# taz.de -- Armut im Westjordanland: Kinder werden zu Müllsammlern
       
       > Der Autonomiebehörde fehlen zugesagte Gelder. Vom Einkommen ihrer
       > Mitarbeiter sind eine Million Menschen abhängig. Schon jetzt leben viele
       > Palästinenser in Armut.
       
 (IMG) Bild: Palästinenserin beim Teekochen in ihrer Höhle bei Yatta.
       
       YATTA taz | Ein Ende der Finanzkrise im Westjordanland ist nicht in Sicht.
       Die Palästinenser werden abgestraft für den Antrag der PLO auf die
       Aufwertung zum UN-Beobachterstaat ohne Mitgliedschaft. Nur etwa die Hälfte
       der nötigen umgerechnet 240 Millionen Euro fließen in diesem Monat in die
       öffentliche Haushaltskasse, und das, obschon Israel Ende Januar die
       Überweisung der Zolleinnahmen an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA)
       wieder aufnahm.
       
       Im Dezember war die Zahlung von rund 80 Millionen Euro, die Israel im
       Auftrag der Palästinenser an Zöllen kassiert, ausgeblieben. Auch die USA
       lassen mit eingeplanten Geldern auf sich warten, während die Arabische Liga
       ihren Versprechen an die Palästinenser, eventuelle Sanktionen
       sicherheitshalber mit einem Finanzpolster aufzufangen, nur zögerlich
       nachkommt.
       
       „Wir stückeln die Gehälter für die Mitarbeiter der Autonomiebehörde“, sagt
       Rami Mehdawi, Generaldirektor der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit vom
       Finanzministerium in Ramallah. Erst in diesen Tagen erhalten die
       Bediensteten des öffentlichen Sektors die zweite Hälfte der
       Dezembergehälter. Palästinas Premierminister Salam Fayyad musste sich das
       Geld von den Banken borgen.
       
       ## Wichtige Projekte sind eingefroren
       
       Nur Saudi-Arabien habe umgerechnet 15 Millionen Euro zugesagt, berichtet
       Mehdawi, außerdem „hilft die EU mit 60 Millionen Euro für das erste Viertel
       2013“. „Wir versprechen den Banken, unsere Schulden zu tilgen, sobald die
       Arabische Liga zahlt“, betont Mehdawi, der keine Erklärung dafür hat, warum
       die versprochenen Gelder nicht kommen. Die PA hoffe nun auf die
       internationale Gemeinschaft. „Die USA wollen, dass wir zu den
       Friedensverhandlungen zurückkehren, aber das wird nicht passieren, solange
       Israel weiter Siedlungen baut.“
       
       Nicht zum ersten Mal friert Israel den Transfer der palästinensischen
       Gelder ein, um politischen Druck auf die Führung in Ramallah auszuüben.
       Schon verlautete aus Jerusalem, dass es sich bei der Überweisung Ende
       Januar um eine „einmalige Zahlung“ handelte, nicht um die grundsätzliche
       Wiederaufnahme der regelmäßigen Überweisungen, zu denen Israel vertraglich
       verpflichtet ist. Weil angekündigte Zahlungen aus den USA ausblieben, die
       die Palästinenser mit dem Zurückhalten von 150 Millionen Euro für das
       UN-Votum abstraften, wurden wichtige Projekte eingefroren, darunter ein
       Fünfjahresplan zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung. In einem
       Interview mit AP machte Regierungschef Fayyad jedoch weder Israel noch die
       USA für die Misere verantwortlich, sondern „einige arabische
       Spendernationen“.
       
       ## Der Abfall aus den Siedlungen ist begehrt
       
       Rund 150.000 Mitarbeiter stehen auf der Gehaltsliste der PA, dem mit
       Abstand größten Arbeitgeber Palästinas. Von ihrem Einkommen leben fast eine
       Million Menschen. Fayyad warnt vor einer „Verdopplung der Armutsrate“,
       sollte nicht bald eine dauerhafte Lösung gefunden werden.
       
       Für den 18-jährigen Ahmad Rabah aus Jatta, wenige Kilometer südlich von
       Hebron, ist Armut schon jetzt nichts Neues. Seit Jahren ist sein Vater
       arbeitslos; abgesehen von den Almosen, die er kassiert, wenn er die Moschee
       fegt, verdient er nichts. Ahmad hat sieben Geschwister, seine jüngste
       Schwester ist gerade vier Jahre alt. Weil sie nichts anderes zu essen
       haben, geht Ahmad zum Schlachthaus und sammelt die abgeschnittenen
       Hühnerfüße ein. Seine Mutter kocht sie zusammen mit wilden Kräutern weich.
       Selbst die Füße gibt es an manchen Tagen nicht, sagt Ahmad. „Ich bin nicht
       der Einzige, der zum Schlachthaus kommt und Abfälle sammelt.“
       
       Gut hundert Palästinenser klettern täglich auf die Müllhalde von Jatta.
       Manche sind kaum zwölf Jahre alt. „Die ersten sind schon ab 5 Uhr morgens
       hier“, sagt ein Wachposten an der Auffahrt für die Lastwagen. Die jungen
       Männer tragen Handschuhe, Mützen oder Kapuzen. Zwischen Küchenabfall und
       zahllosen Plastiktüten suchen sie nach Brauchbarem. „Die meisten sind auf
       Aluminium und Kupfer aus“, sagt der Wachmann. Die jungen Männer selbst
       wollen nicht reden. „Sie kommen bei jedem Wetter, jeden Tag.“ Wenn ein
       Müllwagen die Halde erklimmt, schart sich gleich eine Gruppe um ihn. Am
       beliebtesten sind die Wagen, die aus den israelischen Siedlungen kommen.
       
       11 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
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