# taz.de -- Die angelsächsischen Spionage-Partner: Ein exklusiver Klub
       
       > Die enge Kooperation von Briten und Amerikanern stammt aus der Zeit ihres
       > gemeinsamen Kampfes gegen Hitler. Diese Solidarität funktioniert bis
       > heute.
       
 (IMG) Bild: Eine ganz spezielle Beziehung zeigt Flagge auf der Londoner Mall.
       
       BERLIN taz | Viel künstliche Aufregung ist im Spiel, wenn deutsche
       Politiker das „Abhören unter Freunden“ geißeln, sich über das Ausmaß der
       Überwachung des US-Geheimdienstes NSA auf deutschem Boden echauffieren und
       feststellen, dass diese über Terrorismusbekämpfung hinausgehen. Wer sich
       auf diese Weise empört, verkennt den historischen Kontext: den Sieg gegen
       Hitlerdeutschland 1945 und die daraus entstandenen internationalen
       Abmachungen, ohne die es die NSA gar nicht gäbe.
       
       Ohne britisch-amerikanische Kooperation, auch und gerade zwischen den
       Geheimdiensten, hätten die westlichen Alliierten im II. Weltkrieg
       vermutlich nicht bestehen können. Manche der Vereinbarungen dazu sind bis
       heute geheim.
       
       Seit wenigen Jahren publik ist aber das „Communication Intelligence
       Agreement“, das die militärischen Aufklärungsdienste der USA und
       Großbritanniens 1945 miteinander schlossen und das mit verschiedenen
       Verfeinerungen als „UKUSA Agreement“ in die Geschichte eingegangen ist.
       Später kamen die der britischen Krone unterstellten Kriegsmitstreiter
       Kanada, Australien und Neuseeland dazu. Seitdem heißt das Konstrukt „Five
       Eyes“.
       
       Die „fünf Freunde“ verpflichten sich in diesem Abkommen zum unbeschränkten
       Austausch aller „Produkte“ ihrer jeweiligen auslandsgeheimdienstlichen
       Tätigkeit weltweit. Dazu gehört die Sammlung, Überwachung, Analyse,
       Aufschlüsselung und Übersetzung „jeder Kommunikation der Regierung oder
       jedweder Streitkraft, Faktion, Partei, Abteilung, Agentur oder Büros eines
       fremden Landes“. Also alles.
       
       ## Geeint durch die englische Sprache
       
       Es ist ein Bündnis der Gleichgesinnten, zusammengeschmiedet und legitimiert
       durch den gemeinsamen Kampf gegen Hitler und dann die gemeinsame Abwehr
       Stalins. Sie sind geeint durch die englische Sprache und die
       angelsächsische politische Kultur strenger Gewaltenteilung, in denen für
       die einzelne Institutionen enge Spielräume gelten, innerhalb derer sie dann
       aber machen, was sie wollen.
       
       Es ist zugleich ein privilegierter Klub, deren Mitglieder sich das Recht
       herausnehmen, die Welt zu überwachen, aber sich selbst gegenseitig davor
       schützen. Denn die „fünf Freunde“ betreiben untereinander keine
       unabgesprochene Auslandsspionage – was auch nicht nötig ist, da ihre
       jeweilige Inlandsspionage für alle zugänglich ist. Vorausgesetzt, es
       herrscht zwischen den fünf blindes Vertrauen.
       
       Dieses Vertrauen ist der reale Kern dessen, was die Briten „special
       relationship“ nennen und was von anderen Europäern oft als blinde britische
       Gefolgschaft gegenüber den USA missverstehen. Zwar kann Großbritannien den
       USA heute nicht mehr wie 1945 als ebenbürtiger Partner mit Weltreich
       gegenübertreten, aber dennoch bleibt der Klub der fünf auch aus
       Washingtoner Sicht ein Selbstschutzmechanismus der USA gegen die eigene
       außenpolitische Unbedarftheit. US-Geheimdienste sahen weder den 11.
       September 2001 noch den Mauerfall 1989 voraus, ihre Fehleinschätzungen von
       Vietnam bis Somalia sind legendär.
       
       ## NSA, ein Kind des Koreakriegs
       
       Ein Impuls für engere Zusammenarbeit war das Versagen der US-Dienste,
       Nordkoreas Überfall auf Südkorea 1950 vorauszusehen. Den Koreakrieg 1950-53
       werteten Pessimisten als Präludium eines III. Weltkriegs. Um Kräfte zu
       bündeln, entstand eine unverbindliche Arbeitsteilung: Die Briten beobachten
       Europa und Afrika, die USA Lateinamerika und Ostasien, Australien Südasien,
       Neuseeland den Westpazifik, Kanada schützt Botschaftskommunikation
       weltweit.
       
       In den USA wurde damals für diese Zwecke der NSA gegründet und es wurden
       mit einigen verlässlichen Verbündeten Einzelabkommen geschlossen. In den
       weniger vertrauenswürdigen ehemaligen Feinden Deutschland und Japan
       entstanden die einzigen großen NSA-Lauschposten außerhalb der fünf
       Kernländer - in Deutschland in Bad Aibling nahe München.
       
       Dennoch sind alle Länder der Welt außerhalb der fünf Kernländer
       „Drittländer“, denen laut UKUSA-Abkommen nicht einmal die Existenz des
       Abkommens enthüllt werden darf. Was einer der fünf Geheimdienste in einem
       Drittland macht, ist mit den anderen abzusprechen, und, wie es im
       Ursprungstext heißt: „Nach Erhalt der Zustimmung des Anderen bleibt es der
       betroffenen Partei überlassen, die vereinbarte Aktion in der angemessensten
       Weise auszuführen, ohne die Kanäle dieser Aktion genau preisgeben zu
       müssen“.
       
       ## Vertrauliche Vorbehaltsrechte
       
       Für Westdeutschland galten in den 1950er Jahren besondere Regeln. Das Recht
       auf Überwachung und Spionage durch die westlichen Alliierten leitete sich
       aus dem Recht auf Schutz der in Deutschland stationierten alliierten
       Streitkräfte ab. Bis zum Inkrafttreten der [1][„Deutschlandverträge“], die
       1955 der Bundesrepublik Souveränität zugestanden, durften die westlichen
       Besatzungsmächte Schutzmaßnahmen alleine treffen; danach in „Konsultation
       mit der Bundesregierung“. Es gab aber weiterhin vertrauliche
       „Vorbehaltsrechte“ der Alliierten.
       
       Der Historiker Josef Foschepoth nennt in seinem Buch „Überwachtes
       Deutschland“ als Vorbehaltsrechte neben dem Recht, den Notstand auszurufen,
       „den Überwachungsvorbehalt, das Recht, den in- und ausländischen Post- und
       Fernmeldeverkehr in der Bundesrepublik auch weiterhin zu überwachen;
       zweitens den Geheimdienstvorbehalt, das Recht, die alliierten Geheimdienste
       mit Unterstützung des Bundesamtes für Verfassungschutz außerhalb des
       deutschen Rechts zu stellen“.
       
       Weiter: „Die Ablösung des Notstands-, Überwachungs- und
       Geheimdienstvorbehalts war an die Bedingung geknüpft, dass die deutschen
       Behörden durch eine entsprechende deutsche Gesetzgebung vergleichbare
       Rechte bekamen wie die Alliierten.“ Zu diesem Zweck gab sich Deutschland
       1968 die berüchtigten [2][Notstandsgesetze].
       
       ## Partner und nicht Freunde
       
       Die alliierten Vorbehaltsrechte erloschen mit der [3][deutschen Einheit
       1990]. Weiter galten und gelten jedoch die Nebenvereinbarungen über
       geheimdienstliche Zusammenarbeit - das jedenfalls geht aus den Enthüllungen
       Edward Snowdons hervor. Beispielsweise liefern deutsche Geheimdienste per
       Abkommen Informationen an die NSA im Gegenzug für technische Hilfe, ähnlich
       wie die britische Abhörzentrale GCHQ. Aber anders als bei den Briten
       fließen in Drittländer wie Deutschland weder Informationen zurück, noch
       bleiben sie von Überwachung verschont. Es sind eben „Partner“, keine
       „Freunde“.
       
       Der jüngste NSA-Skandal macht deutlich: Dieses Konstrukt ist
       renovierungsbedürftig. Aber wie? Die Vorteile der eingespielten
       jahrzehntelangen Zusammenarbeit quer über den Globus liegen auf der Hand.
       Aber der positive Nimbus, der angelsächsische Geheimdienste nach 1945
       umgab, verkörpert vor allem durch die Filmfigur James Bond, ist verblasst.
       In den USA paart sich heute linke Skepsis gegen den Überwachungsstaat mit
       rechter Ablehnung staatlicher Kontrolle überhaupt. In Großbritannien ist
       die populäre Kinderspionageliteratur von Enid Blyton aus den 50er Jahren in
       Vergessenheit geraten, stattdessen ist die Sezierung geheimdienstlicher
       Amoralität durch John Le Carré so beliebt wie nie.
       
       Die Opfer von NSA-Spionage haben nun die Wahl zwischen Abgrenzung und
       Annäherung. Frankreich, das eine noch viel ausgeprägtere Kultur
       unkontrollierter Geheimdienste hat als die USA, strebt in Richtung
       Abschottung. Paris sieht sich als mögliche Führungsmacht eines von den USA
       unabhängigen Europas, zu dem dann Großbritannien nicht gehören darf. Das
       ist der Kern gaullisticher Europapolitik.
       
       Deutschland sucht einen anderen Weg. Angela Merkel hat vorgeschlagen, mit
       den USA den gegenseitigen Verzicht auf Spionage zu vereinbaren. Dass jetzt
       in den USA diskutiert wird, die Überwachung von „Partnern“ einzustellen,
       geht in diese Richtung. Aber der Blick in die Geschichte zeigt, dass erst
       einige verborgene Fundamente der deutschen Nachkriegsordnung freigelegt
       werden müssten. Sie einfach unreflektiert zu denunzieren, kann unversehens
       in sehr zwielichtige Gesellschaft führen.
       
       29 Oct 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.documentarchiv.de/brd/dtlvertrag.html
 (DIR) [2] http://www.hdg.de/lemo/html/dokumente/KontinuitaetUndWandel_gesetzNotstandsgesetze/index.html
 (DIR) [3] http://www.2plus4.de/chronik.php3?date_value=27.09.90-28&sort=000-000
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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