# taz.de -- Hamburg und die Haasenburg: „Wie Tiere in einer Manege“
       
       > Jan Ehlers entwickelte das Konzept „Menschen statt Mauern“ und schaffte
       > als Sozialsenator 1980 geschlossene Heime ab.
       
 (IMG) Bild: "Haus Babenberg" der Haasenburg.
       
       taz: Herr Ehlers, braucht Hamburg geschlossene Heime? 
       
       Jan Ehlers: Nein. Denn überall dort, wo Menschen Gewalt über Menschen
       ausüben, lauert der Missbrauch.
       
       Warum haben Sie als SPD-Sozialsenator 1980 die Heime abgeschafft? 
       
       Ich habe die geschlossenen Heime besichtigt. Ich hatte noch erlebt, wie im
       Jugendamtsheim Osdorf ein umzäunter Außenbereich für die Kinder und
       Jugendlichen zum Frische-Luft-Schnappen hergerichtet war, den diese vom
       Haus aus durch einen Drahttunnel erreichten, wie Tiere in einer
       Zirkusmanege. Und ich habe die mit Blech beschlagenen Zellentüren im „Heim
       für gefallene Mädchen“ in der Feuerbergstraße gesehen, mit Beulen, die
       davon herrührten, dass die eingesperrten jungen Frauen den Kopf gegen die
       Zellentür schlugen. Ich weiß, welche Gewalt bei Einschluss auf allen Seiten
       entsteht und eskaliert. So auch offenbar in der Einrichtung in Brandenburg.
       
       Aber diese Eindrücke scheinen vergessen. In ihrer Partei ist es Linie zu
       sagen, ohne geschlossene Heime geht es nicht? 
       
       Es scheint so. Aber zum Glück gibt es mit Frau Münch als verantwortliche
       Ministerin in Brandenburg und mit Wolfgang Rose, einem
       Bürgerschaftsabgeordneten in Hamburg, zwei Politiker, die wider den Stachel
       löcken. Ich wünsche beiden guten Mut und viel Erfolg.
       
       Sie gaben seinerzeit die Devise „Menschen statt Mauern“ aus. Was ist daraus
       geworden? 
       
       Das von uns als Alternative entwickelte Konzept „Menschen statt Mauern“ war
       in seinem Vertrauen auf menschliche Beziehungen statt Einschluss fragil.
       Wir hätten es nach zehn Jahren überprüfen müssen und wollen.
       
       Und das ist nicht geschehen? 
       
       Das Thema blieb weitgehend unbeachtet, bis 1998 ein junger Mann aus einer
       betreuten Jugendwohnung einen Einzelhändler in Tonndorf überfiel, ihn
       ausraubte und ihm das Leben nahm. Das Verhalten der Pädagogen, deren
       Aufgabe es gewesen wäre, den Schutzbefohlenen von diesem Geschehen
       abzuhalten, war nicht zu beschönigen. Denn sie waren nicht da. Seitdem wird
       in Hamburg wieder weggesperrt, denn Politik erfordert in der Demokratie
       nicht rationale Konsequenzen, sondern vor allem öffentlich akzeptierte
       Konsequenzen.
       
       Also rational ist das Wegsperren nicht? 
       
       Nein. Wenn Jugendliche kriminell werden, ist dies Aufgabe der Justiz. Dann
       müssen sie eben nach Hahnöfersand. Aber dies ist keine Aufgabe der
       Jugendhilfe. Nur ist das in der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln. Ich
       war schon nicht mehr im Amt, als in Hamburg wieder weggesperrt wurde – und
       ich habe das und die nachfolgenden Entwicklungen auch nie akzeptieren
       können.
       
       Wussten Sie, dass Hamburg so viele Kinder in die Haasenburg schickt? 
       
       Nein. Aber alle dann praktizierten Konzepte haben sich nicht nur als zu
       teuer, sondern auch als im Wesentlichen nutzlos erwiesen. Da lag es wohl
       nahe, dieses schmuddelige Thema nach Brandenburg zu exportieren, als sich
       dort eine mit staatlichen Geldern finanzierte, privatwirtschaftliche und
       gewinnorientierte Einrichtung etablierte, die sich mit fast mafiotischer
       Absicherung jeder öffentlichen Kritik entzog.
       
       Ein Rat an Ihren Nachfolger? 
       
       Ich äußere mich nur als Bürger. Ich lebe in Hamburg. Hier sind ganz
       selbstverständlich Kommerz und kaufmännisches Denken zu Hause. Mit der
       „Freiheit“ ist das oftmals schon so eine Sache. Aber ich bin stolz darauf,
       dass meine Stadt den Titel „Freie und Hansestadt“ trägt und möchte mich
       nicht schämen müssen, weil der Begriff „Freiheit“ im Namen in der
       Wirklichkeit nichts gilt.
       
       24 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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