# taz.de -- Der Sonntaz-Streit: „Heime dürfen kein Kinderknast sein“
       
       > Ohne Alternative keine Schließung der Haasenburg, meint Ina Muhß (SPD).
       > Andere warnen vor der Pädagogik des Drills in geschlossenen Heimen.
       
 (IMG) Bild: „Die engmaschige Kontrolle der Hilfen in geschlossenen Einrichtungen muss selbstverständlich sein.“
       
       „Geschlossene Heime sind geschlossene Anstalten“, sagt Michael Lindenberg
       vom Bündnis gegen geschlossene Unterbringung im aktuellen sonntaz-Streit.
       Nicht die Erziehung habe in solchen Einrichtungen Priorität, sondern die
       Durchsetzung von Regeln und das Verhindern des Weglaufens, erläutert der
       Sozialpädagoge. Zwar lernten die Kinder dort, mit Zwang und Gewalt
       umzugehen, nicht aber mit der Freiheit, auf die die Erziehung sie
       eigentlich vorbereiten müsse.
       
       „Anstatt Minderjährige aus ordnungspolitischen Gründen einzusperren, sollte
       nach ihren Zukunftsperspektiven gefragt werden, bevor sie auffällig
       wurden“, findet Heidi Bauer-Felbel vom Deutschen Berufsverband für soziale
       Arbeit (DBSH). Der Abbau von Jugendeinrichtungen, die Kommerzialisierung
       von Freizeitangeboten, die finanzielle Schwächung der Jugendämter sowie
       eine verfehlte Familien- und Schulpolitik machten die geschlossene
       Unterbringung erst notwendig. „Die jungen Menschen sind unter uns
       aufgewachsen und sollen nun die Zeche dafür zahlen, dass die Gesellschaft
       sie schon vorher im Stich gelassen hat.“
       
       Präventive und nachhaltige Konzepte für die Erziehung von
       verhaltensauffälligen Jugendlichen wünscht sich auch Jean Paul Muller, der
       Vorsitzende des Berufs- und Fachverbandes Heilpädagogik: „Die Alternative
       zum Wegschließen liegt in einer vorbeugenden heilpädagogischen Arbeit.“
       Dafür seien jedoch Personal, Geld und lebenslange Weiterbildung notwendig.
       
       Norbert Struck, Referent für Jugendhilfe beim Paritätischen
       Wohlfahrtsverband, fordert die Jugendhilfe auf, dem Druck von Justiz und
       Psychiatrie, geschlossene Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, nicht
       länger nachzugeben: „Die Haasenburg zeigt es überdeutlich: Geschlossene
       Einrichtungen korrelieren nur allzu leicht mit Abschottung nach außen, mit
       Gewalteinwirkung nach innen und mit einer Pädagogik des Drills, der
       Übergriffe und der Konditionierung.“
       
       „Wer jetzt eine sofortige Schließung der Haasenburg-Heime fordert, muss
       auch sofort eine Alternative für die dort untergebrachten Jugendlichen
       benennen können“, meint dagegen Ina Muhß, die jugendpolitische Sprecherin
       der SPD in Brandenburg. Bei einigen Jugendlichen seien die einzigen
       Alternativen zur geschlossenen Unterbringung die Psychiatrie oder der
       Jugendstrafvollzug.
       
       Auch Stefan Rösler, Leiter der Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige
       Heimkinder in Bayern, hält die bloße Abschaffung geschlossener Heime für zu
       kurz gegriffen: Die Jugendhilfe trage Verantwortung auch für sehr
       gefährdete junge Menschen. Der Freiheitsentzug könne für einige Jugendliche
       in gefährlichen Krisen gegebenenfalls die letzte Chance sein. Die
       engmaschige Kontrolle der Hilfen in geschlossenen Einrichtungen müsse
       jedoch selbstverständlich sein: „Wo Freiheit unter dem Dach der Jugendhilfe
       eingeschränkt wird, müssen höchste rechtliche und fachliche Standards
       gelten und eingehalten werden.“
       
       Dass Jugendliche von der geschlossenen Unterbringung profitieren können,
       meint auch Hanna Permien vom Deutschen Jugendinstitut. Dazu müssten die
       Rechte der Jugendlichen auf persönliche Förderung und Mitbestimmung über
       den Heimalltag jedoch gewahrt werden: „Heime, die mit Freiheitsentzug
       arbeiten, dürfen kein repressiver, demütigender, traumatisierender
       'Kinderknast' sein.“
       
       Auch taz-Leser Georg Litty, der momentan eine Ausbildung zum Erzieher in
       einer offenen Wohngruppe macht, hält geschlossene Heime für notwendig.
       „Dass ein einzelner Träger schlecht gearbeitet hat, ändert nichts an einem
       bestehenden Bedarf an entsprechenden Einrichtungen“, schreibt er.
       Individuelle Förderkonzepte, kompetente und gut bezahlte Erzieher sowie
       häufige, unangemeldete und fachkundige Kontrollen der entsprechenden
       Einrichtungen müssten dabei jedoch selbstverständlich sein.
       
       Die sonntaz-Frage beantworten außerdem Mirijam Günter, Schriftstellerin und
       ehemaliges Heimkind, der Kinder- und Jugendpsychiater Karl Heinz Brisch,
       Renate Schepker, Chefärztin im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg,
       sowie Sabine Pankofer, die an der katholischen Hochschule München
       Psychologie lehrt – in der aktuellen [1][sonntaz vom 27./28. Juli 2013].
       
       27 Jul 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ausgabe-vom-27/28-Juli-2013/!120654/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lea Becker
       
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