# taz.de -- Umstrittene Nahost-Ausstellung: Schule unter Beschuss
       
       > Eine Ausstellung über die Vertreibung der Palästinenser sorgt für
       > Aufregung. In München ist der Streit jetzt wieder eskaliert.
       
 (IMG) Bild: Heikle Geschichte: ein Flüchtlingslager im Libanon wenige Jahre nach der Vertreibung der Palästinenser aus Israel, 1952.
       
       BERLIN taz | Es sind kaum mehr als ein Dutzend Schautafeln – 14 PVC-Folien,
       die sich wahlweise an der Wand aufhängen oder an Stellwänden montieren
       lassen. Nüchtern informieren sie über „Flucht und Vertreibung der
       Palästinenser 1948“, deren Folgen bis heute den Nahostkonflikt prägen. Doch
       wo immer sie auftauchen, gibt es Streit. So auch in München, wo sie bis
       Mitte dieser Woche [1][in der Montessori-Fachoberschule in Schwabing] zu
       sehen waren.
       
       Noch bevor [2][die Ausstellung] dort Mitte Dezember eröffnet wurde, machte
       die [3][Deutsch-Israelische Gesellschaft München dagegen mobil.] Diese
       Ausstellung lege den „Grundstein für antisemitische Worte und Taten“,
       polterte der örtliche DIG-Vorsitzende Torsten Weber.
       
       Gemeinsam mit Münchens Grüner Jugend, der Linksjugend, der Reformgemeinde
       Beth Shalom und dem nationalistischen Israel-Verein AmEchad forderte er die
       Schule dazu auf, die Ausstellung abzusagen. Auch Charlotte Knobloch, die
       Expräsidentin des Zentralrats der Juden, stellte sich hinter den Appell.
       
       Die Ausstellung stammt aus dem Jahr 2008 und wurde zum 60. Jahrestag der
       israelischen Staatsgründung konzipiert, um über den palästinensischen
       Blickwinkel auf dieses Ereignis aufzuklären. Denn was in Israel als Erfolg
       des „Unabhängigkeitskriegs“ gefeiert wird, gilt Palästinensern als „Nakba“,
       als Katastrophe, weil es zur Vertreibung aus der alten Heimat führte.
       
       ## Gegner fordern Verbot der Ausstellung
       
       Gefördert wurde die Ausstellung vom Evangelischen Entwicklungsdienst und
       einer Landesstiftung Baden-Württembergs. Seit sieben Jahren zieht sie schon
       durch Deutschland, inzwischen ist sie in weit über hundert deutschen
       Städten zu sehen gewesen. Vielerorts aber zog sie wütenden Protest auf sich
       – meist von deutsch-israelischen Gesellschaften, erklärten
       Pro-Israel-Gruppen oder lokalen jüdischen Gemeinden.
       
       Sie beklagen, die Schuld an der Flucht der Palästinenser werde allein
       Israel angelastet, die arabische Judenfeindlichkeit dagegen bleibe
       ausgeklammert. Mit diesem Argument fordern sie vor Ort meist ein Verbot –
       und haben dieses Ziel mancherorts auch erreicht.
       
       In Frankfurt am Main etwa zog der DGB im Mai 2010 seine Zusage zurück, die
       Ausstellung in seinen Räumen zu zeigen, sie musste daraufhin in eine Kirche
       umziehen. Im November des gleichen Jahres versuchte in der Stadt Freiburg
       der grüne Oberbürgermeister Dietrich Salomon, die Ausstellung in der
       örtlichen Stadtbibliothek zu verhindern, zog damit vor Gericht aber den
       Kürzeren. Und in Düsseldorf wurde die Ausstellung nach einer Woche von den
       Stadtoberen ohne Begründung abgehängt; sie handelten sich dafür vor Gericht
       eine Rüge ein.
       
       Ähnliche Szenen wiederholten sich in Aachen, Köln, Nürnberg und im Vorfeld
       des Evangelischen Kirchentags in Hamburg, wo die Ausstellung im Mai 2013
       gezeigt wurde.
       
       ## Es geht um Diffamierung
       
       „Das Interesse an dieser Ausstellung ist auch deswegen so groß, weil es im
       Vorfeld immer solche Auseinandersetzungen gibt“, versucht Ingrid Rumpf den
       ständigen Rufmord-Kampagnen etwas Positives abzugewinnen. „Man gewöhnt sich
       daran“.
       
       Rumpf ist die Vorsitzende des Vereins „Flüchtlingskinder im Libanon“, der
       die Ausstellung verantwortet. Er hat seinen Sitz in Baden-Württemberg und
       unterstützt Kinder, Jugendliche und Frauen, die in den palästinensischen
       Flüchtlingslagern im Libanon leben, indem er dort medizinische Hilfe,
       Bildungsprojekte und Sommercamps ermöglicht. Die Projekte werden von
       diversen namhaften Institutionen gefördert.
       
       Rumpf betont: „Wir stellen weder das Existenzrecht Israels in Frage, noch
       wollen wir den Holocaust oder das Unrecht, das Juden in arabischen Staaten
       widerfahren ist, relativieren.“
       
       Doch den Gegnern ist jedes Mittel der Diffamierung recht. Dass Kinder aus
       einem der zehn Sozialzentren des Partnervereins im Libanon kürzlich bei
       einer Trauerfeier in Militäruniformen schlüpften und Fotos davon auf der
       Webseite des Vereins landeten, nahm der Münchner DIG-Chef Torsten Weber
       jetzt zum Anlass, dem Verein vorzuwerfen, er erziehe Kinder „zum Krieg
       gegen Israel“.
       
       Auch Ingrid Rumpf war über die Bilder aus dem Libanon nicht glücklich: „Das
       ist nicht in unserem Sinne, und es entspricht auch nicht den pädagogischen
       Vorstellungen unserer Partner“, sagt sie der taz. Man habe sich deswegen
       auch bei den Partnern im Libanon beschwert. Doch sie sieht keinen Grund,
       deswegen an den Menschen zu zweifeln, mit denen sie seit 18 Jahren gut
       zusammenarbeite: „Es geht um humanitäre Hilfe“, betont sie.
       
       ## Schule zwischen den Fronten
       
       Auch der deutsch-französische Publizist Alfred Grosser stellt sich hinter
       sie. Grosser gehört zu den über 50 Prominenten, die die Ausstellung von
       Anfang an unterstützen – neben Publizisten, Historikern und Expolitikern
       wie Norbert Blüm, Moshe Zuckermann, dem verstorbenen Stéphane Hessel sowie
       den taz-Autoren Bahman Nirumand und Andreas Zumach.
       
       „Ich habe die Nakba-Ausstellung immer unterstützt und unterstütze sie
       weiterhin – trotz allen Unwahrheiten, die über die Ausstellung und ihre
       Veranstalter ausgeschüttet werden“, sagt Grosser.
       
       Im kommenden Monat wird der 88-Jährige nach München an die
       Montessori-Fachoberschule kommen, um dort zu den Schülern zu sprechen. Bei
       ihnen hat die wochenlange Kampagne ihre Spuren hinterlassen. „Wir sind da
       ungewollt zwischen die Fronten geraten“, sagt Schuldirektor Carl Mirwald
       der taz.
       
       Ursprünglich habe man die Ausstellung für rein schulinterne Zwecke ins Haus
       geholt. Die Initiative dafür sei von einer Geschichtslehrerin ausgegangen,
       die sich intensiv mit dem Judentum und der israelischen Geschichte
       beschäftigt habe. „Der Nahostkonflikt steht im Lehrplan für die 13. Klasse
       der bayrischen Fachoberschulen“, betont Mirwald. Die Ausstellungsgegner
       hätten jedoch gezielt die Öffentlichkeit gesucht.
       
       Den Rummel hält er für übertrieben: 30 kritische Zuschriften habe er
       erhalten, sagt Mirwald, darunter einige mit üblen Beleidigungen, aber auch
       fast 50 mit Zustimmung. Die Schreiben hingen zusammen mit den
       Stellungnahmen der Ausstellungsgegner in der Schule aus. Gestern wurde die
       Ausstellung – wie ursprünglich geplant – abgebaut.
       
       „Diese Erfahrung war für uns alle sehr lehrreich“, sagt Mirwald. „Insofern
       hat es sich gelohnt.“ Aber er ist auch überzeugt: „Das wird sich leider
       keine andere Schule mehr trauen.“
       
       16 Jan 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.lib-hilfe.de
 (DIR) [2] http://www.lib-hilfe.de/fakten_ausstellung_inhalt.htmln
 (DIR) [3] http://www.dig-muenchen.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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