# taz.de -- Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann …
       
       > … ist für viele das Böse schlechthin. Mit dem Fingerzeig auf den
       > ideologischen Gegner oder religiös Anderen wird er eingesetzt als
       > Inkarnation der Heimtücke und der Verderbtheit.
       
 (IMG) Bild: Nichts ist dann mehr, wie es mal war
       
       … ist für viele das Böse schlechthin. Mit dem Fingerzeig auf den
       ideologischen Gegner oder religiös Anderen wird er eingesetzt als
       Inkarnation der Heimtücke und der Verderbtheit. Für viele Russen ist
       Homosexualität das Symptom einer schädlichen „Verwestlichung“, auch im Iran
       und unter den Taliban wird ein homosexueller Lebensstil als „verwestlicht“
       abgelehnt und verfolgt. In den meisten Ländern Afrikas hält sich die
       Meinung, Homosexualität sei von den Weißen eingeführt und verstoße gegen
       die afrikanische Kultur. Sie sei nichts weiter als sündhafter Einfluss aus
       dem Ausland, aus der westlichen Welt.
       
       Auch in der deutschen Geschichte wurde der homosexuelle Sündenbock immer
       wieder instrumentalisiert. Den besonderen Verweis gen Westen leisteten sich
       die Medien der DDR gleich nach der Staatsgründung, als es darum ging, die
       Bevölkerung vor westlicher Infiltration zu schützen. Neben Kriminellen und
       Agenten standen homosexuelle Männer oft im Mittelpunkt deutlicher Hetze und
       lügnerischer Propaganda.
       
       Westberlin war Ort „übelster homosexueller Ausschweifungen“ (Berliner
       Zeitung, 1947) und „homosexueller und sadistischer Exzesse“ von GIs (Neues
       Deutschland, 1950), und Stefan Heym empörte sich 1954 in der Berliner
       Zeitung über die Moden Westberliner Jugendlicher: „Und dann die Kleidung
       und die Haartracht! So, genau so, laufen in Amerika die Homosexuellen
       herum, und nur die Homosexuellen.“
       
       Gern nahm man sich namentlich Einzelne vor und denunzierte sie als Schwule.
       Wie den Schauspieler Fritz Genschow, besser bekannt als „Onkel Tobias“,
       Leiter des RIAS-Kinderfunks. Das Neue Deutschland veröffentlichte 1955 die
       Privatadresse des „Unholds und Jugendverderbers“, der bei einem Sender
       arbeite, bei dem „der abnorme Lebenswandel bei zahlreichen Angehörigen
       dieser Agentenzentrale gang und gäbe“ sei.
       
       Ein anderer RIAS-Star, Quizmaster Hans Rosenthal, wurde 1961 in der
       Berliner Zeitung ebenfalls als schwul denunziert. Er stehe mit einer
       Spionin in enger Verbindung, „da sie ihm mehrfach nach Westberlin gelockte
       junge DDR-Bürger nach Spezialvernehmungen für den CIA für seine nächtlichen
       Orgien zugeführt“ habe.
       
       Berlins erster Mauertoter, der am 24. August 1961 im Humboldthafen
       erschossene Günter Litfin, wurde in den Ost-Zeitungen gar nicht erst
       genannt, dafür als Stricher „Puppe“ diffamiert, den der Mauerbau von seinen
       „Liebhabern“ im Westen trennte, und dessen „Gewerbe in der Hauptstadt der
       DDR aussichtslos blieb“ (Neues Deutschland).
       
       Der Ton änderte sich erst zu Beginn der achtziger Jahre, statt Hetze gab
       fortan die Wissenschaft den Ton an. Der als „Ratten-Dörner“ berüchtigte
       Hormonforscher Günter Dörner wollte in zahllosen Tierversuchen
       herausgefunden haben, dass „eine hormonelle Fehlsteuerung“ zur
       Homosexualität führe. Die Hormone also waren es und nicht der dekadente
       Westen, „die Homosexualität ist keine Krankheit, keine Perversion“, schrieb
       1982 die Neue Zeit, „sondern lediglich eine biologische Normabweichung“.
       
       1 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Elmar Kraushaar
       
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