# taz.de -- SPD zu Großer Koalition: Die Hannelore macht das schon
       
       > Am Sonntag entscheidet der SPD-Konvent über die Koalitionsverhandlungen
       > mit der CDU. Die Parteibasis in NRW schlägt Krawall.
       
 (IMG) Bild: Die letzte Vertraute der Genossen: Hannelore Kraft
       
       KÖLN taz | So richtig konnte Ulrich Thünken aus Duisburg es nicht glauben:
       dass seine Partei, die SPD, der er seit vierzig Jahren angehört, eine Große
       Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) anstrebt. Den Freitagmorgen
       verbringt der Vorsitzende des Ortsvereins Duisburg-Duissern in der
       örtlichen Partei-Geschäftsstelle. Der Seniorgenosse diskutiert mit Jusos,
       wie es weitergehen soll. „Wir treten höchstens in Verhandlungen ein, noch
       nicht in eine Koalition“, meint Thünken.
       
       Den Weg dafür beim bundesweiten SPD-Konvent am Sonntag zu versperren, hält
       er für falsch. „Die Hannelore wird das schon machen“, sagt der Herr über
       180 Basismitglieder. Die Hannelore, das ist die NRW-Ministerpräsidentin
       Hannelore Kraft. Sie hatte sich zunächst als lautstarke Gegnerin einer
       Großen Koalition profiliert. Jetzt aber wirkte sie an dem Beschluss mit,
       doch Verhandlungen mit CDU und CSU aufzunehmen.
       
       „Natürlich hat uns das überrascht“, gibt Jochen Ott, Chef der Kölner SPD
       zu. „Die spannende Frage ist, ob unsere Mitglieder weiterhin Vertrauen
       haben werden.“ Und Vertrauen ist ein hohes Gut geworden, seitdem sich die
       Basis an Rhein und Ruhr wieder ernst genommen fühlt.
       
       Hannelore Kraft ist nicht vergleichbar mit Wolfgang Clement oder Peer
       Steinbrück, die in der Düsseldorfer Staatskanzlei nach Ansicht vieler
       SPD-Mitglieder eher ihr eigenes „Süppchen“ gekocht hatten. Kraft hat sich
       mit ihrer zuhörenden Art in die Herzen der Genossinnen und Genossen
       gearbeitet. Ihr abrupter Meinungswechsel zur Großen Koalition könnte
       deshalb zu ihrer persönlichen Feuerprobe werden.
       
       „Die Stimmung bei bisherigen Mitgliedertreffen war ziemlich krawallig“,
       erzählt Jochen Ott. Am Freitagabend wollten die SPD-Anhänger bei
       zeitgleichen Veranstaltungen in allen vier Bezirken des Landesverbands über
       die Zusammenarbeit mit den Unionsparteien sprechen. „Beim letzten Mal in
       Köln war der Saal brechend voll“, erinnert sich Ott. „Mehr als 300 Leute
       waren gekommen, zum Teil mit richtig schlechter Laune.“ Sie hätten noch die
       Große Koalition unter Merkel und Frank-Walter Steinmeier in Erinnerung, die
       der SPD bei der Wahl einen erheblichen Stimmenverlust gebracht hatte. „Das
       wollen wir nicht noch einmal erleben“, mahnt Ott.
       
       ## Leichtfertiger Bundesvorstand
       
       „Das Misstrauen gegen die Berliner ist groß“, verrät der Kölner Parteichef
       – der Mann, der im SPD-Landesverband der Stellvertreter von Hannelore Kraft
       ist. „Sie ist die Einzige, der die Basis hier in NRW vertraut“, erklärt
       Jochen Ott mit Blick auf Sigmar Gabriel & Co. Und darin ist er sich
       offenbar einig mit Ulrich Thünken aus Duisburg: „Der Bundesvorstand hat ein
       bisschen leichtfertig den Eindruck erweckt, die Große Koalition gehe schon
       in Ordnung.“ Aber man dürfe doch nicht mit „fliegenden Fahnen“ zur Union
       eilen, sagt Thünken, schon allein wegen der wichtigen Inhalte, für die die
       SPD stehe.
       
       In Duisburg, wo Thünken zu Hause ist, hat die SPD bei der Bundestagswahl 41
       Prozent geholt, sogar mehr als 2009. Duisburg hat eine Arbeitslosenquote
       von rund 13 Prozent – doppelt so viel wie bundesweit. „Leiharbeit,
       Dumpinglöhne und unsichere Beschäftigung müssen bekämpft, marode Straßen
       und Brücken repariert werden“, sagt der erfahrene Sozi.
       
       Er weiß, dass er für große Teile seiner Partei spricht. Wie das ohne
       Steuererhöhungen finanziert werden soll, könne er sich nicht vorstellen.
       Und das werde ein Knackpunkt der Koalitionsverhandlungen: „Wir sind nicht
       begeistert, haben aber den Eindruck, dass Hannelore Kraft für uns ein gutes
       Ergebnis mit verhandeln kann.“
       
       Da ist es wieder, das Vertrauen in die Chefin der NRW-SPD, die nach eigenen
       Angaben keine Ambitionen auf einen Posten in der Bundespolitik hat, die
       aber oft als Kanzlerkandidatin gehandelt wird. Die Frau, die der
       „krawalligen“ Basis zuhört, sie überzeugt. Aber jetzt muss sie mit den
       Kritikern der Großen Koalition in ihrer Heimat umgehen. „Eigentlich wäre ja
       Schwarz-Grün angesagt“, meint Ott: „Denn eine Große Koalition hätte
       eigentlich eine zu große Mehrheit im Parlament. Und Opposition ist auch für
       die SPD nicht Mist, sondern die Wahrnehmung staatsbürgerlicher
       Verantwortung.“
       
       ## Unvorhersehbares Ergebnis
       
       Warum dann aber nicht nur sondieren, sondern konkret verhandeln? „Am Ende
       gilt, was im Koalitionsvertrag steht“, sagt Ott: „Es geht um Inhalte. Wird
       geliefert oder nicht? Und was steht im Kleingedruckten?“ Die Hürden seien
       „relativ hoch“. Letztlich könne er „überhaupt nicht einschätzen“, ob der
       bundesweite SPD-Konvent mit mehr als 200 Delegierten aus ganz Deutschland
       an diesem Sonntag den Koalitionsverhandlungen zustimmen werde.
       
       Ulrich Thünken sieht das ähnlich kritisch, aber auch ähnlich pragmatisch
       wie sein Vizelandeschef. „Selbst wenn zugestimmt wird, treten wir ja erst
       in Verhandlungen ein. Das wird noch ganz schön hart werden. Wir müssen als
       Partei aufpassen, dass wir nicht über den Tisch gezogen werden.“ Groß ist
       offenbar immer noch die Angst, bei der nächsten Bundestagswahl noch
       schlechter abzuschneiden.
       
       „Mit dem Koalitionsvertrag wäre die Diskussion hier an der Basis nicht
       vorbei“, droht Ulrich Thünken. Er befürchtet, dass in einer schwarz-roten
       Koalition Vereinbarungen getroffen, dann aber nicht eingelöst würden. Vor
       allem, wenn NRW-Vertrauensträgerin Hannelore Kraft fern von Berlin ihren
       Einfluss nicht geltend machen kann. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit und
       maroder Infrastruktur will Thünken eine solche Hinhaltetaktik nicht gelten
       lassen, so Thünken: „Aber notfalls kann man nach zwei Jahren eine Koalition
       ja auch wieder verlassen, wenn es nicht klappt.“
       
       18 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Überall
       
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