# taz.de -- Extremwetterkongress in Hamburg: Die Katastrophen kommen häufiger
       
       > In Hamburg trafen sich diese Woche 3.000 Wissenschaftler, um fünf Tage
       > über den Klimawandel und seine extremen Auswirkungen zu diskutieren.
       
 (IMG) Bild: Hochwasser auf den Philippinen: Die häufigen extremen Wetterlagen sind eine Folge des Klimawandels
       
       HAMBURG taz | So viel Zeit bekommt ARD-Wettermoderator Sven Plöger in der
       Regel nicht: „Nach den ’Tagesthemen‘ muss ich in 2 Minuten 19 fertig sein.“
       An diesem Montag darf der Meteorologe länger sprechen – am ersten Tag des
       8. Extremwetterkongresses in der Hamburger HafenCity. Bis Freitag sprechen
       80 Referenten und diskutieren 3.000 Teilnehmer über Entstehung, Ausprägung
       und Konsequenzen von vermehrten Wetterextremen aufgrund des Klimawandels.
       
       „Die einen sagen so, die anderen so …“, hat Plöger seinen Vortrag
       überschrieben, um anschließend die Meinungsbildung zu diesem Thema zu
       analysieren. Laut Erhebungen sähen heute 97 Prozent der einschlägig tätigen
       Wissenschaftler einen menschlich verursachten Klimawandel als gesichert –
       mehr als je zuvor.
       
       Zugleich wachse in der Öffentlichkeit der Zweifel: In den letzten Jahren
       sei in der Bevölkerung das Interesse am Thema Klimawandel gesunken.
       
       Wie kommt’s? Plöger hat bei Google mal die Wörter „Mensch, CO2, Anteil“
       eingegeben. Die Wissenschaft kommt auf der ersten Trefferseite so gut wie
       gar nicht vor – dafür umso mehr bestenfalls populärwissenschaftliche, oder
       gar dubiose Quellen. Bei der Meinungsbildung stehe die Wissenschaft viel zu
       weit hinten, schlussfolgert er.
       
       ## Medien und Wissenschaftler
       
       Die Ursachen sind vielfältig. So seien „Wissenschaftler oft nicht die
       Speerspitze der Eloquenz“, zum anderen spiele die Arbeitsweise der Medien
       hier eine große Rolle: Wenn auf einem Kongress 97 Wissenschaftler die eine
       Meinung vertreten und nur drei eine andere, befragten Journalisten
       üblicherweise einen der 97 und einen der drei – und erweckten damit,
       gewollt oder ungewollt, den abwegigen Eindruck, es gäbe eine Balance der
       Positionen.
       
       Dabei ist es Fakt, dass sich das Wetter verändert – und damit natürlich das
       Klima, das schließlich nichts anderes ist als die langfristige Gesamtheit
       des Wetters an einem Ort.
       
       „Die Wetterlagen haben sich verschoben“, weiß Paul Becker, Vizepräsident
       des Deutschen Wetterdienstes. Bei den Temperaturen sei die Entwicklung
       eindeutig, schwer tue man sich hingegen noch mit der Bewertung der
       Niederschläge; ob die Starkregen tatsächlich zunehmen, sei statistisch noch
       nicht so richtig fassbar. Gleichwohl gebe es eine Tendenz, sagt Becker:
       „Die Großwetterlage Tief in Mitteleuropa nimmt deutlich zu.“ Freilich
       bringt nicht jedes dieser Tiefs zwingend Überschwemmungen, aber das Risiko
       von Hochwasserereignissen steigt.
       
       ## Jetstream ist bestimmend
       
       Auch Peter Höppe, Meteorologe bei der Rückversicherung MunichRe, muss
       feststellen: „Die Wetterlagen werden beständiger.“ Das heißt: Regnet es
       einmal, regnet es heute im Schnitt länger. Ist es trocken, hält auch diese
       Phase länger an als früher. Seine Erklärung: Der Jetstream, eine
       atmosphärische Höhenströmung, die das Wetter am Boden erheblich prägt, ist
       beständiger und verändert seine Richtung und Stärke nicht mehr so schnell.
       
       Dass die MunichRe Meteorologen beschäftigt, liegt nahe, denn Wetterschäden
       können teuer werden. Und sie nehmen erkennbar zu, selbst wenn man
       berücksichtigt, dass höhere Schäden mitunter auch schlicht auf der Existenz
       höherer Werte beruhen können. Und so sind auch die Daten der Versicherer
       ein Indiz dafür, dass sich in der Atmosphäre etwas verändert.
       
       „2013 haben wir in Deutschland bereits die zweithöchsten Schäden bisher“,
       sagt Höppe. Vor allem das Hochwasser an Elbe und Donau schlägt hier durch,
       aber auch ein heftiger Hagelschlag im deutschen Südwesten mit 2,3
       Milliarden Euro Gesamtschäden.
       
       ## Erwärmung stockt
       
       Kurz vor Bekanntgabe des neuen Berichts des Weltklimarats IPCC ist auch
       dieser in Hamburg natürlich ein Thema – wenngleich ihm niemand vorgreifen
       will. Zu diskutieren sind jedoch die Meldungen der vergangenen Wochen: Seit
       15 Jahren hat sich die Atmosphäre nicht weiter erwärmt – schon scheinen die
       ganzen Rechenmodelle infrage zu stehen.
       
       Doch Mojib Latif, Klimaforscher am Geomar-Helmholtz-Zentrum für
       Ozeanforschung in Kiel, zeigt, dass es in den letzten 100 Jahren auch schon
       früher vorkam, dass die Temperatur über zwei Jahrzehnte stagnierte oder gar
       fiel – trotz eines Trends nach oben. „Betrachten Sie lange Zeiträume“,
       mahnt er. Eine Atempause wie zuletzt sei auch während eines grundsätzlichen
       Temperaturanstiegs „das normalste der Welt.“
       
       Und da die Meere Latifs Forschungsschwerpunkt sind, zieht er diese auch als
       Beleg für den Klimawandel heran – denn diese erwärmen sich ungebremst
       weiter. Das wiederum erkenne man am besten am Meeresspiegel: Während die
       Messungen der Wassertemperatur nur den oberen Teil der Weltmeere erfassen,
       beschreibt die Höhe des Meeresspiegels über die thermisch bedingte
       Ausdehnung der Wassermassen die Temperatur der gesamten Ozeane. Oder,
       mathematisch ausgedrückt: „Die Meeresspiegel ist das Integral der
       Wassertemperatur.“ Unterdessen mahnt Latif aber auch eine verstärkte
       Tiefseeforschung an: „Wir wissen über die Rückseite des Monds mehr als über
       die Tiefsee.“
       
       ## Kalte Winter
       
       In der Öffentlichkeit wird unterdessen jeder einzelne kalte Winter als
       Indiz gegen den Treibhauseffekt wahrgenommen. Latif erklärt: Selbst wenn es
       in Mitteleuropa in Zukunft öfter kalt werden sollte, sei das kein Zeichen,
       dass der Klimawandel stoppt. Im Gegenteil.
       
       Paradoxerweise kann es trotz global steigender Temperaturen regional und zu
       manchen Zeiten sogar extremere Kältephasen geben . Denn Hochdrucklagen über
       Nordeuropa können zunehmen, mit der Folge von vermehrten Nordostwinden in
       Deutschland – die hierzulande Kälte bringen.
       
       Am Ende bleibt die Frage: Selbst wenn es eine minimale
       Restwahrscheinlichkeit gäbe, dass der Klimawandel natürliche Ursachen hat –
       was spräche gegen einen engagierten Klimaschutz, gegen eine Senkung des
       Verbrauchs fossiler Energien? Schließlich reduziert man damit auch
       internationale Abhängigkeiten und verbessert die Luftqualität. Und
       überhaupt, warum sollte nicht auch beim Klima das Prinzip der Vorsicht
       gelten.
       
       ## Gefährlicher Weg
       
       Latif und greift auf einen Vergleich aus dem Alltag zurück: Wenn man an
       einer Straße steht, an der das Risiko groß ist, überfahren zu werden,
       wartet man, bis die Straße frei ist. Man wartet lieber einmal zu viel –
       ähnlich auf Vorsicht gepolt müsse man mit dem Klimaschutz verfahren und
       diesen vorantreiben.
       
       Ein paar Sätze folgen dann auch noch zu den sogenannten Klimaskeptikern –
       ein Wort, das Klimaforscher Guy Brasseur, Direktor des Hamburger Climate
       Service Center, rigoros ablehnt: „Die Leute, die Skeptiker genannt werden,
       sind am wenigsten skeptisch.“
       
       Die wahren Klimaskeptiker seien gerade die Wissenschaftler auf der
       unbefangenen Suche nach den geowissenschaftlichen Zusammenhängen. Und so
       fällt auf der Tagung immer wieder ein Wort, das besser passt:
       Klima-Ignoranten.
       
       26 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernward Janzing
       
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