# taz.de -- Kolumne Konservativ: Wir Spießer
       
       > Neun von zehn Jugendlichen finden „Heimat“, „Sicherheit“ und „Ordnung“
       > gut. Wo haben sie das bloß her?
       
 (IMG) Bild: Sie können auch anders: Junge Menschen demonstrieren vorm Berliner Kanzleramt gegen Jugendarbeitslosigkeit in der EU.
       
       Das Lebensmotto konservativer Deutscher lautet nicht: „Familie, Kirche,
       Nation“ oder „Mir san mir“. Es lautet: „Ob das mal gut geht.“ Lassen Sie
       mich das erklären.
       
       Vor Kurzem veröffentlichte die Konrad-Adenauer-Stiftung eine Studie. Sie
       soll Antworten auf die Frage geben: Wie unterscheiden sich die politischen
       Einstellungen der Jugendlichen von denen der anderen Altersgruppen?
       Jugendliche, das sind der Studie zufolge 16- bis 29-Jährige.
       
       Beide Gruppen assoziieren mit folgenden Begriffen ganz überwiegend etwas
       Positives: „Freiheit“, „Zusammenhalt“, „Respekt“, „Ordnung“, „Mitgefühl“,
       „Heimat“, „Sicherheit“, „Vertrauen“, „Stabilität“, „Sozial“ und „Leistung“.
       Kurzum: Gesamtbevölkerung und Jugendliche unterscheiden sich kaum in ihren
       Ansichten.
       
       Die Augsburger Allgemeine titelte: „Echte Spießer? Studie: Jugendliche
       werden immer konservativer“. Die Welt am Sonntag höhnte: „Deutschlands
       Jugend ist schon ganz schön alt.“ Man ahnt, dass eine gehörige
       Begriffsverwirrung herrschen muss, wenn einen sogar die WamS als „alt“
       bezeichnet. Geht man nach dem Presseecho, gehören die Begriffe
       „konservativ“, „alt“ und „spießig“ eng zusammen. Zum Glück bin ich nicht
       jung, sonst fühlte ich mich jetzt ziemlich alt.
       
       ## Konservativ, spießig, alt
       
       Paradoxerweise gelten Jugendliche also gerade dadurch, dass ihre Ansichten
       sich von denen der Gesamtbevölkerung nicht sonderlich unterscheiden, als
       besonders konservativ – und zugleich als spießig und alt. Dahinter vermute
       ich eine kognitive Dissonanz: Obwohl fast alle in vielerlei Hinsicht
       struktur- und/oder wertkonservativ denken, möchten die wenigsten als
       konservativ gelten. Einer der wenigen Begriffe, der bei den angeblich
       besonders konservativen Jungen eher schlecht wegkam, war übrigens
       „konservativ“.
       
       Offizieller Titel der Studie: „Wo bitte geht’s zum Generationenkonflikt?“
       Darin klingt die tiefe Prägung durch die 68er Generation an. Sie hat sehr
       erfolgreich definiert, was als jung und progressiv zu gelten hat. Bis heute
       gibt „68“ die Schablone ab für alle bundesdeutschen Konflikte zwischen
       Älteren und Jüngeren. Jene Erzählung, der zufolge die Jungen einst ihre
       verschwiegenen, verstockten Eltern mit der Nazizeit konfrontierten und von
       morgens bis abends Denkverbote, gesellschaftliche Tabus und Mauern in den
       Köpfen einrissen.
       
       Heute beziehen die einstigen Kämpfer wider das „Schweinesystem“ staatliche
       Renten und Pensionen in Höhen, die ihre Kinder nie erlangen werden.
       
       Auf ihrem Weg sind deutsche Linke deutschen Konservativen immer ähnlicher
       geworden. Beide blicken sentimental in die Vergangenheit und verunsichert
       in die Zukunft. Wer Jungen eine Art Frühvergreisung vorhält, projiziert auf
       sie das eigene, diffuse Unwohlsein: Irgendjemand sollte mal was tun
       angesichts von Eurokrise, NSA-Abhörskandal und Klimawandel – auch wenn
       sowieso alles schlimmer wird. Die Jungen beispielsweise. Sie sollten sich
       gemeinnützig engagieren – ohne ihr durchgetaktetes Studium zu
       vernachlässigen. Sie sollen Rabatz machen – aber bitte ab 22 Uhr bei
       Zimmerlautstärke. Ob das mal gut geht.
       
       6 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
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