# taz.de -- Migranten in Medien: Die andere Parallelgesellschaft
       
       > Deutsche Redaktionen berichten viel über die Integration von
       > Einwanderern. Sie selbst allerdings sind in dieser Hinsicht kein Vorbild.
       
 (IMG) Bild: Suchbild: Finden Sie eine Migrantin unter den aufmerksamen Journalisten!
       
       BERLIN taz | Der Fußball ist schuld. Über den Verein seines Sohnes lernte
       Bernd Ulrich viele Eltern ausländischer Herkunft kennen. „Da ist mir
       aufgefallen, wie unterschiedlich mein privater Freundes- und mein
       Kollegenkreis zusammengesetzt sind,“ sagt der stellvertretende
       Chefredakteur der Zeit. Das Aha-Erlebnis bewog ihn, gezielt mehr
       Journalisten mit Migrationshintergrund für die Hamburger Wochenzeitung zu
       rekrutieren. Davon verspricht er sich „einen interessanteren Journalismus,
       jenseits von Ressentiments und starrer Political Correctness“.
       
       Zwischen 1 und 3 Prozent liegt, je nach Schätzung, der Anteil von
       Journalisten mit Migrationshintergrund in deutschen Medien – selbst im
       öffentlichen Dienst arbeiten mehr Migranten, in der Gesamtbevölkerung liegt
       der Anteil sogar bei gut 20 Prozent. Die Medien seien „eine Sonderzone der
       Gesellschaft“, sagt Ulrich deshalb selbstkritisch. Oder anders gesagt: eine
       Parallelgesellschaft.
       
       Schon beim ersten Integrationsgipfel 2006 wurde dieses Problem erkannt.
       Damals sagte Maria Böhmer, die Integrationsbeauftragte des Bundes, sie
       wünsche sich mehr TV-Moderatoren mit Einwanderungsgeschichte – auch wegen
       deren Vorbildfunktion. Flugs beförderten die damaligen ARD- und
       ZDF-Intendanten Moderatorinnen wie Dunja Hayali in ihr Hauptprogramm. Die
       Öffentlich-Rechtlichen haben hier eine besondere Bringschuld: Integration
       gehört zu ihrem Programmauftrag.
       
       Vorreiter auf dem Gebiet ist der WDR. Schon vor zehn Jahren berief er einen
       Integrationsbeauftragten, jüngst kam ein Integrationsbeirat dazu, der auf
       der Chefetage angesiedelt ist. Mit dem interkulturellen Magazin „Cosmo TV“
       und dem WDR-Radiosender Funkhaus Europa unterhält der WDR zwei spezifische
       „Multikulti“-Formate. Und mit dem Talentworkshop „grenzenlos“ holt er sich
       gezielt migrantischen Nachwuchs ins Haus.
       
       ## Vorreiter ZDF
       
       „Wir müssen den Wandel des Publikums widerspiegeln, sonst verlieren wir den
       Anschluss“, begründet Gualtiero Zambonini, der WDR-Integrationsbeauftragte,
       dieses Profil. Die Medienforschung habe gezeigt, dass die Mehrheit der
       Migranten die deutschsprachigen Medien bevorzuge. Spartenprogramme wie
       Funkhaus und „Cosmo TV“ hätten, als „Kaderschmiede“ und „Kompetenzzentrum“,
       trotz überschaubarer Quoten da eine wichtige Funktion für den Sender. Stolz
       ist Zambonini darauf, dass die Quote bei den Volontären mit
       Migrationshintergrund zuletzt bei über 15 Prozent lag.
       
       Noch besser sieht es nur beim ZDF aus: Dort soll bereits ein Fünftel aller
       Beschäftigten einen Migrationshintergrund haben, bei den Auszubildenden
       sogar noch mehr. „Es ist schon viel passiert. Aber wir sind noch weit
       entfernt von echter Normalität“, sagt Zambonini. Er kritisiert vor allem
       die ARD-Talkshows: „Das Herangehen ist oft sehr defizitorientiert, und wenn
       es um Themen wie den Islam geht, von einer Draufsicht geprägt. Es fehlt das
       Bewusstsein, dass die, um die es dabei geht, auch unsere Zuschauer sind.“
       
       Ein Negativbeispiel bietet auch der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Seit
       der Hauptstadt-Sender vor knapp fünf Jahren sein interkulturelles Radio
       Multikulti abgewickelt hat, ist er in eine Art Tiefschlaf verfallen. Zwar
       gibt es im Haus eine AG Integration, die bei der Intendanz angesiedelt ist.
       Doch es gibt „kein themenspezifisches Programm-Controlling“, und die
       Herkunft der Mitarbeiter werde auch nicht erfasst, so die Pressestelle des
       Senders. So lassen sich auch mögliche Erfolge in Sachen Integration nicht
       beziffern. „Manche denken, das geht alles von selbst“, warnt der
       WDR-Kollege Gualtiero Zambonini, „aber diesen Prozess muss man gestalten.“
       
       ## Migranten für die Auflage
       
       Dabei zeigt die Zeit, wie man das Thema sogar zur Eigenwerbung nutzen kann.
       Angeregt von Bernd Ulrich, haben die Zeit-Redakteurinnen Khue Pham, Özlem
       Topcu und Alice Bota im vergangenen Jahr das Buch „Wir neuen Deutschen“
       herausgebracht, in dem sie ihre Integrationsgeschichten erzählen. Zu den
       Lesungen kommen viele, die selbst eine Einwanderungsbiografie haben und
       sich in den Erzählungen der Journalistinnen wiederfinden können.
       
       Das sind die Zeit-Abonnenten der Zukunft. Auch wenn keine Zahlen vorliegen,
       wie viele Leser einen Migrationshintergrund haben, ist Ulrich überzeugt,
       dass sich der Umgang seines Blattes mit Migranten auf die Auflage auswirkt.
       „Wir schreiben nicht mit dem Rücken zu ihnen“, sagt er. „Ich bin sicher,
       dass das bei vielen auch so ankommt.“
       
       Dass bei der Zeit heute mehr migrantische Journalisten arbeiten als früher,
       dient nicht nur der Imagepolitur. Es habe die Atmosphäre im Haus deutlich
       verändert, glaubt Redaktionschef Ulrich, die internen Diskussionen
       verliefen nun anders. „Wenn wir darüber debattieren, ob die Türkei in die
       EU soll, dann macht es einen Unterschied, wenn sie quasi schon mit am Tisch
       sitzt“, so Ulrich mit Blick auf seine türkischstämmige Kollegin Özlem
       Topcu.
       
       Von Helmut Schmidt, der als Zeit-Mitherausgeber regelmäßig an den
       Redaktionskonferenzen teilnimmt, weiß man, dass er allem Türkischen
       gegenüber skeptisch ist. Wie geht der Exkanzler mit dieser Situation um?
       „Wir sind liberal gegenüber Helmut Schmidt“, antwortet Bernd Ulrich
       diplomatisch.
       
       28 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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