# taz.de -- Kommentar EU-Hilfe für Israel: Endlich etwas richtig gemacht
       
       > Eine neue EU-Regelung legt fest: Brüssel wird von nun an die
       > Siedlungspolitik Israels nicht mehr finanzieren. Weitere Schritte sind
       > nötig, denn es wird weiter gebaut.
       
 (IMG) Bild: Die Siedlung Al-Karmel im Westjordanland: Ab jetzt gilt der EU-Boykott.
       
       Applaus für die EU. Die Brüssler Bürokraten wagen, was den
       Entscheidungsträgern in Washington noch immer einen Schauer über den Rücken
       jagt: Sie sagen Israels Siedlungspolitik den Kampf an. Das passiert nicht
       zum ersten Mal, und es wird in Israel selbst wenig Folgen haben. Trotzdem
       trifft das politische Signal in Jerusalem auf sehr empfindliche Ohren.
       
       EU-Institutionen, so die neue Regelung, werden fortan keine
       Förderungsgelder an Projekte in den Siedlungen zahlen. Studierende an der
       Universität in der Siedlung Ariel brauchen also nicht mehr mit Stipendien
       aus Europa zu rechnen. Das konnten sie zwar auch bislang nicht, aber jetzt
       ist es offiziell.
       
       „Das ist wie ein Eimer kaltes Wasser auf den Kopf eines Betrunkenen“,
       schreibt der linke Friedensblog „Gush Shalom“. Die Politiker in Jerusalem
       müssen jetzt mit dem Ausnüchtern anfangen. Es ist schon viel zu lange gut
       gegangen für sie mit ihrer Siedlungspolitik.
       
       Vor zwanzig Jahre haben sich Israel und die PLO in Oslo auf eine
       schrittweise Trennung der Völker mit dem Ziel der Bildung zweier Staaten
       geeinigt. Genau das Gegenteil ist seither passiert. Die Zahl der Siedler im
       Westjordanland und in Ostjerusalem hat sich verdreifacht. Immer enger wird
       das Geflecht aus palästinensischen und israelischen Straßen und Feldern,
       immer enger rücken Israelis und Palästinenser aneinander heran. Hätte man
       in Brüssel nur etwas schneller reagiert, wäre die Zweitstaatenlösung, die
       alle Beteiligten unverändert offiziell verfolgen, heute leichter
       umzusetzen.
       
       Denn die zerstrittenen Kräfte, die sich seit hundert Jahren gegenseitig
       Leid zufügen, zu entzerren ist der einzige Weg. Die Alternative einer
       palästinensischen Staatsbürgerschaft für die israelischen Siedler ist
       illusorisch. Auch wenn die Perspektive, im eigenen Haus bleiben zu dürfen,
       verlockend ist, dürften nur wenige bereit dazu sein, ihre Handwaffen
       abzugeben, um sich und ihre Familien fortan dem Schutz palästinensischer
       Polizisten anzuvertrauen. Also müssen sie umziehen.
       
       ## Die Presse begrüßt den Stopp
       
       Der Unmut der Europäer über Israels Siedlungspolitik machte sich vor knapp
       zehn Jahren schon einmal Luft. Damals wurden die israelischen Produkte aus
       dem Westjordanland, dem Gazastreifen, Ostjerusalem und den Golanhöhen von
       den Zollerleichterungen der Handelsabkommen ausgeschlossen. Dass bei allen
       Regelungen stets der Gazastreifen und die Golanhöhen aufgezählt werden,
       zeugt allerdings von einiger Ignoranz.
       
       Im Gazastreifen wurde die letzte Siedlung vor acht Jahren aufgelöst, und
       die Golanhöhen sind nicht besetzt, sondern annektiert. Die einst syrischen
       Drusen haben das Recht auf israelische Staatsbürgerschaft und machen
       infolge des Bürgerkrieges in ihrer Heimat auch zunehmend Gebrauch davon.
       
       Als nächste Maßnahme steht nun die einheitliche Kennzeichnungspflicht für
       israelische Waren aus dem besetzten Land auf der Tagesordnung der EU.
       Vorläufig würde es dem individuellen Konsumenten überlassen bleiben, ob er
       Ahava-Fangopackungen kauft oder Wein von den fruchtbaren Hügeln Samarias.
       Konsequent wäre es, die Einfuhr aus den Siedlungen, die man für illegal
       erklärt, grundsätzlich zu verbieten.
       
       Nie zuvor hat sich eine Region besser für einen Boykott angeboten als
       diese. Man muss nicht Israel und die „guten“ Israelis abstrafen, sondern
       ganz gezielt nur die, die dem Frieden mit den Palästinensern im Weg stehen.
       Wie dringend überzeugendere Maßnahmen notwendig sind als die jüngsten
       EU-Regelungen, zeigt Jerusalems Ankündigung just in dieser Woche: Rund
       tausend neue Siedlerwohnungen sollen gebaut werden.
       
       Es ist bezeichnend, dass die drei israelischen Traditionsblätter, Ma’ariv,
       Ha’aretz und Yediot Achronot, die europäische Entscheidung begrüßen oder
       zumindest als einleuchtend empfinden. Von einer „neuen Generation in
       Europa“, schreibt Yediot Achronot, „die von uns (Israel) Initiativen
       erwartet“. Die Zeitung bedauert den „aggressiven Ton“ von Netanjahus
       Reaktion.
       
       Einzig das konservative Blatt Israel Hajom wettert, dass die EU mit ihrer
       Entscheidung „den Siedlern einen gelben Stern anheftet“. Es sei ein offenes
       Geheimnis, dass, „wenn eines Tages eine endgültige Lösung für Israel und
       die Palästinenser gefunden ist, die meisten Siedler noch immer unter ihren
       Feigenbäumen und Weinstauden sitzen werden“.
       
       18 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Israel
 (DIR) EU
 (DIR) Siedlungen
 (DIR) Siedlungspolitik
 (DIR) Fördergelder
 (DIR) Benjamin Netanjahu
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Israel
 (DIR) Russland
 (DIR) Palästina
 (DIR) Israel
 (DIR) Palästina
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Israel und Palästinenser verhandeln: Das Siegel der Verschwiegenheit
       
       Nach fünf Jahren wollen Israelis und Palästinenser wieder über Frieden
       verhandeln. Israel lässt Gefangene frei, einen Baustopp der Siedlungen gibt
       es jedoch nicht.
       
 (DIR) Wiederaufnahme der Nahost-Gespräche: Neuer Anlauf für den Frieden
       
       Israel will offenbar wieder Verhandlungen mit den Palästinensern aufnehmen.
       Laut US-Außenminister John Kerry sollen erste Gespräche nächste Woche
       stattfinden.
       
 (DIR) EU stellt Projektförderung in Israel ein: Netanjahu beklagt „Diktate“
       
       Ab 2014 will die EU keine Projekte in den besetzten Gebieten mehr fördern.
       De facto ist das auch jetzt schon so. Die Regierung in Jerusalem reagiert
       mit Empörung.
       
 (DIR) Angriff in Syrien: Türkische Hilfe für Israel?
       
       Israelische Kampfjets sollen ein russisches Waffenlager in Syrien
       bombardiert haben – von der Türkei aus. Grund der Zusammenarbeit: ein
       gemeinsamer Feind.
       
 (DIR) Konzert in Bethlehem: Superstar entzückt Zehntausende
       
       20.000 Menschen sind gekommen, um den Palästinenser Mohammed Assaf zu
       hören. Nur drei Lieder darf er singen. Die Fans sind begeistert.
       
 (DIR) Nahost-Diplomatie: Kerry lässt nicht locker
       
       Der US-Außenminister drängt Israel und die Palästinenser zu Gesprächen.
       Doch ein Durchbruch lässt auf sich warten – nicht das erste Mal.
       
 (DIR) TV-Show für Jungpolitiker: Präsidentencasting in Palästina
       
       Die letzten Wahlen in den palästinensischen Gebieten fanden 2006 statt.
       Eine neue Wahl ist nicht in Sicht. Jetzt kann die Bevölkerung in einer
       TV-Show abstimmen.