# taz.de -- Demo gegen Sexismus: „Ein ganz limitiertes Frauenbild“
       
       > Sexistische Werbung vermittelt Kindern falsche Rollenbilder, sagt Stevie
       > Schmiedel, Vorsitzende des Vereins Pinkstinks.
       
 (IMG) Bild: Attackiertes Werbeplakat in Berlin.
       
       taz: Frau Schmiedel, Ihr Verein Pinkstinks organisiert am Sonntag in Berlin
       die nach eigenen Angaben weltweit erste Demonstration gegen Sexismus in der
       Werbung. Was genau stinkt Ihnen denn, außer der Farbe Pink? 
       
       Stevie Schmiedel: Eine Farbe kann ja nicht stinken. Uns stinkt, was die
       Spielwarenindustrie in den letzten 30 Jahren aus der Farbe gemacht hat: Sie
       hat sie festgezurrt, auf ein Geschlecht spezialisiert. Pink bedeutet jetzt
       niedlich, süß, sexy, aufs Äußere bezogen. Pink ist Mädchen vorbehalten.
       Insofern müsste unser Verein „Pinkifizierung stinkt“ heißen. Aber das rockt
       nicht.
       
       Was bedeutet diese Pinkifizierung denn für die Werbung? 
       
       Wir versuchen eine Verbindung herzustellen zwischen der
       Kinderspielwarenwelt für Drei- bis Achtjährige, Barbie und Lillifee, und
       der Werbung. Durch die Spielwaren werden Kinder schon an Frauenbilder
       gewöhnt, die sie später in der Außenwerbung wiederfinden – oder bei
       „Germany’s Next Topmodel“. Kinder werden an ein ganz limitiertes Frauenbild
       herangeführt. Deshalb bringen wir bei Pinkstinks Aufklärungsarbeit über die
       Spielwarenwelt mit Lobbyarbeit gegen geschlechtsdiskriminierende Werbung
       zusammen.
       
       Wie sieht geschlechtsdiskriminierende Werbung aus? 
       
       Dieses Jahr gab es wohl die größte Aufregung über die Axe-Werbung: Ein
       militarisiert wirkender Astronaut hält eine sehr junge, sehr zarte Frau im
       Arm. Von ihr ist gar kein Gesicht zu sehen, dafür nur ihre zarten
       Gliedmaßen. Daneben stand „Astronauten regeln den Verkehr“ oder
       „Astronauten kriegen jedes Mädchen aus der Milchstraße“. Das ist
       übergriffig. In Kreuzberg war fast jedes dieser Plakate mit Stickern
       überklebt, auf denen „Sexistische Kackscheiße“ stand.
       
       Ist Werbung auch sexistisch, wenn sie nackte Männer zeigt? 
       
       Absolut. Dabei haben wir eine jahrtausendelange Geschichte von der
       Unterdrückung der Frau. Und obwohl Frauen heute so viel mehr Möglichkeiten
       haben, wird trotzdem noch mit archaischen Bildern geworben. Aber
       Essstörungen und Sportsucht werden jetzt auch schon immer verbreiteter
       unter Männern.
       
       Muss nackte Haut zu sehen sein, damit Werbung sexistisch ist? 
       
       Es geht Pinkstinks gar nicht um Nacktheit oder um Sex an sich. Sex ist eine
       wunderbare Sache. Damit können auch Produkte verkauft werden. Das Problem
       ist, wenn ausschließlich durch Sex verkauft wird. Und wenn Sexualität so
       eng definiert wird, dass nur Begehren zwischen sehr fordernd schauenden,
       muskulösen Männern und sehr, sehr zarten, jungen, schlanken Frauen als Sex
       gilt. Unser Problem ist, dass Kinder heute schon so früh durch die Werbung
       an eine bestimmte Sexualität herangeführt werden. Das, was sexy ist,
       gleicht wieder ihren Barbiepuppen.
       
       Wollen Sie bestimmte Werbung verbieten? 
       
       Überhaupt nicht. Das Problem ist, dass im Frühjahr komplette Städte mit den
       Bademodenkampagnen vollgehängt werden. Wir fragen nach der
       Verhältnismäßigkeit: Inwieweit kann man zum Beispiel eine Regelung
       schaffen, dass die nicht mehr 90 Prozent der Werbeflächen einnehmen?
       
       Also begrenzen statt verbieten? 
       
       Genau. Wir sind im Moment noch ganz am Anfang unserer Arbeit. Wir gründen
       gerade eine Arbeitsgruppe mit Juristinnen. Bis 2014 wollen wir einen
       Kriterienkatalog erstellen und diesen dem Werberat vorlegen. Wir wollen
       auch Druck auf den Bundestag ausüben, sodass geschlechtsdiskriminierende
       Werbung definiert, vielleicht ein Gesetz eingebracht wird.
       
       Wird der Reiz durch Verbote nicht noch erhöht? 
       
       Ich glaube, es geht hier um Bewusstseinsbildung. Als die Leute vor ein paar
       Jahrzehnten anfingen, das Rauchen mit Krebs zusammenzubringen, sagten alle:
       Ihr seid verrückt. Irgendwann kamen die Beweise, jetzt darf man nicht mehr
       in der Werbung rauchen. Ich denke, dass den Leuten auch nicht bewusst ist,
       dass es einen Zusammenhang zwischen der Außenwerbung und Essstörungen und
       Depressionen bei Teenagern gibt. Dass wir diesen Zustand mit der Werbung in
       Verbindung bringen, ist für manche Menschen ein abstruser Gedankengang. Den
       müsste man einfach etablieren.
       
       Wie definieren Sie die Grenzen zum Sexismus? 
       
       Das ist ganz schwer zu definieren. Aber viele Länder haben schon einen
       Kriterienkatalog oder ein Gesetz zu geschlechtsdiskriminierender Werbung,
       zum Beispiel Norwegen, Irland oder Spanien. Wir müssen die Kriterien für
       uns noch überprüfen und überarbeiten.
       
       Legitimiert sich die Werbung nicht durch ihre oft offensichtlichen
       Klischees? 
       
       Genauso argumentiert auch der Werberat. Die gehen von einem verständigen
       Durchschnittsverbraucher aus. Wer soll das sein? Vielleicht ein mittelalter
       weißer Mann? Aber Kinder sind keine Durchschnittsverbraucher, sie verstehen
       Ironie erst mit ungefähr acht Jahren. Durch die Genderapartheid in der
       Spielwarenwelt nehmen sie Rollenbilder schon sehr früh sehr ernst. Wenn sie
       dann in ein Alter kommen, in dem sie kritischer werden, haben sie schon die
       Basis: Der Mann ist so, die Frau ist so. Ironischer Sexismus ist genauso
       Sexismus.
       
       Welche Rolle für das Verstehen spielt die Erziehung zu Hause? 
       
       Wir sind nicht alle medienkritisch. Es gibt genug Eltern, die auch finden,
       dass Mädchen eine bestimmte Rolle in der Gesellschaft zusteht, und die
       diese auch fördern. Unser Staat, der die Gleichstellung im Grundgesetz
       verankert hat, sollte diese auch gewährleisten. Man kann nicht erst die
       einzelnen Elternpaare erziehen, wir haben keinen Elternführerschein. Das
       Argument, dass Eltern ihren Kindern kritisches Denken beibringen müssen,
       ist etwas vermessen.
       
       Sie haben zwei Töchter. Dürfen die ohne Scheuklappen durch die Stadt
       laufen? 
       
       Nein, die werden verhüllt, und wenn sie mit einer Barbie spielen, kriegen
       sie Hausarrest – Quatsch! Sie dürfen alles, haben auch Puppen. Ich rate
       Eltern immer: Viel mit den Kindern darüber sprechen, was sie da draußen
       sehen. Dass die Models auf Plakaten nicht echt sind, dass die sich selbst
       kaum wiedererkennen, weil sie digital bearbeitet wurden. Dass die Rollen
       einen ganz bestimmten Sinn erfüllen, nämlich den, dass Frauen sich unsicher
       fühlen und dadurch weiterkonsumieren. Sonst würde die Schönheitsindustrie
       zusammenbrechen. Darüber kann man gut mit Kindern sprechen, das finden sie
       ganz spannend.
       
       30 Aug 2013
       
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