# taz.de -- Greenwashing mit Krombacher: Die Ökospur der Kronkorken
       
       > Saufen für den Regenwald: Seit zehn Jahren will Krombacher mit Hilfe des
       > WWF die Umwelt schützen, es ist die erfolgreichste Öko-Imagekampagne.
       > Alles nur Greenwashing?
       
 (IMG) Bild: Jede Flasche rettet ein Stück Wald. Sagen sie.
       
       PALANGKA RAAYA/BERLIN taz | Kronkorken kommen nicht nur mit Gerstensaft,
       sondern liefern auch ein gutes Gewissen: Für jede Flasche wird in
       Indonesien ein Quadratmeter Klimaschutz finanziert. Die aggressive Werbung
       ist die Fortsetzung des erfolgreichen Marketingklassikers „Krombacher
       Regenwald-Projekt“.
       
       Seit zehn Jahren fließen nicht nur das Bier, sondern auch die
       Sponsorengelder an den Umweltverband WWF in Strömen. Und die Frage lautet
       immer noch: Ist das Greenwashing? Oder innovative Finanzierung von
       Klimaschutz?
       
       Franz-Josef Weihrauch steht bis zu den Knien im Matsch. Der Pressesprecher
       des Krombacher-Brauerei inspiziert das Klimaschutzprojekt im
       Sebangau-Nationalpark im Süden Borneos. Hier wurde der Regenwald gerodet
       und somit eine gigantische Quelle für Klimagase geschaffen.
       
       Jetzt aber ist der Sumpf die Szenerie für die größte und bekannteste
       Umwelt- und Werbeaktion in Deutschland, und Weihrauch präsentiert sie stolz
       einer Gruppe deutscher Journalisten. Krombacher, die Nummer eins beim
       deutschen Pils, und der WWF, die Nummer eins beim Ökospendensammeln, wollen
       gemeinsam das Klima schützen. Und ihr Image aufpolieren. Beides ist
       dringend notwendig.
       
       Einen Deckel auf die CO2-Moore in Indonesien zu legen, ist relativ einfach
       und billig. Die Umweltschützer haben mit dem Sponsorengeld „etwa 500 Dämme
       in den Entwässerungskanälen gebaut“, sagt Adventus Panda vom WWF
       Indonesien, „und den Wasserpegel wieder um einen Meter gehoben“.
       
       ## Eine Tonne CO für 1,50 Euro
       
       Mehr Wasser heißt weniger CO2-Emissionen, weil der Torfboden den
       gespeicherten Kohlenstoff dann festhält. Bisher sind das nach
       WWF-Berechnungen 260.000 Tonnen. Und das zu einem unschlagbaren Preis: Die
       vermiedene Tonne CO2 in Sebangau kostet etwa 1,50 Euro. Im europäischen
       Emissionshandel zahlt man dafür sieben Euro, bei Wärmedämmung an Fassaden
       etwa 50 Euro. Um diesen Effekt fürs Klima sicher belegen zu können, leisten
       sich WWF und Krombacher ein teures Zertifizierungsverfahren vom deutschen
       TÜV.
       
       Für Moor-Experten ist Wiedervernässung von Mooren „eine der günstigsten
       Klimaschutzmaßnahmen“. Lokale Umweltschützer kritisieren, dass die
       Bevölkerung keinen freien Zugang zum Nationalpark mehr hat, aber den Nutzen
       für das Klima bezweifeln sie nicht.
       
       Über dem WWF Deutschland geht durch die Kooperation mit dem Bierbrauer seit
       zehn Jahren ein warmer Geldregen nieder. Sechs Millionen Euro haben die
       Brauer aus dem Siegerland als Klimadividende bisher gespendet, und beide
       Seiten sind sehr zufrieden. Die Kooperation begann 2002 in Zentralafrika.
       Im Dzanga-Shanga-Gebiet, so warb damals Showstar Günther Jauch, wurde für
       jeden verkauften Kasten Krombacher ein Quadratmeter Regenwald geschützt.
       
       Für die Bierbrauer ein Erfolg, der sich in ihren Absatzzahlen ausdrückt:
       „Wir sind gegen den Trend im Markt gewachsen“, sagt Weihrauch. „Und unsere
       Werte bei Authentizität, Sympathie und Glaubwürdigkeit sind deutlich
       gestiegen.“ Der Imagetransfer vom Panda zum Bier hat gut funktioniert.
       Wegen des großen Erfolgs gibt es seit 2011 jetzt das Projekt in Indonesien,
       wo Klimaschutz dringend nötig und deutlich billiger ist: Hier gibt es einen
       Quadratmeter Klimaschutz schon pro Flasche.
       
       ## „Klassisches Greenwashing“
       
       Bei anderen Projekten achtet der WWF darauf, dass sich die Unternehmen auch
       zu Ökomaßnahmen im eigenen Haus verpflichten. Bei Krombacher war man da
       großzügiger. Als das Projekt vor zehn Jahren startete, war es eine reine
       Imagekampagne. „Klassisches Greenwashing“, sagt Jana Gebauer vom Institut
       für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin, die sich auf
       Nachhaltigkeitspolitik von Unternehmen spezialisiert hat.
       
       Der Werbung standen keine Öko-Anstrengungen des Bierbrauers gegenüber. Aber
       dann begann das Greenwashing das Unternehmen grün durchzuspülen. „Wir sind
       da damals ganz schön blauäugig rangegangen“, gibt auch Krombacher-Sprecher
       Weihrauch zu. Sobald nämlich das grüne Image beworben wurde, seien
       zehntausende Briefe und E-Mails ins Haus gekommen: „Was macht Ihr
       eigentlich für die Umwelt in Eurem Unternehmen?“
       
       Da fehlten ihnen erst mal die Antworten. Jetzt kann Weihrauch liefern: Die
       Brauerei setzt auf Mehrweg statt auf Dosen; sie hat einen Ökofußabdruck für
       ihr Bier errechnet und auf Ökostrom umgestellt, und sie hat einen
       „Nachhaltigkeitsrat“ mit externen Experten berufen. Das alles steht im
       ersten „Nachhaltigkeitsbericht“, den die Brauerei 2011 vorgelegt hat.
       
       Ziemlich spät, findet Jana Gebauer. „Für einen Einsteiger aber ganz gut“,
       sagt die Expertin. „Allerdings ergeben die Angaben noch kein Bild, wie das
       gesamte Unternehmen Richtung Nachhaltigkeit steuert.“ Auch zur
       Verantwortung gegenüber den Beschäftigten werde nicht viel gesagt. Und
       warum setze die Brauerei nicht auf Ökorohmaterial?
       
       ## Vom Marketingtrick zum Strukturwandel
       
       „Wir brauchen 90.000 Tonnen Gerste im Jahr, die bekommen Sie nicht in
       Ökoqualität“, sagt Weihrauch. „Krombacher könnte ja als Nachfrager
       auftreten und den Markt dafür schaffen“, kontert Gebauer. Positiv ist für
       sie allerdings, wie das Klimaschutz-Engagement vom Marketingtrick zum
       Strukturwandler für das Unternehmen geworden ist. „Das war und ist ein
       langer Lernprozess.“
       
       Auch für den WWF. Am Tag nach dem Besuch im Sebangau erreicht die WWF-Crew
       in Indonesien die Nachricht vom Skandal um den spanischen König Juan
       Carlos, der als WWF-Ehrenvorsitzender auf Elefantenjagd war. Und drei Tage
       später erscheint in Deutschland das „Schwarzbuch WWF“ (siehe Kasten). Beide
       Skandale verdeutlichen die Kritik an den Umweltschützern mit dem Panda im
       Logo: Ihre traditionelle Nähe zu Geld und Adel und ihre engen Verbindungen
       mit Großkonzernen.
       
       Christoph Heinrich, beim WWF Deutschland Geschäftsleiter Naturschutz,
       verteidigt die WWF-Geschäftspolitik, mit Unternehmen zum Wohl der Umwelt zu
       kooperieren. Wer wirklich etwas verändern wolle, schaffe das nur mit den
       Unternehmen, nicht gegen sie. „Und der Vorwurf, wir seien zu
       wirtschaftsfreundlich, galt vielleicht in der Vergangenheit, heute aber
       nicht mehr“, sagt Heinrich. „Im Gegenteil: Wir stören den Export der
       indonesischen Papierkonzernen APP und APRIL nach Deutschland, weil sie sich
       hier nicht an die Regeln halten.“
       
       ## Runder Tisch statt Protest
       
       Außerhalb des Sebangau-Projekts muss sich der WWF in Indonesien viel Kritik
       anhören. Überall roden große Konzerne den Regenwald für Palmölplantagen,
       oft vertreiben sie die Einheimischen mit Gewalt und dezimieren die
       Orang-Utan-Bestände. Während die lokale Umweltorganisation Walhi,
       Greenpeace oder Robin Wood zum Widerstand aufrufen und schon mal die
       Konzernzentralen blockieren, hat der WWF den „Runden Tisch für nachhaltiges
       Palmöl“ ins Leben gerufen, an dem auch die Regenwaldkiller sitzen.
       
       „Die einzige Chance, Schlimmeres zu verhüten“, sagt Heinrich. „Der WWF
       kooperiert mit den Firmen, die den Wald zerstören“, sagt Arie Rompas von
       Walhi. „Er hilft ihnen, ihre Produkte grünzuwaschen.“ Genau das Gegenteil
       wirft wiederum die Palmöllobby dem WWF vor: Die Organisation World Growth
       warnt, der WWF fordere in seiner Strategie zur „Grünen Wirtschaft“ den
       Vorrang für Umweltschutz vor Arbeitsplätzen und Wachstum durch den
       „Missbrauch“ von nachhaltigen Standards wie dem „Runden Tisch“.
       
       Auch in der deutschen Umweltszene gibt es Stimmen, die den WWF bei manchen
       Themen eher an der Seite der Industrie als der Umweltverbände sehen. Für
       Peter Gerhardt von Robin Wood etwa ist „der Runde Tisch mit dem Konzern
       Wilmar, der wegen der Verletzung von Menschenrechten im Blut watet, eine
       Grenzüberschreitung.“
       
       ## Industriefreundliche WWF-Position
       
       2009 verließen Vertreter von Greenpeace, BUND und Robin Wood unter Protest
       einen internen Koordinierungskreis der Umweltverbände, weil ihnen die
       WWF-Position zu industriefreundlich war. Und im NGO-Netzwerk Forest
       Movement Europe werden die WWF-Vertreter schon mal vor die Tür geschickt,
       wenn es um sensible Absprachen geht.
       
       Ein Imageproblem hat derzeit der WWF, nicht Krombacher. Da freuen sich die
       Naturschützer über einen Partner, der nicht nur verlässlich Geld gibt,
       sondern auch selbst ein bisschen grüner wird. Mit dem Vorzeigeprojekt
       Sebangau wirbt der WWF großflächig in seinem Jahresbericht.
       
       Der Krombacher-Geschäftsführer lobt darin, das „faszinierende
       Naturschutzprojekt“ sei ein „Meilenstein für modernes Marketing“. In der
       Tat: Der Imagetransfer funktioniert in beide Richtungen: Erst hat der Panda
       den Brauern geholfen, ihr Bier grün erscheinen zu lassen. Jetzt hilft der
       Sponsor mit seinem Projekt den Umweltschützern, Kritik am Panda zu kontern.
       
       ## „CO nur in der Kohlensäure“
       
       Krombacher jedenfalls denkt schon an die nächste Runde im grünen Marketing.
       Die Einsparungen im indonesischen Moor sollten locker reichen, um die
       Bierproduktion in Siegerland klimaneutral zu machen, frei nach dem Motto:
       „CO2 gibt’s bei uns nur in der Kohlensäure“. Und der WWF hat erst recht ein
       Motiv, die lukrative Krombacher-Connection fortzuführen. Von seinen
       Spendern fühlt er sich bei seinem Kuschelkurs mit der Industrie bestätigt.
       
       Als im letzten Jahr die Vorwürfe gegen den WWF laut wurden, verlor er in
       Deutschland etwa 2.000 von 430.000 Unterstützern. Aber die Einnahmen waren
       2011 mit gut 50 Millionen Euro so hoch wie noch nie. Viel Geld. Aber immer
       noch zehn Millionen weniger als der Werbeetat von Krombacher.
       
       22 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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