber, ob es statthaft
       ist, Oliver Kahn mit Gebührengeldern dafür zu bezahlen, Nonsens zu
       erzählen.
       
       20 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fußball
       
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