# taz.de -- Flüchtlingspolitik in Niedersachsen: Ein Minister räumt auf
       
       > Keine Abschiebung, wenn Familien getrennt werden, das soll unter
       > Innenminister Boris Pistorius in Niedersachsen gelten. Die CDU warnt vor
       > Asylmissbrauch.
       
 (IMG) Bild: Will keine Familien mehr trennen: Innenminister Pistorius
       
       HANNOVER taz | Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) zieht
       weitere Konsequenzen aus dem ersten umstrittenen Abschiebefall seiner
       Amtszeit, bei dem eine Familie aus Lüchow-Dannenberg getrennt worden war.
       „Zukünftig wird es keine Abschiebungen mehr geben, wenn auch nur ein
       Familienmitglied bei der Abholung nicht angetroffen wird“, kündigte er am
       Donnerstag im Landtag in Hannover an.
       
       Per Dringlicher Anfrage hatte die CDU-Fraktion dort den Fall zum Thema
       gemacht. Wie der sich mit dem von Rot-Grün angekündigten Paradigmenwechsel
       in der Ausländerpolitik vertrage, wollte die CDU wissen. Ende Februar, nur
       Tage nach Pistorius Vereidigung, war eine Roma-Mutter mit zwei Kindern
       wochenends in der Nacht ins Kosovo abgeschoben worden. Ihr Mann blieb
       zurück, weil ein weiterer Sohn nicht angetroffen wurde und nicht alleine in
       Deutschland bleiben sollte.
       
       Lüchow-Dannenbergs Landrat Jürgen Schulz (parteilos) erklärte damals, er
       habe sich wegen des Falls mehrfach an das Innenministerium gewandt. Dort
       aber habe man auf der Abschiebung bestanden und mitgeteilt, auch Pistorius
       sehe keinen Grund, sie zu stoppen ([1][taz berichtete]).
       
       „Dieser Fall hätte so nicht passieren dürfen“, räumte der Minister nun im
       Landtag ein. Von der Trennung der Familie will er erst im Nachhinein
       erfahren haben. Zum Amtsantritt sei er von seinem zuständigen
       Referatsleiter nur „allgemein über Abschiebungen von Personen informiert
       worden, die in Deutschland straffällig geworden waren“, führte Pistorius
       an. Auch über die Anfrage des Landrats will er nicht unterrichtet worden
       sein. „Darüber ärgert sich keiner mehr als der Innenminister“, erklärte er.
       
       ## Belastung für die Betroffenen möglichst gering
       
       Vorwürfe von CDU und FDP, er schiebe die Verantwortung auf Mitarbeiter ab,
       wies er zurück. „Der Vorgang ist besprochen und aufgearbeitet“, sagte er,
       „es gibt keine Dissonanzen.“ In der Verantwortung sieht Pistorius vielmehr
       seinen Amtsvorgänger Uwe Schünemann (CDU): „Dass die Abschiebung in dieser
       Weise vorbereitet wurde, ist Ergebnis einer zehnjährigen schwarz-gelben
       Flüchtlingspolitik.“
       
       Um der Familie eine Rückkehr zu ermöglichen, hat Pistorius bereits beim
       Auswärtigen Amt Visa erbeten. Niedersachsen will sie aus humanitären
       Gründen einreisen lassen, erklärte er. So soll der Familie ermöglicht
       werden, über die Härtefallkommission ein Bleiberecht zu bekommen. Denn die
       will Pistorius zügig reformieren: Eine Änderung der Kommissionsverordnung
       sei in Arbeit und soll ab Sommer gelten, kündigte er an.
       
       Ebenfalls erarbeitet wird derzeit eine Handlungsanweisung an die
       Ausländerbehörden zum Vollzug von Abschiebungen. Die soll laut Pistorius
       regeln, dass „die Belastung für die Betroffenen möglichst gering“ ausfallen
       und Familien nicht getrennt werden. Bis sich eine „Sensibilisierung“ für
       die rot-grüne Flüchtlingspolitik auch in den einzelnen Behörden
       durchgesetzt habe, werde er sich über geplante Abschiebungen genau
       unterrichten lassen, sagte er.
       
       Und alarmierte damit die CDU: „Tür und Tor“ werde dem Missbrauch des
       Asylrechts geöffnet, wenn die Behörden Familien künftig nicht mehr
       abschieben, sollte ein Mitglied zum Abschiebetermin nicht anwesend sein,
       warnte CDU-Innenpolitikerin Angelika Jahns umgehend.
       
       14 Mar 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Abschiebung-in-Niedersachsen/!111781/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Teresa Havlicek
 (DIR) Teresa Havlicek
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Flüchtlinge
 (DIR) Niedersachsen
 (DIR) Boris Pistorius
 (DIR) Niedersachsen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Überwachung von Journalisten: Bespitzelt und vertuscht
       
       Unter Ex-Innenminister Schünemann hat Niedersachsens Verfassungsschutz
       Journalisten beobachtet und im Fall der taz-Autorin Andrea Röpke versucht,
       das zu vertuschen.
       
 (DIR) Polizeikarrieren: Filz-Vorwürfe gegen Pistorius
       
       Weil Niedersachsens SPD-Innenminister die Polizeispitze seines
       CDU-Amtsvorgängers ausgewechselt hat, wittert die Opposition nun
       Parteigeklüngel.
       
 (DIR) Integrierte Familie: Ausweisung auf den letzten Drücker
       
       Eine Familie soll ins Kosovo abgeschoben werden, obwohl die Kinder hier
       geboren sind. Aus Sicht ihres Anwalts verträgt sich das nicht mit dem
       Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik.
       
 (DIR) Kommentar: Abschiebepolitik: Politikwechsel braucht Zeit
       
       Schön wäre es, wenn von Niedersachsen die Initiative zu der fälligen
       Einwanderungspolitik für Deutschland ausginge.
       
 (DIR) Kommentar: Kai von Appen über das Ende des Gutscheinsystems: Wort gehalten
       
       Eine klare Anweisung zur Barauszahlung von Niedersachsens Innenminister
       Boris Pistorius wäre sinnvoll gewesen, sein Erlass ist dennoch ein
       Meilenstein in Sachen Humanität
       
 (DIR) Vielfalt in der Flüchtlingspolitik: Gutscheine oder Bargeld
       
       Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius stellt es den Kommunen frei,
       wie sie Asylbewerbern Sozialleistungen auszahlen. Göttingen und Oldenburg
       wollen zügig auf Bares umstellen
       
 (DIR) Rückkehr nach Hannover: Das Ende einer Trennung
       
       Acht Jahre nach ihrer Abschiebung in die Türkei ist Gazale Salame zurück
       bei Mann und Töchtern. Niedersachsens neuer Innenminister Boris Pistorius
       (SPD) will solche Familientrennungen vermeiden
       
 (DIR) Abschiebung in Niedersachsen: In großen Fußstapfen
       
       Zwei Roma-Brüder werden mit ihrer Mutter ins Kosovo abgeschoben. Der
       Landrat sagt, er habe beim SPD-Innenminister interveniert – vergeblich.