# taz.de -- Diskussion um neues Wahlrecht: Starke Verhandlungsposition
       
       > Die Union kann gelassen in die Diskussion über ein neues Wahlrecht gehen.
       > Die Opposition kann ihr nicht mehr mit einer Verfassungsklage drohen.
       
 (IMG) Bild: Wählen ist doch eigentlich eine feine Sache.
       
       FREIBURG taz | Die CDU/CSU ist mit dem Urteil aus Karlsruhe nicht
       unzufrieden. Ihre Verhandlungsposition bei der Schaffung eines neuen
       Wahlrechts ist stark, denn sie kann es auch mit einfacher schwarz-gelber
       Mehrheit beschließen.
       
       Anders als von SPD und Grünen beantragt, hat das Bundesverfassungsgericht
       am Mittwoch nicht die Neutralisierung aller Überhangmandate verlangt. Das
       Gericht sieht bis zu rund 15 derartiger Mandate auch ohne Ausgleich als
       verfassungsrechtlich zulässig an. So kann die Opposition nicht mehr mit
       einer Verfassungsklage drohen, um die Abschaffung der Überhangmandate
       durchzusetzen.
       
       Die Union hat derzeit das Interesse, möglichst viele unausgeglichene
       Überhangmandate zu bewahren. Denn bei der letzten Bundestagswahl gingen
       alle 24 Überhangmandate an die Union. Sie entstehen, wenn eine Partei mehr
       Direktmandate in den Wahlkreisen eines Bundeslandes gewinnt, als ihr dort
       nach Zweitstimmen prozentual zustehen.
       
       Nach der Urteilsverkündung erklärte CDU-Fraktionsvize Günter Krings, dass
       er den von Karlsruhe geforderten Teilausgleich der Überhangmandate gut
       findet. „Wir haben das der Opposition letztes Jahr angeboten, aber sie
       beharrte auf einem vollständigen Ausgleich.“ So blieb auch die Union stur,
       verzichtete ganz auf einen Ausgleich.
       
       ## Ein Kompromiss wird kommen
       
       Allerdings ist es guter Stil, sich im Parlament mit der Opposition auf ein
       neues Wahlgesetz zu einigen. Die Union wird deshalb wohl nicht auf 15
       unausgeglichenen Überhangmandate bestehen, sondern einen Kompromiss bei zum
       Beispiel 10 derartigen Mandaten ins Auge fassen.
       
       Die CDU/CSU wird dazu natürlich mit den Nachteilen der Modelle der
       Opposition argumentieren. Ein vollständiger Ausgleich der Überhangmandate
       durch Vergabe von Ausgleichsmandaten an die anderen Parteien etwa würde den
       Bundestag aufblähen, zu einigen Dutzend zusätzlichen Sitzen führen. Das
       wollen die Grünen vermeiden, die vorschlagen, die Überhangmandate der CDU
       mit Listenmandaten der CDU in anderen Bundesländern zu verrechnen. Das aber
       brächte föderale Verzerrungen mit sich. Die CDU hätte dann sehr viele
       Abgeordnete in Baden-Württemberg, aber keinen einzigen mehr in Bremen.
       
       Knifflig wird bei einem Teilausgleich die Frage, welche Mandate
       ausgeglichen werden und welche nicht. Dabei geht es nicht nur um
       Parteiinteressen, sondern um den föderalen Proporz.
       
       Und vor allem müssen „negative Stimmgewichte“ vermieden werden, bei denen
       jemand mit der Stimme für seine präferierte Partei dieser schadet. Das
       Verfassungsgericht ist bei diesen Effekten inzwischen sehr kleinlich. Das
       aber ist kein Argument für die völlige Neutralisierung der Überhangmandate,
       denn „negative Stimmgewichte“ drohen immer und überall – wenn das Wahlrecht
       etwas komplexer ist.
       
       26 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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