# taz.de -- Zeitungskrise in Großbritannien: Der Scheinriese
       
       > Die britische Zeitung „Guardian“ hat eine der meistbesuchten Webseiten
       > der Welt. Trotzdem macht sie Verluste und will Mitarbeiter entlassen.
       
 (IMG) Bild: Ist der „Guardian“ auch vom Zeitungssterben bedroht?
       
       Beim Guardian sind sie mächtig stolz darauf, die drittgrößte
       Tageszeitungswebsite der Welt zu betreiben. Mehr als 30 Millionen Nutzer
       hatte [1][guardian.co.uk] im Juni 2012 rund um den Globus.
       
       Doch zuhause, in Großbritannien, läuft es nicht gut: So wie die Auflagen
       sämtlicher britischer Tageszeitungen fällt auch die des Guardian: auf knapp
       205.000 Exemplare täglich. 2008 lag sie noch bei knapp 380.000. Allein von
       2011 bis 2012 verlor der Guardian 12 Prozent der Auflage.
       
       Im August meldete die Guardian Media Group (GMG), der Medienkonzern, zu dem
       der Guardian gehört, gut 92 Millionen Euro Verlust für das Finanzjahr
       2011/2012. Nun wird das Sparen forciert: GMG kündigte an, sich intensiver
       mit einem Plan aus dem Vorjahr zu beschäftigen, der bis 2016 30 Millionen
       Euro einsparen soll. Im Juli 2012 hatte GMG versucht, etwa 100 Angestellte
       des Zeitungsverlags Guardian News & Media loszuwerden. Sie sollten gegen
       eine Abfindung freiwillig ausscheiden.
       
       Das Ziel: jährlich 8,5 Millionen Euro sparen. Weil sich bis Oktober 2012
       nur etwa 30 Angestellte auf das Angebot einlassen wollten, wiederholte
       Guardian News & Media den Aufruf im Dezember. Allerdings mit detaillierten
       Informationen, wie viele Mitarbeiter aus den jeweiligen Ressorts
       verschwinden sollten. Ein Warnschuss des Arbeitgebers.
       
       Im gleichen Monat befragte der britische Journalistenverband National Union
       of Journalists (NUJ) seine Mitglieder bei Guardian News & Media (90 Prozent
       der etwa 650 Angestellten), ob sie potenzielle Aktionen, zum Beispiel
       Streiks, gegen forcierte Entlassungen befürworten würden. 400 stimmten mit
       Ja. Ein Warnschuss der Belegschaft.
       
       ## Linke Pressestimme
       
       Die Entwicklung ist besorgniserregnd, denn der Guardian ist neben dem der
       Labour-Partei treuen Daily Mirror (Auflage: 1,07 Millionen täglich) und dem
       kommunistischen Morning Star (Auflage: 30.000) die linke Pressestimme
       Großbritanniens. Der Guardian deckte vor knapp zwei Jahren unter anderem
       den sogenannten Phone-Hacking-Skandal auf – die Abhörmethoden der News of
       the World aus dem Hause des Medienmagnaten Rupert Murdoch.
       
       Das führte zur Bildung der nationalen Leveson-Kommission über
       Ethikstandards in der Presse. Auch sonst berichtet der Guardian wie kaum
       ein anderes Blatt investigativ und sozial engagiert. Doch wie lange hält er
       das finanziell noch durch?
       
       Der Mutterkonzern GMG beruhigt. Vorstandschef Andrew Miller behauptet, die
       Kapitalanlagen der GMG würden den derzeitigen Betrieb vorerst absichern.
       Laut dem letzten Finanzbericht (2011/2012) beträgt GMGs Barguthaben 310
       Millionen Euro.
       
       Ehemalige Guardian-Redakteure machen für die Krise der Zeitung auch
       Chefredakteur Alan Rusbridger verantwortlich. Rusbridgers setze auf eine
       Strategie des „Open Internet“, erklärt ein früherer Guardian-Redakteur: Um
       die sinkenden Einnahmen der gedruckten Zeitung über Einnahmen aus dem
       Netzauftritt auszugleichen, soll der Guardian online so populär werden,
       dass Werbestrategen weltweit ihn nicht mehr ignorieren können.
       Bezahlschranken für Texte gibt es demnach nicht, die stünden der Expansion
       im Wege.
       
       Obwohl die Einnahmen der digitalen Version des Guardian im letzten
       Finanzjahr um 16,3 Prozent auf 55 Millionen Euro angestiegen sind, bleibt
       das eine gewagte Strategie. Zum Vergleich: die New York Times, die bis dato
       populärste Zeitung im Internet, hat im März 2011 eine Paywall eingeführt.
       18 Monate später verbuchte sie 566.000 zahlende Onlineleser, was die
       Verluste der Times-Druckausgabe nach eigenen Angaben ausgleicht.
       
       ## Online auf Kosten von Print
       
       Auch GMG behauptet, seine digitalen Einnahmen deckten den Großteil der
       Verluste der Druckversion. Doch die Online-Investitionen, beklagt ein
       ehemaliger Redakteur, gingen auf Kosten der gedruckten Ausgabe. Zudem
       kritisiert er die Lohnverteilung: zu viel fürs Management, zu wenig für die
       Angestellten.
       
       Vor einem Jahr erklärte Chefredakteur Rusbridger zwar, dass er freiwillig
       sein Gehalt um zehn Prozent kürze, von 535.000 auf 480.000 Euro, doch der
       Journalistengewerkschaft NUJ ist das nicht genug. Sie schlug im Herbst vor,
       der Guardian solle alle Exekutivgehälter auf jährlich knapp 122.000 Euro
       begrenzen.
       
       Der Guardian wird wohl kaum um Kündigungen herumkommen, das erste Mal in
       seiner Geschichte. Für Dominic Ponsford, Chefredakteur des britischen
       Medienbeobachters Press Gazette, steht der Guardian aber trotzdem relativ
       gut da: „Auch mit 100 Journalisten weniger hätte der Guardian mehr
       redaktionelle Mitarbeiter als der Daily Telegraph und zweimal so viel wie
       der Independent. 
       
       „Der Guardian habe genügend finanzielle Mittel, um in Zukunft abgesichert
       zu sein, sagt Ponsford, die Marke sei sehr stark. Die Guardian Media Group
       müsse allerdings „mehr Geld aus der Onlinepräsenz herausholen.“
       
       Könnte es sein, dass die Zeitung bald nur noch online erscheint? GMG
       dementiert das. Vorstandschef Andrew Miller kraftmeiert: „Der Guardian
       wuchs von neunter Stelle in Großbritannien zur drittmeistgelesenen Zeitung
       der Welt“, sagt er. Dies sei „ein Beweis für die Stärke und Breite eines
       globalen Markennamens in einer Zeit enormer Veränderungen“.
       
       Fachleute aus der Werbeindustrie sagen allerdings, dass internationale
       Werbekonzerne gerade online eine große Auswahl von Orten und Medien für
       ihre Anzeigen und Kampagnen haben. Zeitungen seien da vergleichsweise
       teuer.
       
       13 Jan 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://guardian.co.uk
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn
 (DIR) Daniel Zylbersztajn
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Zeitungskrise
 (DIR) Zeitungssterben
 (DIR) Guardian
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) Online
 (DIR) Print
 (DIR) Schwerpunkt Zeitungskrise
 (DIR) Spanien
 (DIR) Zeitung
 (DIR) Paywall
 (DIR) Murdoch
 (DIR) Süddeutsche Zeitung
 (DIR) taz
 (DIR) Schwerpunkt Zeitungskrise
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Neue Printzeitung in England: Täglich ein neuer Tag
       
       „The New Day“ ist die erste Printzeitungsneugründung in England seit 30
       Jahren. Die letzte war ausgerechnet der „Independent“ – der nun eingestellt
       wird.
       
 (DIR) Zeitungskrise in Spanien: Unabhängige Nachrichten gefragt
       
       Spaniens Tageszeitungen verlieren das Vertrauen ihrer Leser – auch weil sie
       den Sparkurs aus Brüssel verteidigen. Neue Projekte haben eine Chance.
       
 (DIR) US-Zeitung „San Francisco Chronicle“: Schnell mal das Internet lernen
       
       Ab zum Drill: Der „San Francisco Chronicle“ zwingt alle Mitarbeiter zur
       Fortbildung, um Social Media zu lernen. Das soll die Traditionszeitung
       retten.
       
 (DIR) „New York Times“ und Starbucks: Digitale Zeitung auf dem Kaffeetisch
       
       Kunden der Café-Kette können die Paywall der Zeitung überwinden. Die
       Verbindung von Netzzugang und Inhalten stellt in Deutschland bislang
       niemand her.
       
 (DIR) News Corp übernimmt Pay-TV-Sender: Murdoch sichert sich Sky Deutschland
       
       Der australische Medienunternehmer übernimmt die Aktienmehrheit beim
       Bezahlkanal, der die Bundesligarechte hält. Frisches Geld ist damit
       garantiert.
       
 (DIR) Gedankenspiel um „SZ“ und „FR“: Ist noch Platz da?
       
       Die „Süddeutsche Zeitung“ soll an Teilen der „Frankfurter Rundschau“
       interessiert sein. Aber können die Bayern sich in Hessen behaupten? Ein
       Gedankenspiel.
       
 (DIR) Die Zeitungskrise und die taz: Wie es weitergeht, heutzutage
       
       Wenn die alten Geschäftsmodelle einer Tageszeitung nicht mehr
       funktionieren, dann finden wir neue. Ob nun gedruckt oder im Netz.
       
 (DIR) Debatte Zeitungssterben: Nur die Marke bleibt
       
       Die gedruckte Tageszeitung ist nicht mehr zu retten. Springer zieht daher
       Ressourcen aus Print ab. Nur so kann die Marke überleben.
       
 (DIR) Zeitungskrise in Israel: Weniger Nachrichten, mehr Religion
       
       Israels zweitgrößte Tageszeitung droht ihre Unabhängigkeit zu verlieren:
       Der „Ma'ariv“ soll an einen religiösen Investor verkauft werden.
       
 (DIR) Zeitungskrise in Schweden: Weg mit der Kultur
       
       Die schwedische Zeitung „Svenska Dagbladet“ verzichtet auf ihr tägliches
       Feuilleton. 60 Stellen werden so in dem bereits subventionierten Blatt
       eingespart.