# taz.de -- Yoko Ono Ausstellung in Frankfurt: Zart, schön und sinnlich
       
       > Stell dir vor, du kannst eine aufregende Künstlerin wiederentdecken. Die
       > Schirn widmet Yoko Ono zum 80. Geburtstag eine umfassende Retrospektive.
       
 (IMG) Bild: Yoko Ono vor ihrer Installation „Half-a-room“ von 1967.
       
       BERLIN taz | „Gewaltsames revolutionäres Denken ist dem Denken des
       Establishments sehr eng verwandt und seiner Art, Probleme zu lösen. Ich
       möchte das Establishment mit Methoden bekämpfen, die davon so weit entfernt
       sind, dass das Establishment nicht weiß, wie es zurückschlagen kann“,
       schreibt Yoko Ono 1971. Dazu ist sie durchaus in der Lage, denn sie weiß,
       wie die gesellschaftliche Elite tickt.
       
       Heute vor 80 Jahren wurde sie in die besonders traditionsbewusste
       Großbourgeoisie Japans hineingeboren, ihr bester Schulfreund war der Bruder
       des Kaisers. Während der Amerikaner George Maciunas und der Rest ihrer
       Freunde von der Fluxus-Kunstbewegung also großspurig Klaviere zerdeppern,
       zertrümmert sie leise und eher unauffällig Vorstellungen, Erwartungen und
       Denkroutinen.
       
       In ihrer ersten Ausstellung 1961 in der New Yorker AG Gallery von George
       Maciunas zeigt sie „Instruction Paintings“. Diese bestehen aus einer
       Anweisung und ihrer Ausführung – etwa Painting to Be Stepped On oder Add
       Color Painting. Das Painting in Three Stanzas ist fertig, wenn die in die
       Leinwand eingesetzte Pflanze verwelkt ist und ein neuer Spross sichtbar
       wird.
       
       Die Anweisungen werden den Besuchern noch einmal laut vorgelesen. Denn
       idealerweise verwirklichen diese das Werk, ob im Kopf oder real, das bleibt
       ihnen überlassen. Im Jahr darauf, im Sogetsu Art Center in Tokio,
       verzichtete Ono dann schon ganz auf die Leinwandobjekte und präsentiert
       lediglich die Anweisungen an den Wänden.
       
       ## Die Kleider vom Leib schneiden
       
       Bei so wenig materiellem Pomp kommt nicht nur das Establishment in
       Schwierigkeiten. Auch den Kunstkritikern, die die Geschichte der Avantgarde
       aufschreiben, fällt es schwer, sich an Yoko Ono als wegweisende Performerin
       zu erinnern. Aufsehen erregte ihr „[1][Cut Piece]“, das sie 1964 erstmals
       in Tokio aufführte und das bei der zweiten Aufführung 1965 in der Carnegie
       Hall in New York gefilmt wurde.
       
       Zu sehen ist eine ungeheuer intelligente Anordnung, die die Versuchung von
       Gewalt thematisieren soll: Aufgefordert, ihr die Kleider vom Leib zu
       schneiden, verlieren die mit der Schere hantierenden Akteure im Verlauf des
       Geschehens sichtlich ihre Hemmungen, während bei Yoko Ono aufsteigende
       Panik zu beobachten ist.
       
       Es liegt nahe, „Cut Piece“ als Vorläufer der autoaggressiven Performances
       von Marina Abramovic zu sehen, die heute Symbolfigur schlechthin für diese
       Kunstpraxis ist. Doch bislang wird Yoko Ono in den Überblickswerken zur
       Performance entweder gar nicht oder nur ganz am Rande aufgeführt.
       
       Dabei performt sie schon im Jahr 1955 ihr „Lighting Piece“. Es geht um den
       simplen Vorgang des Anzündens eines Streichholzes, das Aufleuchten der
       Flamme und ihr Verlöschen. Um eine minimale, ja triviale Handlung, die
       gleichwohl im Aufflammen eine kraftvolle und danach im Verlöschen eine
       zarte Schönheit und Sinnlichkeit entfaltet.
       
       ## Immer eigenständig, oft radikal politisch
       
       Und das macht, so lässt sich jetzt nach dem Besuch der „Half-A-Wind-Show“
       in der Frankfurter Schirn sagen, überhaupt ihre Kunst aus: Sie entsteht aus
       einer immer eigenständigen, oft radikal politischen, manchmal auch nur
       hochfahrend oder naiv anmutenden Idee.
       
       Folgt der Rezipient der Aufforderung, sie in die Welt der realen Töne,
       Gerüche, Gegenstände, Körper, Farben und Temperaturen etc. zu überführen,
       überführt er den konzeptuellen Ansatz immer in eine einfache, dennoch
       dezidiert ästhetische Form.
       
       In einer eigentlich überfälligen, dennoch bewundernswerten Großtat hat die
       Kuratorin Ingrid Pfeifer nun rund 200 Arbeiten Yoko Onos, von den Anfängen
       bis heute, versammelt. Darunter ihr „Ceiling oder Yes Painting“ (1966):
       eine Leiter, auf die der Betrachter mit einem Vergrößerungsglas steigt, um
       das winzige Wort Yes an der Decke zu sehen. Damit soll sie der Anekdote
       nach John Lennon für sich gewonnen haben.
       
       So wie ihr Werk angelegt ist, sind ihre neueren Arbeiten konsequenterweise
       oft Wiederaufnahmen ihrer alten Instructions. Für das „Water Event“ bringen
       die Leute Behältnisse bei, in die Yoko Ono Wasser füllen kann – jetzt in
       Frankfurt steuert unter anderen Jeff Koons sehr typisch einen
       Kitschspringbrunnen vom Baumarkt und Christian Marclay eine Windel bei.
       
       ## Der Himmel über der Galerie
       
       Immer aktuell ist „Sky TV“, eine der frühesten Videoinstallationen
       überhaupt, in der sie 1966 mit einer Kamera und einem Monitor den Himmel
       live in die Galerie projizierte. Gerade der januartrübe Himmel über
       Frankfurt ist einen längeren Blick wert. Denn spielen bei Yoko Ono nicht
       selbst die Wolken mit und formen sich zu einem dieser Pos, wie sie sie in
       ihrem Film No. 4 (Bottoms) aufgezeichnet hat?
       
       Die Schau hallt nach. Am Abend ertappt man sich, wie man Imagine vor sich
       hin summt, denn der halbe Wind der japanischen-amerikanischen Künstlerin
       bläst und wirbelt einem jederzeit allerlei anregende, paradoxe und
       wunderhübsch plempleme bis peinliche Ideen durch den Kopf. Ja, stell dir
       vor …
       
       ## Bis 12. Mai, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Katalog (Prestel Verlag) 39,95
       Euro
       
       18 Feb 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://youtu.be/F2IgqYiaywU
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Brigitte Werneburg
       
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