# taz.de -- Überwachung beenden: Ein Netz, zwei Netze, viele Netze
       
       > Überall Ausspähung. Kann man der NSA wirklich nicht entfliehen? Doch, es
       > gäbe Möglichkeiten. Es ist eine Frage der Macht, ob sie umgesetzt werden.
       
 (IMG) Bild: Einmal neu verkabeln, bitte.
       
       Hauptsache, es schummert schon mal schön. Ein blauer Leuchtstreifen zieht
       sich durch den abgedunkelten runden Raum, ein paar pinkfarbene
       Illuminationen darin, Farbton Telekom. Es soll wohl alles ein bisschen nach
       Ufo aussehen. Oder zumindest nach Future.
       
       Willkommen beim Cyber Security Summit der Deutschen Telekom. Es ist Ende
       2013, kurz bevor der Vorstandsvorsitzende des Konzerns aus dem Amt scheiden
       wird. Und so wie René Obermann da vorne am Mikrofon steht, muss man schon
       meinen, die Telekom sei die neue Spitze der deutschen Bürgerrechtsbewegung.
       Der Mann scheint so betroffen, es fehlen nur noch die Tränen.
       
       Eine kleine Szene, aber sie zeigt: Nicht nur eine Horde Datenschützer und
       Bürgerrechtler, sondern der Kern der deutschen Wirtschaft ist durch die
       Enthüllungen über die massenhafte Datenspionage der NSA verunsichert. Und
       nun schreien die einen nach Lösungen, die anderen wittern Geschäfte. Die
       Telekom etwa wirbt seit Monaten für die Idee eines nationalen oder
       zumindest europäischen Routings: „Warum“, fragt man im Unternehmen, „soll
       eine Mail von Deutschland nach Deutschland ohne Not durch die USA geleitet
       werden?“ Schon hat es das Anliegen in den Koalitionsvertrag geschafft.
       
       Auch wenn die Idee, Daten mit Sender und Empfänger in Deutschland
       ausschließlich über das Inland zu routen, zwar ziemlich aufwendig, aber
       technisch machbar ist – wenn sie wollte, könnte die Telekom das Prinzip
       schon heute umsetzen. Ganz ohne Gesetz. Dass sie es nicht tut, sagt einiges
       über die Machtstrukturen im Netz.
       
       Ist es also nicht an der Zeit, über ein Netz nachzudenken, das wirklich in
       den Händen der Nutzer liegt – [1][wie es Science-Fiction-Autor Daniel
       Suarez vorschlägt]?
       
       ## Internet 4.0
       
       „Theoretisch und technisch ist es möglich, eine Art Internet 4.0 zu
       entwickeln und von Anfang an auf Privatsphäre zu setzen“, sagt der
       Informatiker Werner Hülsmann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Es
       würde ein paar Jahre dauern, aber das wäre sicher nicht das Problem.
       Vielmehr sei es eine Frage der Macht. Denn um global neue Standards zu
       entwickeln, sagt Hülsmann, bräuchte es Entwicklungsprozesse, in die sich
       vorwiegend Unternehmen einbringen würden.
       
       Initiativen und NGOs fehle meist das Geld für intensives Lobbying. Und
       welche globalen Unternehmen – von Google bis Amazon – sollten ein Interesse
       daran haben, wirkungsvolle Mechanismen zum Schutz der Privatsphäre zu
       etablieren? Anonyme Netze, selbstbestimmte Nutzer, das klingt nach einer
       emanzipativen Idee – aber nicht nach dem Geschäftsmodell einer Wirtschaft,
       in der Daten Wert bedeuten.
       
       Vielleicht also dezentraler, lokal, ein bisschen so wie im Energiesektor.
       Da ist es in der Politik zumindest teilweise angekommen, dass es klüger
       ist, vor Ort vernetzt zu sein statt auf ein paar Giganten zu vertrauen. Wie
       es etwa die Freifunk-Bewegung tut: Jeder, der mitmachen will, stellt sich
       einen Router in die Wohnung. Die verbinden sich und bilden ein eigenes
       Netzwerk.
       
       Der Vorteil: Dezentrale Strukturen sind weitaus schwieriger zu
       kontrollieren als zentrale Strukturen. Das gilt auch für die sogenannten
       Peering Points: Orte, an denen etwa eine E-Mail von einem Provider zum
       anderen übergeben wird. Momentan passiert das für Deutschland vor allem an
       einem großen Knotenpunkt in Frankfurt. Nach Angaben des Betreibers
       übergeben hier mehr als 580 Anbieter ihre Daten. Wer Daten fischen will,
       weiß also ganz genau, wo er hin muss. Mit vielen kleinen Übergabestellen
       könnte sich das ändern. Der Aufwand für eine Überwachung wäre immer noch
       hoch, aber die Ausbeute viel geringer, weil nicht mehr so viele Daten an
       einem Ort zusammenlaufen.
       
       ## Steigende Zentralisierung
       
       Wäre das nicht eine schöne Vision? Freifunk-Netze für alle – ohne lästige
       Datenkraken in der Mitte. Reiner Gutowski ist Freifunker im Rheinland. Er
       warnt trotzdem davor, dezentrale Strukturen als Allheilmittel zu sehen:
       „Die Überwacher, über die wir reden, haben genug Geld, um auch hier
       mitzulesen.“ Schwieriger werde das erst, wenn die einzelnen kleinen
       Netzwerke komplett vom Internet abgekoppelt seien. „Dann müsste man schon
       in zehn Meter Entfernung der Funksignale stehen, um an die Daten zu
       kommen“, sagt Gutowski. Nun muss das lokale Netzwerk noch Alternativen
       bieten, damit die Nutzer nicht immer gleich das Internet brauchen.
       
       Gerade auf der Seite der Onlinedienste wird die Zentralisierung nämlich
       stärker. Suchmaschine? Google. Netzwerk? Facebook. Videos? Youtube – das ja
       auch schon eine ganze Weile zu Google gehört. Verbraucherschützer sprechen
       sogar schon von „Monopolbildung“.
       
       Der Ansatz vom Freifunk Rheinland: „Wir wollen durch lokale Angebote wie
       ein soziales Netzwerk, einen Chat oder Tauschbörsen unser Netz attraktiver
       machen.“ Zugegeben, das Ganze hat auch einen entscheidenden Nachteil: Der
       Zugriff auf Internetdienste fällt dann natürlich weg. Chatten – geht nur
       innerhalb des Netzes. Und Einkaufen nur bei Leuten, die im lokalen Netz
       ihre Waren anbieten.
       
       Es gibt noch einen Ansatz, nicht ganz so groß wie ein neues Internet, nicht
       ganz so lokal wie der Freifunk. Er beginnt bei den Netzbetreibern, etwa der
       Backbones, also der Hauptverbindungen im Internet. Momentan mischen da auch
       US-Unternehmen mit, wie Level 3. US-Unternehmen unterliegen US-Recht. Was,
       wenn das US-Recht vorsieht, dass bestimmte Daten weitergegeben werden?
       
       Vielleicht wären also kommunale Betreiber eine Idee. „Es käme darauf an,
       dass solche kommunalen Netzbetreiber demokratischer Kontrolle unterworfen
       sind“, sagt der Informatiker Hülsmann, „zum Beispiel als Genossenschaft.“
       Damit wäre eine Machtstruktur gebrochen. Ein Umdenken, etwa hin zu einem
       dezentraleren Austausch von Daten mit anderen Anbietern wäre leichter
       durchzusetzen. Aber auch hier wären Nutzer nicht ganz vor Überwachung
       sicher. Schließlich könnte der eigene Staat immer noch mithören. Und die
       Daten auch international verbreiten.
       
       18 Jan 2014
       
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